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Rheinischer Humor. Das "Bundesamt für magische Wesen“ in Bonn porträtierte Ulrich Kelber als „Zaubereiminister“.

© Illustration: BAfmW

Ulrich Kelber: Robust und streitbar - das ist der künftige Datenschutzbeauftragte

Erika Steinbach nannte er eine "Idiotin", auch mit Dorothee Bär gab es schon einen Schlagabtausch. Mit Ulrich Kelber wird der Ton rauer.

Diese Meldung war eine Ente. „Ulrich Kelber zum Zaubereiminister in die Bundesregierung berufen“, berichtete das fiktive „Bundesamt für magische Wesen“ im Januar. Damals war Ulrich Kelber (SPD) noch Parlamentarischer Staatssekretär unter Heiko Maas im Bundesjustizministerium – allerdings mit ungewisser Zukunft. Würde die SPD das Ministerium verteidigen können? Würde Kelber Staatssekretär bleiben?

Viele Fragen waren am Jahresanfang offen, nur eines war klar: Zaubereiminister wird der Politiker nicht. Ein solches Amt gibt es nämlich nicht, obwohl Kelber es vielleicht ganz gerne hätte. Immerhin steht der Bonner der von Fantasyautoren erfundenen Fantasiebehörde (Dienstzeichen Bundeslurch statt Bundesadler) nahe. Und ist auch sonst ein Freund der magischen Wesen. „Baby Groot“, das Bäumchen aus dem Comic-Blockbuster „Guardians of the Galaxy“ schmückt seinen Schreibtisch, im Karneval ist „der bönnsche Jung“ schon mal als Charakter aus „Drachenzähmen leicht gemacht“ und als Henker gegangen, was der damaligen SPD- Landeschefin Hannelore Kraft nicht sonderlich gut gefallen hatte.

Ulrich Kelber soll Andrea Voßhoff ablösen

Statt Zaubereiminister wartet auf den 50-Jährigen nun ein anderes Amt. Kelber soll Andrea Voßhoff (CDU) ablösen und Anfang nächsten Jahres Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit werden. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hat ihn vorgeschlagen, der Bundestag muss ihn wählen. Das passiert wahrscheinlich in der zweiten Jahreshälfte. Zauberkraft wird dafür wohl nicht nötig sein. Die SPD hat turnusmäßig das Vorschlagsrecht für das Spitzenamt, und es müsste in der Koalition schon ordentlich rappeln, um Kelber den Weg zu versperren.

Streit: Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, hatte eine „smarte Datenkultur vor allem für Unternehmen“ gefordert und die Datenschutzregeln in Deutschland als „18. Jahrhundert“ abgetan. So etwas lässt Kelber nicht gelten.
Streit: Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, hatte eine „smarte Datenkultur vor allem für Unternehmen“ gefordert und die Datenschutzregeln in Deutschland als „18. Jahrhundert“ abgetan. So etwas lässt Kelber nicht gelten.

© Michael Kappeler/dpa

Der Bundesdatenschutzbeauftragte ist für den Datenschutz in Bundesbehörden zuständig. Voßhoffs Vorgänger Peter Schaar hatte das Amt aber auch genutzt, um Politik zu machen. Der kämpferische Grünen-Politiker hatte vor Profilbildung durch Internet-Konzerne und staatliche Überwachung des Bürgers gewarnt. Nach der eher zurückhaltend und vorsichtig agierenden Voßhoff hoffen manche, dass Kelber zu einem „Schaar zwei“ werden könnte. So begrüßt etwa Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und damit oberster Verbraucherschützer, die Personalie „sehr“. Kelber habe sich bereits im Justizministerium „mit Nachdruck für Digitalisierungsthemen und insbesondere den Datenschutz stark gemacht“, sagt Müller. „Aus Verbrauchersicht ist es eine gute Entscheidung, dass es mit Ulrich Kelber künftig einen Bundesdatenschutzbeauftragten geben wird, der die Digitalisierung datenschutz- und damit verbraucherfreundlich ausgestalten will.“

Datenschutz wird immer wichtiger

Tatsächlich ist Datenschutz so aktuell wie nie. Im Mai ist die Europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft getreten, die Unternehmen zu einem verbraucherfreundlichen Umgang mit den Daten verpflichtet. Eine Mammutaufgabe, auf die viele Firmen und Behörden nur unzureichend vorbereitet sind. Und auch der Skandal um die Datenschutzpanne bei Facebook hat erst kürzlich wieder gezeigt, wie löchrig der Schutz der Daten ist.

