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Ein bis zwei Jahre dauern die Vorbereitungskurse für die Erzieherprüfung. Bei den meisten Teilnehmern der Umschulungsmaßnahmen reicht das offenbar nicht aus.

© dapd

Umschulungen von Quereinsteigern: Erzieher ist kein leichter Job

Aus Arbeitslosen Erzieher machen – das ist leichter gesagt als getan: In Berlin-Brandenburg rasseln 70 Prozent durch die Prüfung.

Der Ansatz liegt auf der Hand: Erzieher fehlen und Arbeitslose gibt es viele. Warum sollten Langzeitarbeitslose also nicht zielgerichtet zu Erziehern umgeschult werden? Am besten noch schnell, weil die Erziehernachfrage mit dem Anspruch auf einen Kindergartenplatz ab August 2013 deutlich steigen wird. Nicht erst seit der Diskussion über die arbeitslosen Schlecker-Frauen schicken die Jobcenter deshalb Arbeitslose mit Bildungsgutscheinen zu freien Bildungsträgern, um dort die ein- oder zweijährigen Vorbereitungskurse auf die staatliche Erzieherprüfung zu belegen. Allein in Berlin gibt es mittlerweile mehr als 50 solcher privater Umschulungsangebote. Doch die Idee von der Pädagogenausbildung im Schnelldurchgang scheitert bei der Umsetzung.

In Berlin und Brandenburg fielen zuletzt rund 70 Prozent der Teilnehmer bei der „ Nichtschülerprüfung“ durch. Nichtschülerprüfung heißt der Test offiziell, weil die Prüflinge eben nicht die dreijährige Erzieherausbildung an einer staatlichen Fachschule absolviert haben, sondern nur die kürzeren Vorbereitungskurse. „Die hohe Durchfallquote ist sehr tragisch, weil die meisten der Umschüler einen Job in einer Kindertagesstätte sicher gehabt hätten“, sagt Antje Grabley aus dem Brandenburger Bildungsministerium.

Über die mangelnde Qualität dieser Vorbereitungskurse oder die womöglich zu hohen Anforderungen in den Prüfungen wird jetzt gestritten. „Der Erzieherberuf ist nun einmal anspruchsvoll“, sagt Grabley. Dem müsse die Prüfung entsprechen. Brisant ist jedoch, dass das Ministerium die Prüfungsbedingungen zuletzt verschärft hat und plötzlich mehr praktische Erfahrung fordert, etwa ein Jahr Arbeitserfahrung in einer Kita oder auch ein freies soziales Jahr. Viele der brandenburgischen Nichtschüler ereilte die Nachricht von dieser Änderung mitten in der zweijährigen Weiterbildung. Von den 150 Personen, die im vergangenen Jahr in Brandenburg zur Nichtschülerprüfung antraten, erfüllte der Großteil diese Voraussetzung nicht.

Der Bundesagentur wird vorgeworfen, sie wolle Hinz und Kunz umschulen

Die Quereinsteiger fühlen sich als Spielball der politischen Interessen und haben eine Petition an den Landtag verfasst. Hinter ihrem womöglich gewollten Scheitern verbirgt sich ein Interessenkonflikt: Die staatlichen Oberstufenzentren, die die Nichtschülerprüfungen abnehmen, sehen sich als Hüter der Ausbildungsqualität und betrachten die kurze Vorbereitung der Umschüler kritisch. Die Jobcenter wiederum halten an ihren Umschulungen auf Bildungsgutschein fest, weil sie Erzieher wollen. Doch letztlich bleibt auch die Frage, wie geeignet die Langzeitarbeitslosen sind, um aus ihnen in Crashkursen Erzieher zu machen.

Schlecker ist pleite, jetzt sollen die Verkäuferinnen umschulen:

Gegen den Vorwurf, man wolle Hinz und Kunz umschulen, wehrt sich die Bundesagentur für Arbeit (BA). „Es gibt klare Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen“, sagt BA-Sprecher Paul Ebsen. Da die Erzieherausbildung Angelegenheit der Bundesländer ist, variierten die Anforderungen von Land zu Land. Abitur, Fachabitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung werden überall verlangt. Mancherorts werde außerdem vorausgesetzt, dass man mindestens fünf Jahre lang einen Haushalt geführt und eigene Kinder erzogen hat. „Die Arbeitslosen sollten auch nicht über 50 Jahre alt sein und müssen der Aufgabe körperlich gewachsen sein“, erklärt Ebsen. Wenn die Sachbearbeiter des Jobcenters sich über die Eignung nicht sicher seien, könne der psychologische Dienst der Arbeitsagentur herangezogen werden.

„Ich kann nur Partei ergreifen für die Quereinsteiger“, sagt Gerlinde Zühlke- Schwan, Leiterin der DRK-Kita Pusteblume in Petershagen. In ihrer Einrichtung gibt es drei Mitarbeiterinnen, die an einer Umschulung teilnehmen – eine von ihnen an einem zweijährigen Crashkurs zur Kinderpflegerin, auch Ergänzungskraft genannt. „Natürlich ist das in der pädagogischen Beobachtung nicht das gleiche wie eine Fachkraft, aber sie hilft uns weiter“, sagt Zühlke-Schwan. „Ich kann nichts Schlechtes darüber sagen.“

Überraschend: Es gibt mehr Arbeitslose in dem Bereich als offene Stellen

Yvonne Spielring hat sich für die klassische dreijährige Umschulung entschieden. Zehn Jahre lang hat die Einzelhandelskauffrau Küchen verkauft. „Ich habe am Ende einfach gemerkt, dass mich das nicht erfüllt“, sagt sie. Auch weil die Öffnungszeiten des Handels sich nicht gut mit ihrem Familienleben vertrügen. In ihrer Freizeit habe sie gerne mit Kindern zu tun gehabt, also habe sie sich zu einem Praktikum in der Kita von Zühlke- Schwan entschieden. Nun arbeitet sie dort 20 Stunden in der Woche, der Praxisteil ihrer berufsbegleitenden Ausbildung zur Erzieherin. „Ich bringe Herz und Geduld mit und kann nicht nachvollziehen, warum Quereinsteiger zuletzt so verurteilt wurden“, sagt Spielring. Wenn sie ihre Ausbildung meistert, dürfte sie gute Chancen auf einen Job haben.

Überraschend ist dennoch, dass es trotz des Mangels sowohl in Berlin als auch in Brandenburg deutlich mehr Arbeitslose in diesem Bereich gibt als offene Stellen. Im Juni hatten in Berlin knapp 2300 Erzieherinnen und Erzieher keinen Job, während der Arbeitsagentur 310 offene Stellen gemeldet waren. In Brandenburg lag dieses Verhältnis bei 884 zu 160. „Das Problem ist, dass viele Einrichtungen sehr genaue Vorstellungen von den Erziehern haben und selten zu Kompromissen bereit sind“, sagt BA-Sprecher Ebsen. Entsprechend des Kitaprofils müssten die Erzieher als Einstellungsvoraussetzung zum Teil bestimmte Fremdsprachen sprechen oder sogar Auslandsaufenthalte nachweisen. Die reine Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin bietet laut Ebsen längst nicht mehr überall eine Jobgarantie.

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