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Wird der Winterdienst teurer, wenn Kommunen sich gegenseitig unterstützen?

© Maurizio Gambarini/dpa

Umsatzsteuer auf kommunale Leistungen: "Das werden auch die Bürger merken"

Städte, Gemeinden und Landkreise werden ab 2021 stärker mit Umsatzsteuer belastet. Wird es ausgerechnet dann teurer, wenn Kommunen sich gegenseitig helfen?

Auch die Teufel der Steuergesetzgebung stecken in den Details. Seit fast vier Jahren zerbricht man sich in deutschen Rathäusern und Landratsämtern den Kopf über die Frage: In welchem Umfang müssen wir künftig Umsatzsteuer auf bisher steuerbefreite Kommunalgeschäfte abführen? Was wird dann teurer in den Kommunen, auch für die Bürger? Lohnt sich manche Eigenleistung gar nicht mehr?

Es kann da um ganz profane Dinge des kommunalen Alltags gehen. Etwa den Verkauf von abgeräumten Grabsteinen durch eine Friedhofsverwaltung. Oder die Abgabe von Strom aus mit Klärgas betriebenen Blockheizkraftwerken in Kläranlagen oder Deponien. Was ist, wenn Veterinärämter beschlagnahmte Tiere weiterverkaufen? Wie sieht es aus, wenn eine Kommune einen Markt veranstaltet und den Händlern auch Strom- und Wasseranschluss bereitstellt? Doch auch große Vorhaben, bei denen es um viel Geld geht, sind betroffen. Etwa die vielen Kooperationen von Kommunen bei Rechenzentren, Bauhöfen, Anrufzentralen (neuerdings im 115-Verbund der zentralen Behörden-Rufnummer) oder der Wasserversorgung, bei der Überlassung von Personal oder auch Geräten. Also wenn etwa eine Gemeinde der anderen einen Bediensteten „ausleiht“ oder auch einen Schneepflug (oder beides zusammen) und dafür Geld bekommt. Oder Straßenplanungen für andere übernimmt, ein Gebäudemanagement, die Öffentlichkeitsarbeit. Bisher gilt, dass kommunaler Geschäftsbetrieb jeder Art erst mehrwertsteuerpflichtig ist ab einem Umsatz von 35000 Euro. Künftig soll ab dem ersten Euro Umsatz gezahlt werden müssen.

Die EU verlangt Änderungen - schon seit 2016

Der Grund ist eine EU-Richtlinie von 2016. Sie verlangt, dass Kommunen immer dann umsatzsteuerpflichtig werden, wenn Geschäfte, Tätigkeiten, Veranstaltungen oder Leistungen von Eigenbetrieben grundsätzlich auch von privaten Unternehmen angeboten werden könnten. Eine längere Übergangsfrist zur Umsetzung verstreicht zum Jahresende. Ab 2021 muss gezahlt werden. Wobei der Löwenanteil gemäß der üblichen Steuerverteilung an Bund und Länder fließen wird. Aber die Kommunalverbände wissen immer noch nicht, was konkret auf ihre Mitglieder zukommt. Denn das Bundesfinanzministerium hat gebummelt und zusammen mit den Ländern viele Fragen noch nicht geklärt. Immerhin hat das Ressort von Vizekanzler Olaf Scholz vor einigen Tagen einige Einschätzungen mitgeteilt. In dem Schreiben heißt es etwa, dass entgeltliche Überlassung von Personal stets einen „nachhaltigen Leistungsaustausch“ darstelle, der zur „Unternehmereigenschaft“ führe – und damit zur Steuerpflicht. Es sei denn, es gebe keine größeren Wettbewerbsverzerrungen. Aber wie sollen Kommunen das beurteilen? Das Parken vor Behörden könnte demnach wegen künftiger Umsatzsteuerpflicht für Besucher wie Mitarbeiter teurer werden. Auch die Markthändler könnten etwas mehr für die Standplätze bezahlen müssen. Umsatzsteuer kann auch anfallen, wenn Feuerwehren außerhalb der Gefahrenabwehr mit Leistungen in Wettbewerb zu Privaten treten – etwa wenn eine Feuerwehr für die Kollegen andernorts die Schläuche repariert. Auch beim Betrieb von Rettungsleitstellen könnten die Kosten steigen. Die Kommunalverbände befürchten, dass gerade digitale Kooperationen ohne Not teurer werden.

