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Wirtschaft: Unilever will dicke Europäer dünn machen

In Amerika ist das Diätmittel Slim-Fast bereits ein Riesenerfolg – aber Deutsche und Franzosen hungern anders

Da immer mehr Europäer unter Übergewicht leiden, sieht der Lebensmittelkonzern Unilever eine Chance für seine Diätreihe Slim-Fast. Doch die Europäer könnten sich gegen die amerikanische Idee, warme Mahlzeiten zugunsten von diätischen Fertigprodukten aufzugeben, resistent erweisen. Einzige Ausnahme: Die Briten.

Der Erfinder von Slim-Fast, ein Diätmittelhersteller aus Florida, hatte bereits in den frühen 90er-Jahren versucht, den europäischen Markt zu erobern, aber wenig Abnehmer gefunden. Der Vertrieb war schwach, die Werbung beschränkte sich darauf, amerikanische Stars zu synchronisieren und die Produkte entsprachen nicht dem europäischen Geschmack. Die Kampagne war erfolglos.

Vor drei Jahren kaufte der britisch-niederländische Lebensmittelkonzern Unilever den Diätmittelhersteller für 2,3 Milliarden Dollar – und machte Slim-Fast zu einer seiner am schnellsten wachsenden Produktreihen. Der Verkauf stieg um 20 Prozent jährlich. Er liegt jetzt bei etwa einer Milliarde Dollar und macht etwa vier Prozent der Lebensmittelverkäufe Unilevers aus. Unilever versucht, dieses Niveau durch einen verstärkten Verkauf in Europa, Kanada, Mexiko und Australien zu halten. Während im Jahr 2000 nur vier Prozent der Slim-Fast-Umsätze außerhalb der USA erzielt wurden, stieg der Anteil im vergangenen Jahr auf 13 Prozent und könnte bis 2005 nach Firmenangaben auf 25 Prozent klettern.

Die Marke könnte von einer Amerikanisierung der europäischen Essgewohnheiten profitieren. Immer mehr Europäer greifen zu Hause zu Fertiggerichten. Das schlägt sich auf der Waage nieder. Während 1996 noch weniger als ein Viertel der Erwachsenen in Westeuropa übergewichtig waren, sind es jetzt bereits ein Drittel. Im Jahr 2006 könnten es dann 50 Prozent sein, meint das Forschungsunternehmen Datamonitor.

Dank Unilevers gutem Vertriebsnetz schaffen es die Slim-Fast-Produkte in immer mehr Supermarktregale. Gleichzeitig entwickelten die Forschungs- und Entwicklungslabore des Konzerns für Europäer neue Suppen und Nudelgerichte. Im Laufe des vergangenen Jahres hat Unilever seine Produkte in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden eingeführt oder erneut auf den Markt gebracht, begleitet von TV-Werbespots mit nationalen Berühmtheiten und neuen Webseiten mit Links zu Ernährungsberatern.

Um das negative Image abzustreifen, das in Europa mit der Vorstellung einhergeht, ganze Mahlzeiten durch Diätprodukte zu ersetzen, arbeitet Unilever eng mit Gesundheitsexperten zusammen. „In der Vergangenheit haben wir es mit amerikanischer Werbung und einem amerikanischen Ansatz versucht“, sagt Marc Covent, