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Euro-Skultpur vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main (Hessen).

© Arne Dedert/dpa

Update

Ukraine-Krieg und Zinspolitik drücken Kurs: Der schwache Euro droht, die Inflation weiter anzuheizen

Die Gemeinschaftswährung sinkt immer weiter im Wert. Warum ist das so und welche Folgen hat das für die Verbraucher? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Seit einigen Wochen ist das angstbesetzte Wort „Euro-Krise“ wieder zurück im Wortschatz der Politik. Die hohe Inflation und die daraus resultierende Notwendigkeit steigender Zinsen nähren die Sorge, dass einige Länder der Währungsunion ihre Schulden bald nicht mehr zahlen können.

Am Dienstag erhielt die Sorge um die Gemeinschaftswährung neues Futter: Nachdem der Euro rund zwei Jahrzehnte lang deutlich stärker war als der US-Dollar, war die Gemeinschaftswährung am Mittag kurzzeitig wieder genau einen Dollar wert. Damit sank sie erstmalig seit 2002 auf Parität – ein Tauschverhältnis von eins zu eins.

Wie entwickelte sich der Euro?

Die prominente Marke fügt sich in das Bild eines schwächelnden Euros. Bekam man vor einem Jahr noch 1,18 Dollar für einen Euro, ging es mit der europäischen Währung – speziell seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine – bergab. Der Abwärtstrend hatte allerdings schon Ende 2020 angefangen.

Den Höchststand hatte der Euro in der Finanzkrise 2008, als er im Juli 1,6038 Dollar wert war. Der Euro war 1999 zunächst als Buchgeld eingeführt worden – der Kurs zum Dollar lag am 4. Januar 1999 bei 1,18 Dollar. Im Januar 2000 sackte der Eurokurs unter die Parität zum Dollar, das Rekordtief wurde im Oktober 2002 mit 0,8230 Dollar erreicht.

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Warum ist der Euro so schwach?

Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf den Euro-Raum sind deutlich größer als die auf die USA. Die Abhängigkeit vom russischen Gas, eng vernetzte Lieferketten mit der Ukraine und die physische Nähe des Kriegs machen eine Rezession in Europa wahrscheinlicher.

Sollten die Gas-Lieferungen aus Russland ganz ausbleiben, droht dem Kontinent eine schwere Wirtschaftskrise und schnell steigende Arbeitslosigkeit. „Wegen ernster Rezessionsgründe hat die Angst das Ruder übernommen“, sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. Das ZEW-Konjunkturbarometer, das monatlich die Stimmung an den Börsen in Deutschland misst, fiel am Dienstag deutlich ab.

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Die zögerliche Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) trägt ebenfalls zur Schwächung des Euro bei. Da sie aus Sorge um die Zahlungsfähigkeit der hoch verschuldeten Euro-Länder kaum mit höheren Zinsen gegen die Inflation vorgehen kann, bleibt die Währung schwach.

Erst im Juli soll der Leitzins steigen – allerdings nur auf 0,25 Prozent. In den USA dagegen hat die Notenbank Fed den Leitzins auf inzwischen 1,5 bis 1,75 Prozent angehoben.

Wie geht es weiter?

Da die Notenbanken bei ihren bisherigen Linien bleiben und auch die Kriegsfolgen weiterhin vor allem in Europa spürbar sein werden, dürfte der Trend weiter anhalten. So geht auch der Währungsanalyst der Citigroup, Ebrahim Rahbari, davon aus, dass der Euro auch nach dem Unterschreiten der Parität zum Dollar weiter fallen wird: „Der Dollar ist weiter der König.“

Auch der Blick in die Unternehmen nährt die Sorge nach weiteren wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Laut Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) erwartet ein Viertel der Firmen Produktionsrückgänge.

Was bedeutet der schwache Euro für die Inflation?

Die Entwicklung des Euro könnte die Inflation noch weiter anheizen. Denn wenn andere Währungen stärker werden, führt das dazu, dass nach Deutschland eingeführte Waren teurer werden. Verbraucher müssen bei sinkendem Eurokurs also noch tiefer in die Tasche greifen, um ihre Lebenshaltungskosten zu stemmen. Vor allem die bereits hohen Energie- und Rohstoffpreise drohen weiter zu steigen. Denn gezahlt wird international üblich in US-Dollar.

Was heißt das für die deutsche Wirtschaft?

Grundsätzlich hat ein schwacher Euro jedoch gerade für die deutsche Industrie Vorteile. Denn das deutsche Wirtschaftsmodell basiert schon seit Jahren auf Export. Und was für den Import und die Preisentwicklung negativ ist, ist für den Export positiv:

Die Waren aus der Euro-Zone werden im Ausland billiger und deshalb stärker nachgefragt. Gerade vor dem Hintergrund, dass Deutschland zuletzt erstmals seit Jahren wieder ein Handelsdefizit auswies, könnte der Euro-Kurs einigen Exporteuren durchaus gelegen kommen.

Allerdings übersteigen die Nachteile durch die Inflation derzeit wohl die Vorteile durch die besseren Exportmöglichkeiten. „Unterm Strich betrachtet birgt die Abwertung des Euros derzeit mehr Risiken als Chancen für die Euro-Zone“, argumentiert Sonja Marten, Analystin der DZ-Bank.

„Die extremen Preissteigerungen bei den Import- und Produzentenpreisen überlagern jeglichen Gewinn, den Exporteure aufgrund einer schwächeren Währung für sich verbuchen können.“

Was bedeutet ein Euro-Beitritt Kroatiens?

Ab 2023 soll auch Kroatien der Euro-Zone angehören. Die europäischen Behörden und auch die Bundesregierung gaben dafür in dieser Woche ihre Zustimmung. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verkaufte es als Stärkung der Währungsunion.

Der Euro werde mit dem Beitritt des Balkanlandes gestärkt, so die CDU-Politikerin. Einige Ökonomen sehen das jedoch anders. Stefan Kooths, Vizepräsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), befürchtet, dass Kroatien sich nur erhoffe, von den günstigeren Verschuldungskonditionen in der Währungsunion zu profitieren.

„Es ist bedenklich, dass die starken Staaten wie Schweden oder Dänemark den Euro nicht wollen“, sagte Kooths der „Welt“. „Im Zweifel bekommt künftig nur noch das Lager der Weichmacher Zuwachs“, sagte er weiter.

Die EZB hat im Vormonat deutlich gemacht, dass sie einen zu starken Zinsanstieg für wirtschaftlich schwache Länder vermeiden will. Solange man die großen Probleme der Währungsunion nicht gelöst habe, sollte man den Kreis nicht noch erweitern, so Kooths.

Die Bedingungen für einen Euro-Beitritt erfüllt Kroatien laut der EU. Sie umfassen Preisstabilität, Wechselkursstabilität, eine Dauerhaftigkeit Übereinstimmung mit den finanzpolitischen Zielen der EZB sowie solide öffentliche Finanzen. Allerdings ist Kroatien mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von knapp 15.000 Euro das drittärmste Land der EU.

Thorsten Mumme

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