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Wirtschaft: Und Ikea kam auf den Gartenzwerg

Der Möbeldesigner Nils Holger Moormann traute seinen Augen nicht, als er 1998 in einem Ikea-Katalog den Tischbock "Sture" entdeckte. Für knapp 50 Mark verscherbelte der schwedische Möbelhersteller, was Moormann Jahre zuvor in seinem Atelier auf der bayerischen Alm entworfen hatte: Das Ikea-Gestell aus Holz und Stahlblech glich dem von ihm geschaffenen und preisgekrönten Modell "Taurus" bis ins letzte Detail.

Der Möbeldesigner Nils Holger Moormann traute seinen Augen nicht, als er 1998 in einem Ikea-Katalog den Tischbock "Sture" entdeckte. Für knapp 50 Mark verscherbelte der schwedische Möbelhersteller, was Moormann Jahre zuvor in seinem Atelier auf der bayerischen Alm entworfen hatte: Das Ikea-Gestell aus Holz und Stahlblech glich dem von ihm geschaffenen und preisgekrönten Modell "Taurus" bis ins letzte Detail. Über 300 Designertischbeine hatte Moormann bis dahin an einen erlesenen und stilbewussten Kundenkreis verkauft - das Paar für 456 Mark. Nun bot Ikea eine exakte Kopie seiner bayerischen Böcke der breiten Masse zu Dumpingpreisen an. Klar, dass Moormann sich das nicht gefallen ließ. Er erwirkte eine einstweilige Verfügung. Ikea wurde untersagt, "Sture" weiter zu verkaufen. Auf einen Vergleich über 20 000 Mark wollten sich die Schweden nicht einlassen: Sie machten dem Namen der nachgebauten Tischböcke alle Ehre und stellten sich stur. Moormann zog vor das Kölner Landgericht. Fast drei Jahre dauerte der Rechtsstreit. Im Juni 2001 entschied dann der Bundesgerichtshof zu Gunsten von Moormann und rettete damit seine Existenz. Denn der Streitwert und die Prozesskosten hätten im Falle einer Niederlage nicht nur das Ende von "Taurus", sondern auch von Moormann bedeutet.

Bei Ikea reagiert man gelassen auf den Richterspruch: "Wir mussten schon öfter Produkte aus unserem Sortiment nehmen", erklärt Pressesprecherin Irene Weber. Was Frau Weber nicht verrät, ist, dass Ikea für seine perfekten Produktkopien sogar einen Preis erhalten hat. 1997 wurde das schwedische Möbelhaus mit dem "Plagiarius" ausgezeichnet. Der schwarze Gartenzwerg mit der goldenen Nase wird jährlich von der Aktion Plagiarius an besonders dreiste Design-Räuber verliehen. "Vor aller Welt bloßgestellt zu werden, ist viel schmerzhafter als eine Geldstrafe", sagt Designer Rido Busse, der vor 25 Jahren die Preisverleihung ins Leben gerufen hat.

Damals war Busse selbst Opfer eines Plagiators geworden. Auf einer Frankfurter Messe entdeckte er am Stand eines chinesischen Herstellers die exakte Kopie einer Briefwaage, die er für die Firma Soehnle entworfen hatte - für einen Bruchteil des Originalpreises. Aus Wut darüber, dass andere mit seinen Ideen den großen Reibach machten, startete Busse eine Ein-Mann-Bürgerinitiative und erklärte sich zum Rächer der Beklauten. Die Aktion Plagiarius steht heute unter der Schirmherrschaft des Deutschen Designer Verbands und wird von bekannten Unternehmen unterstützt.

Plagiate und Produktpiraterie sind kein Kavaliersdelikt, sondern kommen die Wirtschaft teuer zu stehen. Die EU-Kommission beziffert den wirtschaftlichen Schaden weltweit auf 300 Milliarden Euro pro Jahr. Allein in Deutschland büßten die Unternehmen im letzten Jahr 55 Milliarden Mark Umsatz ein, schätzt der Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie. Doch damit nicht genug: Tausende Arbeitsplätze werden durch Fälschungen vernichtet. Viele Markeninhaber sind deshalb aktiv geworden und haben in ihren Firmen eine Task-Force eingerichtet, die den Markt genau beobachtet.

Bei dem Taschenhersteller Bree in Isernhagen bewachen alle 110 Mitarbeiter das Treiben der Konkurrenz mit Argusaugen. Und bei ihren Streifzügen durch die Kaufhäuser sind die Bree-Detektive schon des Öfteren fündig geworden. Zuletzt haben sie die Essener Firma Deichmann überführt. "In einer Filiale haben wir einen Rucksack entdeckt, der unserem Modell Punch 2 bis auf die letzte Naht glich", erzählt Juniorproduktmanagerin Nicole Barth. In Essen habe man sehr erstaunt getan, als die Rechtsabteilung von Bree den Schuhhersteller aufforderte, unverzüglich das Plagiat vom Markt zu nehmen. "Deichmann hat behauptet, unseren Rucksack noch nie zuvor gesehen zu haben", sagt Barth. Aber das sei nur eine billige Ausrede. Immerhin reagierte Deichmann sofort und stoppte den Verkauf der Rucksäcke. Im Gegenzug schlug das Designerteam von Bree den Konkurrenten für den Plagiarius 2001 vor. Für den ersten Platz reichten die Nachahmeanstrengungen von Deichmann allerdings nicht, sie belegten nur Platz zwei. Plagiate und Originale sind ab 6. November in der Berliner Kulturbrauerei zu bewundern: Dort eröffnet das Plagiarius-Museum.

Doch nicht jede Produktähnlichkeit ist auch Markenpiraterie - diese Erfahrung musste Langnese machen. Die Eisproduzenten hatten ihren größten Konkurrenten, die Firma Schöller, der wettbewerbswidrigen Nachahmung bezichtigt. Der Eiskrieg "Vienetta" von Langnese gegen "Café au Lait" von Schöller ging bis vor den Bundesgerichtshof. Gestritten wurde über den Blättereis-Effekt und das Wellendesign - Errungenschaften, auf die Langnese alleinigen Anspruch erhob. Schöller sei mit dem "vergleichbar gestalteten Eis" erst zehn Jahre später auf den Markt gekommen, hieß es in der Anklageschrift. Und deshalb befürchtete Langnese, dass der Verbraucher das "Café au Lait"-Eis mit dem bereits bekannten "Vienetta"-Eis verwechseln könne. Der Bundesgerichtshof entschied anders: Der Verbraucher sei es bei Eiskreme gewohnt, auf optisch ähnlich gestaltete Produkte zu treffen. Schöller ist so der schwarze Zwerg mit der goldenen Nase erspart geblieben. Bei Langnese allerdings dürfte man sich schwarz geärgert haben.

Dagmar Rosenfeld

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