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Premiere an der Wall Street. Spotify wagt als erstes Unternehmen eine Direktplatzierung.

© Lucas Jackson/Reuters

Ungewöhnliches Börsendebüt: Spotify verzichtet auf Banken und Folklore

Noch nie hat ein Unternehmen solch einen Börsengang hingelegt wie Spotify. Doch auch hier hat der Streamingdienst Erfolg - und bald Nachahmer?

Berlin - Es ist der größte Börsengang eines europäischen Technologie-Unternehmens seit Jahren und noch dazu der ungewöhnlichste. Spotify-Gründer Daniel Ek verzichtete nicht nur auf die übliche Parkettfolklore wie das Leuten der Börsenglocke, sondern auch auf die Unterstützung der Banken. So sparte er Gebühren von schätzungsweise 70 Millionen Dollar. Der Preis dafür ist eine höhere Unsicherheit und Volatilität des Kurses: Die Börse hatte 132 Dollar als Referenzkurs festgelegt – was Spotify einen Börsenwert von 23 Milliarden Dollar beschert hätte. Der offizielle Einstandskurs war dann aber viel höher. Er lag bei 165,90 US-Dollar. Zum Handelsschluss lagen die Papiere mit 149,01 Dollar noch knapp 13 Prozent im Plus. Beobachter rechnen jedoch damit, dass es länger als gewöhnlich dauert, bis sich der Kurs einpendelt.

Bei der Direktplatzierung wurden keine neuen Aktien ausgegeben, sondern bisherige Investoren konnten ihre Anteile an der Börse platzieren. Spotify hatte erwartet, dass so Aktien im Wert von etwa einer Milliarde Dollar in Umlauf kommen. Allerdings wollten längst nicht alle Geldgeber Kasse machen. „Wir werden sicher nicht verkaufen“, sagte der deutsche Investor Klaus Hommels dem Portal „Business Insider“. Der Gründer des Schweizer Wagniskapitalgebers Lakestar sehe das Potenzial, dass die Bewertung auf 100 Milliarden Dollar steige. Es ist das erste Mal, dass dies an der New York Stock Exchange überhaupt passiert. Beobachter glauben, dass aber künftig auch andere Unternehmen per Direktplatzierung an die Börse gehen könnten. Interessant könnte das für Firmen sein, die über eine bekannte Marke verfügen, und auch deswegen auf eine Roadshow im Vorfeld eines Finanzmarktdebüts verzichten können. Zu möglichen Anwärtern zählen die bereits teuer gehandelten Mitfahrdienste Uber und Lyft. „Das ist ein großer Moment für die Wagniskapital-Industrie“, sagte der Partner des Finanzinvestors Felix Capital, Frederic Court.

Wie sich der Kurs künftig entwickelt, dürfte vor allem davon abhängen, ob es Spotify gelingt, künftig Gewinne zu erzielen. Das Unternehmen hat zwar fast 160 Millionen Nutzer, von denen 71 Millionen monatlich etwa zehn Euro Abogebühr zahlen. Doch trotz eines Jahresumsatzes von 4,1 Milliarden Euro, betrug der Verlust zuletzt 324 Millionen Euro. Das liegt vor allem an den Lizenzzahlungen an die Plattenfirmen. Zuletzt gelang es Spotify, günstigere Verträge auszuhandeln: Flossen 2015 von jedem eingenommenen Euro noch 88 Cent an die Rechteinhaber, sank der Anteil dadurch auf 79 Cent. Trotzdem sind die Kosten damit deutlich höher als beim Videostreamingdienst Netflix, mit dem die Schweden gern verglichen werden: Netflix zahlt nur 66 Cent pro Dollar für Lizenzen. Das liegt aber auch an der gestiegenen Zahl von Eigenproduktionen. Um dieses Modell zu kopieren, müsste Spotify selbst als Plattenlabel agieren.

Gefährlich für die künftige Entwicklung ist zudem die Strategie von Konkurrenten wie Apple und Amazon, die eigene Musikstreamingdienste bieten. Jedoch als Teil von anderen Angeboten wie Amazon Prime oder der eigenen Hardware. So funktioniert Apples neuer intelligenter Lautsprecher nur mit dem eigenen Musikdienst richtig gut. Wohl auch deshalb experimentiert Spotify inzwischen mit einer eigenen Sprachsteuerung.

Dafür sind die Schweden bei der Nutzung von Daten und Algorithmen selbst Apple, Google und Amazon überlegen. Spotify erstellt für jeden Nutzer individuelle Playlisten, die den eigenen Musikgeschmack oft erstaunlich gut treffen. Das bindet Kunden: Mit unter sechs Prozent ist die Kündigungsrate bei Spotify extrem niedrig. Oliver Voss

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