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Doppeltes X. Der Richtkranz zeigt die Form des Gebäudes, dessen Bau 140 Millionen Euro kostet. Er gehört der UBM Development, Zalando ist nur Mieter.

© Maurizio Gambarini/dpa

Umstrittenes Projekt: Stürmischer Auftakt für die Zalando-City

Der Online-Händler feiert Richtfest für seine neue Zentrale in Berlin-Friedrichshain – allerdings ohne den Chef und die Wirtschaftssenatorin.

Der Richtkranz schwankt, immer wieder drücken ihn Böen von Orkantief „Friederike“ gefährlich nahe an die frisch eingesetzten Glasscheiben der künftigen Zalando-Zentrale in Berlin-Friedrichshain. Entsprechend schnell musste der Kranz in sichere Höhen gezogen werden, erklärt der zuständige technische Leiter: „Sonst wären mir die Bremsbacken des Krans durchjeglüht“. Die Skilift-Gondel, mit der Zalando gut 500 Besuchern auch einen Blick aus der Vogelperspektive auf das Bauwerk ermöglichen wollte, musste am Boden bleiben.

Und nicht nur das Wetter trübte die Feier. Der künftige, neue Hausherr, Zalando-Co-Chef Rubin Ritter, hatte seine Teilnahme überraschend abgesagt. Welche „dringenden Termine“ ihn und seine Vorstandskollegen so plötzlich abhielten, wollte niemand im Unternehmen sagen. Angeblich befand er sich zumindest in der Stadt. Doch so verwunderte es kaum, dass auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) kurzfristig ihr geplantes Grußwort ausfallen ließ.

Dabei gibt es kaum ein besseres Symbol dafür, zu welchem Wirtschaftsfaktor die Internetindustrie in Berlin geworden ist, als Zalando und seine Baupläne. In zehn Jahren ist der Onlinehändler vom belächelten Das-Geschäftsmodell-funktioniert-nie-Start-up zu einem der größten Arbeitgeber der Stadt geworden. Um die 6000 Mitarbeiter unterzubringen, baut der Konzern gleich mehrere Gebäude zwischen Ostbahnhof und Warschauer Straße. Eine regelrechte „Zalando-City“ entsteht im östlichen Berliner Stadtteil Friedrichshain. Bei der Frage, wie man das neue Viertel künftig nennen werde, zog Stefan Franzke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner, schon mal eine Parallelen zur Siemensstadt.

Der Einzug ist für Anfang 2019 geplant

Seit vorigem Jahr leuchtet nun schon groß das Zalando-Logo in dem neuen Quartier an der East-Side-Gallery. Es prangt an der bisherigen Zentrale in der Tamara-Danz-Straße. Touristen, die nach der Besichtigung der East-Side-Gallery die Seiten wechseln oder Besucher der Mercedes-Benz-Arena können hier einen Blick auf die jungen Leute an ihren Computern erhaschen, von denen manch einer den Bildschirm erhöht, indem er ihn auf einen Zalando-Schuhkarton stellt.

Und Europas Modehändler macht sich rasch breit zwischen Spree und S-Bahnhof. Im früheren Postbahnhof am Ostbahnhof befinden sich Zalandos Fotostudios, zwei kleinere neue Bürogebäude hier haben Zalando-Leute bereits bezogen, nun nimmt das neue Hauptquartier direkt neben der Mercedes-Benz-Arena Formen an. In den meisten der sechs Stockwerke sind die Glasfassaden schon eingesetzt. Ende September soll der Bau fertig gestellt und übergeben werden, Einzug ist dann für Anfang 2019 geplant. 2500 Mitarbeiter sollen dann hier arbeiten, der gesamte Zalando-Campus bietet um die 6000 Personen Platz.

Das entspricht ziemlich genau der Mitarbeiterzahl, die das Unternehmen derzeit in der Hauptstadt beschäftigt. Weltweit sind es 14 000. Doch die Zahl der Angestellten wächst etwa genauso stark wie der Umsatz: Im Vorjahr kamen 2000 neue Mitarbeiter dazu – 1000 davon in Berlin. Aktuell sind in der Hauptstadt mehr als 500 Stellen ausgeschrieben. Bislang arbeiten die Leute an neun Standorten verteilt. Ein Teil davon dürfte perspektivisch aufgegeben werden, wann und wo, ist noch nicht klar – wer weiß ob man die Flächen nicht doch noch benötigt.

Kritiker warnen vor einer „Disneyfizierung“

Doch die Pläne für weitere Büros auf dem Campus über die 6000 Plätze hinaus stehen schon fest. So haben kürzlich die Bauarbeiten auf der früheren Cuvry-Brache begonnen, der Fläche auf der anderen Spreeseite. Das Grundstück war lange umkämpft: Nach Protesten aus der linken Szene gab BMW die Pläne für sein Guggenheim-Lab auf, dann befand sich hier ein Zeltlager von Flüchtlingen, Obdachlosen und Wanderarbeitern, das 2014 abbrannte. Dass nun Zalando hierher zieht, sorgte ebenfalls für Proteste. Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt (Grüne) warnte vor der „Zerstörung von Kiezstrukturen“ und einer „Disneyfizierung“.

Ansonsten müssen sich Online-Händler wie Zalando vorwerfen lassen, als Totengräber des stationären Einzelhandels zur Verödung der Innenstädte beizutragen. So wie hinter dem Ostbahnhof, wo das einstige Kaufhof-Hochhaus leer steht. Auch das soll irgendwann einmal Teil des Zalando-Campus werden, sagte Robert Höhne, Leiter der Bauaktivitäten bei Zalando, dem Tagesspiegel – und bestätighte damit erstmals entsprechende Gerüchte. Einen Zeitplan dafür gibt es aber noch nicht. „Wir haben noch keine Baugenehmigung“, sagt Höhne. Die beiden Erweiterungen würden noch einmal mehreren Tausend Mitarbeitern Platz bieten.

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