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Wirtschaft: Und der Zukunft zugewandt - Das Vodafone-Angebot löst bei deutschen Politikern seltsame Reflexe aus (Kommentar)

Auf diese neue Troika mussten wir lange warten: Wolfgang Clement, Jürgen Rüttgers und Jürgen Möllemann warnen, Seit an Seit, vor einem neuen Manchester-Kapitalismus in Deutschland. Feindliche Übernahmen passten nicht in unsere wirtschaftliche Landschaft, erklärten die drei Herren übereinstimmend, nachdem Vodafone den Mannesmann-Aktionären am Freitag eine neue, deutlich verbesserte Offerte unterbreitet hat.

Auf diese neue Troika mussten wir lange warten: Wolfgang Clement, Jürgen Rüttgers und Jürgen Möllemann warnen, Seit an Seit, vor einem neuen Manchester-Kapitalismus in Deutschland. Feindliche Übernahmen passten nicht in unsere wirtschaftliche Landschaft, erklärten die drei Herren übereinstimmend, nachdem Vodafone den Mannesmann-Aktionären am Freitag eine neue, deutlich verbesserte Offerte unterbreitet hat. Schon heißt es, eine deutsche Industrieperle dürfe nicht der Geldgier anonymer Aktionäre zum Opfer fallen. Es mag auf den ersten Blick tatsächlich als Ausdruck einer verrückten kapitalistischen Logik erscheinen, dass die Märkte das höchste Übernahmeangebot, das es je in der Geschichte gab, mit einem Wert von 240 Milliarden Markt mit Enttäuschung quittierten, weil die Händler am Parkett mit einem noch besseren Angebot gerechnet haben. Als Enttäuschung der Börsen jedenfalls läßt sich der überraschende Kursrutsch der Mannesmann- und Vodafone-Aktien am Freitag mittag deuten.

Das Ressentiment der Politiker ist verständlich. Schließlich finden in ihrem Bundesland bald Wahlen statt, und alle sagen, diese seien für die künftige politische Führung in Deutschland von entscheidender Bedeutung. Keiner will im Verdacht stehen, die vermeintliche Kälte des Marktes zu beschönigen - die FDP am allerwenigsten. Also wird sich die Lage in der kommenden Woche noch zuspitzen. Für den Dienstag sind politisch-gewerkschaftliche Großkundgebungen an den Mannesmann-Standorten geplant. Auch der Bundeskanzler sah sich am Dienstag schon zu einer warnenden Äußerung genötigt.

Das Ressentiment folgt im Übrigen nicht mehr nur der Dramaturgie des Krupp-Thyssen-Übernahmenversuchs. Hierzulande, nicht in England, spielen auch nationale Empfindungen eine Rolle. Das ist aber bei weitem nicht das einzige Ärgernis, welches die neue nordrhein-westfälische Koalition auslöst. Sind das noch dieselben Herren, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hinweisen, Deutschland müsse international wettbewerbsfähiger werden? Rüttgers galt einmal als Zukunftsminister, Clement als industriepolitischer Modernisierer, und Möllemann ist ohnehin immer auf der Seite des Fortschritts. Jetzt sehen sie sich geeint in einem Abwehrkampf und vergessen sofort die Floskeln von gestern.

Die Propaganda der Politik ist nicht nur ärgerlich, sie ist auch falsch. Eine Aufteilung von Mannesmann war längst vor der Vodafone-Offerte beschlossen. Vodafone wird die angekündigte und sinnvolle Trennnung von Mobilfunk und Altgeschäft nicht rückgängig machen. Jetzt aber sprechen alle von einer Zerschlagung des Unternehmens und werfen den Briten Destruktionsabsichten vor. Merken sie nicht, dass sie damit nur Partei ergreifen für das Management von Mannesmann? Das kann man tun, nur sollte niemand dafür gestelzte politökonomische Legitimationen in Anspruch nehmen und den Untergang der Kultur beschwören.

Natürlich weiß niemand, ob eine Übernahme von Mannesmann durch Vodafone für Aktionäre und Beschäftigte die bessere, weil wirtschaftlich erfolgreichere Alternative ist. Wer dies freilich kategorisch bestreitet, verkündet nichts anderes als anmaßendes Wissen. Politiker lieben diese Anmaßung, wenn sie sich in die Dynamik der Märkte einmischen. Aber der Ausgang der Schlacht ist völlig offen. Es gibt kein Lehrbuch, in welchem nachzulesen ist, ob ein geographisch integrierter weltweiter Mobilfunkkonzern erfolgreicher ist als ein nach nachbarschaftlichen Geschäftsfeldern aufgefächerter Konzern mit unterschiedlichen Telekommunikationsprodukten. Den Aktionären wird dabei ein hohes Maß an Spekulation zugemutet, wenn sie sich am Stichtag entscheiden sollen. Das unterscheidet eine Übernahme, die mit Bargeld wirbt, von einer Übernahme mit Spielgeld - also Aktien. Wer Bargeld erhält, ist frei, hemmungslos zu konsumieren oder sich einem anderen Investment zuzuwenden. Ganz so frei läßt das Angebot von Vodafone die Mannesmann-Aktionäre nicht. Das macht die Offerte mit dem gigangischen Gegenwert von 240 Milliarden Mark letztlich auch weniger Wert und erklärt, warum auch die Interessenvertreter der Kleinaktionäre den Aktientausch mehrheitlich mit Skepsis kommentieren.

Die Vodafone-Alternative überlässt den Aktionären eine grundlegende strategische Unternehmensentscheidung. Das kann ihnen niemand abnehmen, weder der Kanzler noch der IG-Metall-Vorsitzende. Doch vielleicht sollte über den Vorschlag des Vodafone-Chairmans Gent noch einmal nachgedacht werden, Premier Blair und Kanzler Schröder sollten sich verständigen. Für die beiden Herren wäre es der harte Test zu ihrem vor Zeiten verfassten weichen Papier.

Rainer Hank

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