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Wirtschaft: Unabhängige Prüfer für Firmenbilanzen

Regierung will mit privatem Gremium den Schutz für Anleger und Investoren verbessern

Berlin (dr). Die Bundesregierung plant, ab dem zweiten Halbjahr 2004 Unternehmensbilanzen von einem unabhängigen privaten Gremium prüfen zu lassen. Sie hofft, damit das Vertrauen in den deutschen Kapitalmarkt zu stärken und den Anlegerschutz zu verbessern. Finanzminister Hans Eichel und Justizministerin Brigitte Zypries (beide SPD) stellten am Montag einen Gesetzentwurf für ein Bilanzkontrollgesetz vor.

Es sieht ein zweistufiges Prüfverfahren, ein so genanntes „EnforcementVerfahren“ vor (siehe nebenstehenden Kasten), um die Rechtmäßigkeit von Unternehmensabschlüssen von unabhängiger Seite kontrollieren zu lassen. Die Regierung zieht damit die Konsequenzen aus den Bilanzskandalen der vergangenen Jahre und der auf EU-Ebene beschlossenen Transparenzrichtlinie.

Eichel nannte das Gesetzesvorhaben einen weiteren Baustein zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland. Mehr Vertrauen der Anleger und Investoren und saubere Bilanzen kämen auch den Unternehmen zu Gute. Die Prüfstelle vergebe in Zukunft so zusagen eine Art „Gütesiegel“. Zypries verweis darauf, dass die Regierung mit einer Vielzahl von Institutionen der Wirtschaft gesprochen habe. Dazu gehörten der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), die Deutsche Börse AG und repräsentative Verbände der Anleger. Überall sei die Zustimmung für das beabsichtigte Gesetz sehr groß gewesen. Die Neuregelung favorisiere eine Selbstregulierung der Wirtschaft sagte die Justizministerin. „Nur dort, wo es erforderlich ist, wird der Staat hoheitlich eingreifen“.

Bei den Aktionärsschützern von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) sind die Reaktionen auf das Gesetzesvorhaben positiv. Reinhild Keitel von der SdK spricht von „einem wichtigen Schritt, um die Verlässlichkeit in die Rechnungslegung in Deutschland zu erhöhen“. Zweifel der Aktionäre an den Bilanzen könnten in Zukunft schneller ausgeräumt werden. Keitel nennt das Beispiel Comroad. „Dieser Fall hätte sicherlich schneller aufgewickelt werden können.“ Noch seien aber aus Sicht der SdK einige Fragen offen. Ungeklärt sei beispielsweise, ob der Aktionär einen Schadenersatzanspruch erhalte, wenn Bilanzmanipulationen festgestellt würden. „Das Gesetz ist ein Anfang, sagt Keitel, aber es ist klar, dass die Politik zunächst mit den einfachen Schritten anfängt“. Jürgen Kurz von der DSW fordert, dass das Gesetz auch praktikabel ist. Grundsätzlich sei es richtig, auch die Arbeit der Wirtschaftsprüfer zu hinterfragen. „Es darf aber nicht passieren, dass ein Vorstand zunächst drei Rechtsanwälte konsultieren muss, bevor er eine Bilanz unterschreibt“, warnt er.

Rüdiger von Rosen, Geschäftsführer des Deutschen Aktieninstituts (DAI) begrüßt das Vorhaben uneingeschränkt. Das DAI habe zusammen mit dem Bundesjustizministerium die Grundlagen erarbeitet und werde auch weiterhin mit seinen Sachverstand zur Verfügung stellen. Rosen verweist aber auch darauf, dass die Enforcementstelle nur ein Baustein in einem Gesamtprogramm sei, mit dem das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland und die Aktie als Geldanlage gestärkt werden solle. Und er will die Probleme nicht überbewerten. „Wir hatten im vergangenen Jahr in Deutschland 23000 von Wirtschaftsprüfern testierte Abschlüsse, 30 davon waren strittig“, sagt von Rosen.

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