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Wirtschaft: Udo Christoffel

(Geb. 1944)||Die Künstler und die Kunst im Vordergrund, dahinter er.

Die Künstler und die Kunst im Vordergrund, dahinter er. Er war 23, als er beschloss, ein Leben fern von seinem Vater, einem strengen Oberstudienrat, zu beginnen. Udo Christoffel packte seine Habseligkeiten in ein Köfferchen, stieg in Bonn in den Zug und am Bahnhof Zoo wieder aus. Vier Jahre später durfte er sich Kunstamtsleiter von Berlin-Wilmersdorf nennen.

Wie er das hingekriegt hat? „Nun“, antwortete er auf solche Fragen, „ich war gekommen, um zu lernen und zu arbeiten.“

Sein Konkurrent um die Stelle des Kunstamtsleiters, ein erfahrener Künstler, hatte angekündigt, seine erste Ausstellung auf Pissoirs zu veranstalten. Keine Frage, dass Wilmersdorf sich daraufhin dem 27-jährigen Udo Christoffel zuwandte. Der hatte einige Semester Publizistik studiert und einen Fernlehrgang zum Bürokaufmann gemacht. Anzug und Fliege saßen tadellos, und er hatte die Gründung eines kleinen Heimatmuseums im Teutoburger Wald vorangetrieben.

„Ich saß da nun plötzlich und wusste gar nicht, was ich machen sollte“, erzählte er später. Aber dann ging die Tür seines Dienstzimmers auf, und herein kam eine Truppe Künstler. Die wollten Geld, Ausstellungsräume und Beachtung. Udo Christoffel, der nichts so sehr verachtete wie Schlampigkeit, reichte ihnen die Hand und wusste wieder, was er wollte: Seinen Beruf so korrekt ausüben, wie ihm das irgend möglich war.

Schmallippig errechnete er, dass der Etat des Kunstamts sich auf 50 000 DM bezifferte. Das entsprach der Summe, für die sich zwei Stadträte kürzlich computergesteuerte Telefone hatten einrichten lassen. Ansonsten gab es noch einen wackeligen Hammer und die Ausstellungsräume, von denen der erste im Keller lag, der zweite als Besenkammer genutzt wurde und der dritte ein dämmeriger Flur war.

Zäh und geschickt kämpfte Udo Christoffel um Pfennige und Quadratmeter, bis er schließlich die Eröffnung der „Kommunalen Galerie“ verkünden konnte: Helle Räume und ein Café, in dem ein gefährliches Getränk namens Persiko ausgeschenkt wurde. Das war so klebrig und süß, dass es selbst CDU-Senatoren und langhaarige Maler zusammenschweißte.

Damit und vor allem mit den Ausstellungen realistischer Malerei, die Udo Christoffel besonders mochte und förderte, machte die Galerie sich langsam einen Namen, der über den Bezirk hinaus bekannt wurde. Berliner Maler wie Matthias Koeppel oder Carl Timner zeigten hier mehrfach ihre Arbeiten.

Obwohl es viele Anlässe gab, sah man Udo Christoffel nie im Rausch der Feste. Er bezeichnete sich als Dienstleister und hielt sich höflich im Hintergrund.

Daheim brannte das Licht oft bis tief in die Nacht. Dann saß er am Schreibtisch, vertieft in die Konzeption einer Ausstellung, die Vorbereitung eines Kataloges oder eines seiner „Stadtteil-Bücher“. In denen dokumentierte er akribisch recherchiert und in bester Druckqualität die Bezirksgeschichte.

Fotos zeigen einen großen Mann mit sensiblen Gesichtszügen, der meist etwas in der Hand hält: einen Fotoapparat, eine Videokamera oder einen Stift.

In seiner Wohnung hinterlässt Udo Christoffel hunderte Aktenordner, Videokassetten, Kataloge, Einladungen, Notizbücher. Alles ist mustergültig sortiert, beschriftet und geordnet. Eine lückenlose Beweiskette seines Daseins.

Er und seine Partnerin haben zwar nie eine Wohnung geteilt, dafür aber sehr schöne Jahrzehnte. Sie hatten gerade gemeinsam gefrühstückt, als Udo Christoffel aufstand und über Schwindel klagte. Sie eilte hinzu und umschlang ihn mit beiden Armen. Als sie ihn in einen Sessel gleiten ließ, hatte sein Herz bereits aufgehört zu schlagen.

Zu große Nähe hatte er stets gescheut. Er starb in einer festen Umarmung.

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