Bund und Ländern müssen noch beraten

Zu den Friedhofsgebühren – ohnehin oft ein Streitthema in Gemeinderäten – sagt das Bundesfinanzministerium vorerst nichts, weil es sich noch mit den Ländern berät. Das gilt auch für den weiten Bereich der kleinen „Hilfsgeschäfte“, die den Kommunen ein bisschen Geld einbringen – etwa beim Verkauf entwerteter Kfz-Kennzeichen an Schrotthändler. Der Bundesrat ist den Kommunen im Dezember zu Hilfe geeilt und hat die Bundesregierung aufgefordert, angesichts der vielen Unklarheiten die Übergangsphase in das neue Besteuerungssystem bis Ende 2022 zu verlängern. „Die Städte sind dringend darauf angewiesen“, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Städtetages, dem Tagesspiegel. „Die Kommunen brauchen die Zeit, damit sie die neuen Vorgaben des Umsatzsteuergesetzes rechtlich sauber realisieren können. Auch die Finanzämter benötigen diese Übergangsfrist.“

Städtetag: Komplizierte Prüfungen

Die Städte müssten prüfen, welche ihrer vielen Leistungen zukünftig unter die neuen Umsatzsteuerpflichten fielen. Zudem müssten viele Verträge angepasst werden, Gebührensatzungen seien zu ändern. „Das Umsatzsteuerrecht ist kompliziert, deshalb sind diese Prüfungen in der Praxis sehr aufwendig.“ Besonders schwierig sei es bei den interkommunalen Kooperationen. Aber nicht nur Kommunen sind laut Dedy betroffen. Auch Hochschulen, Universitätskliniken und Kirchengemeinden hätten Umstellungsprobleme. „Die Bundesregierung ist deshalb gefordert, die Verlängerung der Übergangsfrist zeitnah mit einer Gesetzesinitiative umzusetzen.“

Landkreistag: Koalition hat nicht Wort gehalten

Verärgert ist auch der Landkreistag. Hans-Günter Henneke, geschäftsführendes Präsidialmitglied, wirft der großen Koalition vor, sich nicht an ihre eigenen Beschlüsse zu halten. 2013 hätten Union und SPD vereinbart, die interkommunale Zusammenarbeit solle steuerrechtlich nicht behindert werden. Dafür wollte sich die damalige Groko auch bei der EU stark machen. Nun aber mache das Bundesfinanzministerium das glatte Gegenteil, klagt Henneke. Eine weitgehende Umsatzsteuerpflicht für interkommunale Kooperation wäre aus seiner Sicht fatal. „Denn das heißt nichts anderes, als dass Unterstützungsleistungen einer Kommune für eine andere, etwa den Winterdienst, mindestens 19 Prozent günstiger erbracht werden müssten. Das ist aber illusorisch und wird nur dazu führen, dass arbeitsteiliges Vorgehen zwischen Kommunen weniger wird. Das werden auch die Bürger merken.“ Henneke fordert, dass „nötigenfalls“ über ein „Umsatzsteuer-Refund-System“ etwas an kooperierende Kommunen zurückfließt.

Grüne fordern verlängerte Übergangsfrist

Druck machen auch die Grünen im Bundestag. Stefan Schmidt, Sprecher für Kommunalfinanzen, fordert eine verlängerte Übergangsfrist. „Das Bundesfinanzministerium muss die gewonnene Zeit nutzen, um die große Zahl ungelöster Anwendungsfragen endlich verbindlich zu klären“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Kommunen bräuchten Rechtssicherheit. Die Bundesregierung dürfe die interkommunale Zusammenarbeit als Instrument einer modernen und effizienten Verwaltung nicht leichtfertig einer ausufernden Umsatzbesteuerung opfern. In einem Schreiben an Schmidt hat Finanz-Staatssekretärin Sarah Ryglewski (SPD) erklärt, das Ministerium prüfe die Verlängerung. Die von Bundesrat und Kommunalverbänden geforderte Entscheidung aber steht immer noch aus.

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