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Wirtschaft: „Über Werte spricht man nicht“

Der Sammler Heinz Berggruen über Berufsgeheimnisse, Markttrends und preistreibende Aufenthalte im Auktionssaal

HEINZ BERGGRUEN

zählt zu den bedeutendsten Kunsthändlern und Sammlern von Werken

der Klassischen Moderne

Foto: ddp

Herr Berggruen, was macht den Wert eines Kunstwerkes aus?

Über Werte spricht man nicht. Das ist ein Berufsgeheimnis der Sammler. Es sei denn, man hat keine Wahl – etwa bei Auktionen. Ansonsten wird es als Indiskretion angesehen, wenn man über Geld spricht. Das kann man auch verstehen, denn weder Käufer noch Verkäufer haben ein Interesse daran.

Anders gefragt: Wie wird Kunst wertvoll?

Wie immer in der kapitalistischen Gesellschaft ist auch auf dem Kunstmarkt alles eine Frage von Angebot und Nachfrage. Wenn eine Zeit kommen sollte, in der für Picasso kein Interesse mehr besteht – was ich nicht glaube –, dann fällt auch sein Preis.

Noch besteht kein Anlass zur Sorge…

Stimmt. Im Mai wird auf einer wichtigen Auktion in New York ein wunderbares frühes Picasso-Bild versteigert. Der Schätzpreis liegt bei 70 Millionen Dollar. Bisher hat noch kein Kunstwerk je den Preis von 100 Millionen Dollar erzielt. Aber das kann kommen.

Wie entstehen solche Markttrends?

Das ist sehr schwer zu sagen. Es ist wie bei einer Mode. Trends spiegeln Geschmack und Gefühle wider. Und es gibt sehr begabte Kunsthändler, die ein besonderes Gefühl dafür haben, was gerade gefragt ist. Wenn Warren Buffet an der Börse auf bestimmte Werte setzt, dann zieht ja auch eine Horde von Investoren nach. Wenn ein Bild auf einer wichtigen Auktion bei 100000 Euro keinen Käufer findet, dann kann das für diesen Künstler einen Preistrend nach unten auslösen. Während Picasso oder Andy Warhol etwa zurzeit immer teurer werden, sinken die Preise für Chagall. So kann es kommen.

Verkaufen sich Künstler, die gute Eigenwerbung machen, besser?

Durchaus. Aber es muss stimmig sein. Sonst führt es in die Pleite. Gerade bei junger Kunst weiß man oft nicht, wohin die Vermarktung führt.

Ist Kunst eine gute Wertanlage?

Ich würde davon abraten. Es sei denn, man interessiert sich in erster Linie für das Kunstwerk und erst in zweiter Linie für seinen Wert. Auf dem Kunstmarkt kann man schnell reinfallen und sich etwas einreden lassen. Man sollte genau wissen, was man will.

Was halten Sie von Finanzinvestoren, die Kunst in ihren Tresoren verschwinden lassen?

Ich glaube nicht, dass es für eine Bank oder Versicherung klug ist, in Kunst zu investieren. Die Werte schwanken viel zu stark, und das Risiko, sich zu irren, ist zu groß. Was sie mit der Kunst anstellen, ist ihre Sache.

Haben Sie sich schon einmal geirrt?

Ich habe schon bei Auktionen aufgegeben, wenn ich geglaubt habe, dass Preise übertrieben waren. Aber im Großen und Ganzen war der Kunstmarkt für mich eine sehr lebendige und erfolgreiche Angelegenheit.

Wann finden Sie einen Preis übertrieben?

Bevor ich kaufe, denke ich über das Kunstwerk nach, vergleiche es mit ähnlichen Werken. Dann setze ich mir einen Höchstpreis, den ich nicht überschreite. Ich versuche mich zu disziplinieren, was nicht immer leicht ist.

Ist der Kunstmarkt immun gegen Wirtschaftsflauten?

Irgendwie geht er eigene Wege. Es gibt Sammler, die über solche Vermögen verfügen, dass sie es unberührt lässt, ob die Börse fällt oder steigt. Es müsste schon ein Krieg ausbrechen, bevor sie vorsichtig werden.

Sie haben viele Jahre ein Doppelleben als Händler und Sammler geführt. War es schwierig, als Verkäufer und Käufer zugleich aufzutreten?

Die französische Ausgabe meiner Erinnerungen heißt: Ich war mein bester Kunde. Wenn Kunst, die mir als Händler angeboten wurde, für mich als Sammler reizvoll war, dann habe ich sie selbst gekauft.

Nehmen Sie noch persönlich an Auktionen teil?

Manchmal ja. Aber kürzlich habe ich in Paris eine Picasso-Zeichnung am Telefon ersteigert. Ich hatte das Gefühl, dass einige Leute denken könnten: Wenn der Berggruen im Saal ist, muss das Stück mehr wert sein. Am Telefon weiß kein Mensch, dass ich es bin.

Sie machen die Preise?

Ich schätze manchmal ja. Der Markt bildet sich unter anderem durch Leute wie mich, die sammeln und von denen man weiß, dass sie ein recht gutes Urteilsvermögen haben.

Das Gespräch führten Nicola Kuhn und Henrik Mortsiefer

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