Streit mit Dorothee Bär

Wie Kelber seine neuen Aufgaben sieht? In den ersten Wochen wolle er erst einmal zuhören und sich mit der Fachebene beraten, sagt er. Aber Kelber wäre nicht seit dem 17. Lebensjahr Politiker, würde er nicht auch die großen Herausforderungen sehen: künstliche Intelligenz, selbstlernende Systeme, Profilbildungen in Netzwerken und die unzulängliche Information der Verbraucher über ihre Rechte. Einen Vorgeschmack auf den Neuen an der Spitze hat Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, bereits im März bekommen. Die CSU-Politikerin hatte eine „smarte Datenkultur vor allem für Unternehmen“ gefordert und die Datenschutzregeln in Deutschland als „18. Jahrhundert“ abgetan. Kelber konterte umgehend: Frau Bär habe anscheinend nicht realisiert, dass ab dem 25. Mai ein neues, modernisiertes Datenschutzrecht gelte, das den Schutz der Daten in den Mittelpunkt rücke. Mit Kelber als Bundesdatenschutzbeauftragtem werden sich die Datenpolitiker warm anziehen müssen – auch weil Voßhoff eine wichtige Reform auf den Weg gebracht hat. Ihre Behörde ist jetzt eigenständig und unterliegt nicht länger der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundesinnenministeriums.

Ulrich Kelber teilt aus

Davon wird auch der Vollblutpolitiker Kelber profitieren. Ein Leisetreter ist er nicht, im Gegenteil. Der Zwei-Meter-Mann ist körperlich und politisch robust. Die Ex-CDU-Politikerin Erika Steinbach nannte er eine „Idiotin“, dem Springer-Verlag warf er AfD-Nähe und eine „völkische Themenwahl“ vor. Dafür kassierte der SPD-Politiker nicht nur heftige Kritik aus der Medienbranche, auch die Bundesregierung distanzierte sich von ihrem früheren Staatssekretär.

Zum fünften Mal das Direktmandat

Aus seinen Überzeugungen macht Kelber keinen Hehl. Wegen seiner Kritik an der Kohleverstromung gilt der Bonner als Grüner in der SPD und hat sich in seinem Landesverband NRW nicht nur Freunde gemacht. Bei der letzten Bundestagswahl kandidierte Kelber nicht auf der SPD-Landesliste. In seinem Wahlkreis kommt der fünffache Familienvater dagegen gut an. Zum fünften Mal hintereinander holte er das Direktmandat in dem Bonner Wahlkreis, in dem einst Konrad Adenauer kandidiert hatte. Was Kelber besonders freut: „Ich hatte den größten Vorsprung von Erst- zu Zweitstimmen in ganz Deutschland“.

Ulrich Kelber macht Lobbyistenkontakte und Steuererklärungen öffentlich

Seine direkte Art kommt bei den Bonnern an. Kelber veröffentlicht im Internet seine Kontakte mit Lobbyisten und seine Steuererklärungen. Vor Ort besucht er Schulen, nimmt an Diskussionen teil. Berührungsängste kennt er nicht. Heimat weiß er zu schätzen. „Bonn ist schöner als Berlin“, heißt es auf der Fußmatte, die vor seinem Berliner Büro liegt. Dennoch hätte Kelber wohl im Justizministerium weiter gemacht, wenn sich das mit der SPD-Personalpolitik hätte vereinbaren lassen. Doch sein Staatssekretärs- und Parteikollege Christian Lange galt als Jurist gesetzt, mit Rita Hagl-Kehl sollte statt Kelber eine Frau in die Spitzenriege einziehen.

Das neue Amt erlaubt dem SPD-Mann, nach Bonn zurückzukehren. Dort, wo die Familie lebt. Das passt, weil Kelber seiner Frau versprechen musste, für die nächste Legislaturperiode nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren und mehr Zeit in Bonn zu verbringen. Das gelingt nun schneller als gedacht, weil der Bundesdatenschutzbeauftragte seinen Sitz am Rhein hat. Nur eines setzt Kelber zu, die Angst davor, dass ihm seine Wähler gram sind: „Ich bin für vier Jahre gewählt worden und kann davon nur eineinhalb Jahre machen“. Allerdings habe er die für Bonn wichtigen Projekte „fest im Koalitionsvertrag verankern können“, sagt er. Ein Zaubereiministerium dürfte allerdings nicht dazu gehören.

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