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Wirtschaft: Ulrich Timper

Geb. 1946

„Vermeiden Sie ruckartige Bewegungen, übertreiben Sie es nicht!“ Ulrich Timper fuhr Kajak und malte Kajaks. Fließendes Wasser in strahlenden Blautönen, schroffe Felsen, dahinter eine weiß schäumende Stromschnelle, in der ein rubinrotes Boot ums Obenbleiben kämpft. Am Anfang wirkten Ulrich Timpers stark konturierte Kajaks noch wie geometrische Fremdkörper in den Flusslandschaften der Aquarelle. Wie bei der Eskimorolle musste er erst lernen, mit Kajak und Wasser zu verschmelzen. Von da an schwebten seine Bilderboote leicht und wendig zwischen granitfarbenen Felsen und reißenden Wasserwirbeln umher.

Ulrich Timper arbeitete als Chemie- Dozent an der Universität. Er kannte sich aus mit den wundersamen Verwandlungen von Blau zu Rot zu Grün zu Lila. Bei seinen Studenten war er beliebt, er lud sie nach Hause ein, kochte für sie und erzählte von den Kajakkursen an der Uni.

Ulrich Timper mochte das Gemeinschaftliche, das Gruppenerlebnis – vielleicht weil er einmal den Bezug zu sich selbst verloren hatte. Mit ein paar Gläsern während des Studiums fing es an. Und es mündete in eine in den Sand gesetzte Diplomarbeit, eine gescheiterte Ehe und eine auseinander gerissene Familie. Schließlich zog sich Ulrich Timper selbst beim Schopf aus dem Sumpf, schaffte den Entzug und blieb seitdem trocken.

Das Studium brauchte seine Zeit, aber was bedeutet das schon für einen Vierzigjährigen, der die Zukunft zurückgewonnen hat. Auch seine Doktorarbeit war so gut wie fertig. Er hätte die Ergebnisse nur noch zusammenschreiben müssen. Aber irgendwie fand er dazu keine Zeit, zu viele Nebenjobs als Wirtschafts- und Finanzberater, zu viele Interessen. Dozent an der Uni wurde er auch ohne Doktortitel. Als dann noch das Paddeln hinzukam, hatte er die Balance des Alltags längst wiedergefunden. Irgendwie war ihm die Eskimorolle auch im Leben geglückt.

Die Gruppenfahrten zu den Alpenflüssen waren immer der Höhepunkt der „Paddelsemester“. Ulrich Timper hatte den Anfängern vorher die wichtigste Übung des Kajakfahrens beigebracht: „Was tun, wenn ich kentere?“ Die Eskimorolle ist die elegante Variante – der Fahrer bleibt im Boot und dreht sich nur einmal durchs Wasser. Gelingt sie nicht, heißt es: „Spritzdecke auf, raus aus dem Boot und Klamotten festhalten!“

Ulrich Timper kannte die Tücken der Schmelzwasserflüsse. Und er hatte sich seit dem Herzinfarkt vor zwei Jahren und dem Einsatz eines Herzschrittmachers auch an die Weisungen der Ärzte gehalten. „Vermeiden Sie ruckartige Bewegungen, übertreiben Sie es nicht mit dem Sport. Am besten lassen Sie ihn ganz sein!“ Aber immer nur am Beckenrand des Schwimmbads stehen und beim Kanupolo Schiedsrichter sein, dabei konnte es nicht bleiben.

Es war seine erste große Tour seit der Fahrt vor zwei Jahren, auf der er den Herzinfarkt erlitt. Diesmal paddelte die Gruppe die Gail in Österreich hinunter. An einer Flussbiegung mit starker Strömung kenterte Ulrich Timper. Keine Eskimorolle, kein Risiko: Er stieg sofort aus, rette sich ans Ufer und ließ das Boot treiben.

Beim Versuch, den Fluss mit Hilfe eines Mitfahrers zu überqueren, rutschte er aus. Das Sicherungsseil glitt durch seine Hände, die Strömung riss ihn mit und spülte ihn hundert Meter weiter gegen den Wurzelballen einer Fichte. Die Mitfahrer sprangen ins Wasser und versuchten, ihn aus dem Wurzelgeflecht zu befreien, die Strömung riss sie aber immer wieder weg. Das eiskalte Wasser drückte Ulrich Timper nach unten, hart und unerbittlich. Es ließ ihm keine Chance, noch einmal hoch zu kommen.

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