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Sanktionen werden auch den deutschen Export beeinträchtigen.

© dpa

Ukraine-Krise: Wie sich die Sanktionen auf Russland und Deutschland auswirken

Sanktionen schwächen nicht nur Russlands Geschäfte, sagen Experten. Auch deutsche Exporte werden belastet. Die Folgen der Ukraine-Krise bekommen die ersten Firmen in Europa bereits zu spüren.

Die neuen EU-Sanktionen gegen Russland werden nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sehr schnell Wirkung zeigen. “Die russische Ökonomie ist in keiner guten Verfassung“, sagte der SPD-Minister am Mittwoch in Berlin.

Er setze auch auf den Einfluss der Wirtschaftsführer in Russland. Denn es sei nicht im Interesse der russischen Oligarchen, dass ihre Möglichkeiten eingeschränkt würden, freizügig in Europa unterwegs zu sein und ihr Geld zu investieren. Die EU hatte am Dienstag unter anderem Sanktionen gegen russische Banken verhängt.

Gabriel wandte sich entschieden dagegen, in der Ukraine-Debatte wirtschaftliche Überlegungen über politische zu stellen. “Wir dürfen nicht aus Angst vor wirtschaftlichen Folgen zulassen, dass auf diesem Kontinent Krieg und Bürgerkrieg immer größer werden“, sagte der Vize-Kanzler mit Blick auf die Lage in der Ostukraine. “Wo es um Krieg und Frieden geht, kann es nicht um Wirtschaftspolitik gehen.“ Bevor die am Dienstag von der EU beschlossenen Wirtschaftssanktionen wieder aufgehoben werden könnten, müsse Russland einen Beitrag zum Waffenstillstand und der Entwaffnung der Separatisten in der Ostukraine leisten.

Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau wird wohl leiden

Auch der Sprecher der deutsch-russischen Außenhandelskammer in Moskau hält die finanzpolitischen Sanktionen gegen Russland für besonders schmerzhaft. Die großen staatlichen Banken in Russland finanzierten sich bisher vor allem über den US-amerikanischen oder den europäischen Kapitalmarkt, sagte Jens Böhlmann am Mittwoch „Deutschlandradio Kultur“. Würden sie vom Handel mit Wertpapieren oder Anlagen abgeschnitten, sei es schwierig, sich weiter zu finanzieren. Das werde vor allem Handelsgeschäfte oder die Exploration von Erdgasfeldern treffen.

Auf deutscher Seite rechnet Böhlmann vor allem mit Auswirkungen auf den Maschinen- und Anlagenbau. „Etwa ein Viertel aller Exporte aus Deutschland nach Russland sind aus dem Bereich Maschinen- und Anlagenbau“, sagte er. Es handele sich vor allem um mittelständische Unternehmen mit rund 50 Beschäftigten. Ob die Krise dazu führen werde, dass sich Moskau aus politischen Gründen Richtung China oder Asien wende, bleibe abzuwarten. „Der Druck, der in China entsteht in Richtung Wettbewerb, der ist schon lange da.“

Deutsche Exporte nach Russland indirekt weiter belastet

Auch nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) werden deutschen Exporte nach Russland indirekt weiter belastet. „Das Umfeld war bereits schwach und wird durch die Sanktionen weiter geschwächt“, sagte der Referatsleiter Ost- und Südosteuropa beim DIHK, Tobias Baumann, der Nachrichtenagentur dpa. Seit Jahresbeginn seien die deutschen Exporte nach Russland in Erwartung von Sanktionen bereits um 14 Prozent gesunken. Im Maschinenbau ist der Rückgang noch größer. Auf das Gesamtjahr rechne der DIHK derzeit mit einem Minus von mindestens 10 Prozent. „Es könnte aber auch mehr werden“, sagte Baumann.

Die Konjunktur in Russland habe schon zuvor geschwächelt. „Angesichts der bisherigen Wachstumsschwäche erscheint eine Rezession oder Nullwachstum in Russland wahrscheinlich“, sagte Baumann. Es werde zu weiteren Kaufkraftverlusten kommen. Denn um zu investieren, brauche es ein Umfeld, das für Kapitalgeber attraktiv sei, sowie liquide Finanzmärkte. Von den Exporten nach Russland hängen nach Hochrechnungen des DIHK in Deutschland etwa 300.000 Arbeitsplätze ab. Diese seien aber noch nicht akut gefährdet.

Deutsche Maschinenbauer stellen sich auf wegbrechende Geschäfte in dem wichtigen Exportmarkt ein. “Das wird so weiter gehen. Die Verunsicherung ist groß“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VDMA, Hannes Hesse, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Bereits in den ersten fünf Monaten dieses Jahres seien die Exporte in das Land um rund ein Fünftel zurückgegangen. “Russische Kunden halten sich mit Bestellungen zurück, weil sie nicht wissen, ob die Deutschen liefern können.“

Großer Exportmarkt für deutsche Maschinenbauer

Russische Staatskonzerne lehnten die Vergabe von Aufträgen an deutsche Firmen zum Teil ab. “Deutsche Unternehmen sind verunsichert, ob sie liefern dürfen.“ Hinzu kommt laut Hesse, dass auch der schwache Rubel auf das Russland-Geschäft drückt, da dadurch dort Maschinen “Made in Germany“ teurer werden. Russland ist mit einem Absatz von knapp acht Milliarden Euro der viertgrößte Exportmarkt für die deutschen Maschinenbauer. Maschinen und Anlagen machen mit einem Anteil von 24 Prozent einen Großteil der deutschen Exporte nach Russland aus. Der Maschinenbau gilt mit seinen rund eine Million Beschäftigten und einem Umsatz von zuletzt 206 Milliarden Euro als Rückgrat der deutschen Wirtschaft.

Erste Auswirkungen auf europäische Firmen

Erste Auswirkungen der Ukraine-Krise verzeichnet etwa der Lkw- und Maschinenbauer MAN. Die Nachfrage der verunsicherten russischen Kundschaft sei im zweiten Quartal um 20 bis 25 Prozent zurückgegangen, sagte Vorstandsmitglied Anders Nielsen am Mittwoch in München. “Das ist das, was am meisten wehtut in Russland.“ Die Abwertung des Rubel und die Wirtschaftssanktionen westlicher Staaten sorgten den Vorstand dagegen weniger, fügte Konzernchef Georg Pachta-Reyhofen hinzu.

MAN habe in Russland zuletzt etwa fünf Prozent seiner Umsätze erwirtschaftet. “Die Bedrohung insgesamt ist gering, aber es ist ein wichtiger Markt“, sagte Pachta-Reyhofen. Er unterstütze die wirtschaftlichen Druckmittel des Westens, auch wenn man damit eigene Nachteile in Kauf nehme. “Sanktionen sind nie gut, Konflikte aber auch nicht. Der Konflikt hat zuerst begonnen. Deswegen finde ich es ganz richtig, das Sanktionen folgen.“

Auch der französische Ölriese Total bekommt die Folgen der Ukraine-Krise zu spüren und muss mit erheblichen Auswirkungen der härteren EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland rechnen. Als einer der wichtigsten ausländischen Investoren in Russland sieht der Konzern seine Partnerschaft mit dem zweitgrößten russischen Gasförderer Novatek bereits beeinträchtigt. Der Kauf weiterer Novatek-Aktien sei an dem Tag gestoppt worden, an dem die malaysische Passagiermaschine mit fast 300 Menschen an Bord über der Ostukraine abstürzte. Grund seien “all die Unsicherheiten, zu denen der Vorfall führen kann“, sagte Finanzvorstand Patrick de La Chevardiere am Mittwoch.

An der Börse herrschte Pessimismus

Es sei aber noch zu früh, um die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland auf das Total-Geschäft abzuschätzen. “Wenn diese Strafmaßnahmen es uns verbieten, dort zu arbeiten, werden wir gezwungen sein, die Arbeit einzustellen“, sagte de La Chevardiere. An der Börse herrschte Pessimismus: Total-Aktien gaben zeitweise um rund drei Prozent nach. Grund war allerdings auch ein Gewinnrückgang des Unternehmens im vergangenen Vierteljahr.

Noch im April hatte Total erklärt, Russland werde dank der Total-Partnerschaft mit Novatek und des Gas-Projekts Yamal LNG in Sibirien bis 2020 der wichtigste Lieferant von Öl und Gas. Aktuell sei Total noch in Sibirien engagiert, sagte der Finanzvorstand. “Wir sind aber uns mit unseren Partnern einig, dass die Lage Ende August überprüft werden soll.“ 2011 hatte Total zwölf Prozent an Novatek übernommen mit der Option, den Anteil binnen drei Jahren auf 19,4 Prozent zu erhöhen. Ende Juni hielten die Franzosen bereits 18 Prozent.

Im zweiten Quartal ging die Öl- und Gasproduktion von Total um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück. Als Gründe nannte der Konzern unter anderem umfassende Wartungsarbeiten in der Nordsee, in Nigeria und Thailand sowie die Verschlechterung der Sicherheitslage in Libyen. Deshalb sei auch der bereinigte Nettogewinn um zwölf Prozent auf 3,15 Milliarden Euro gesunken. (dpa)

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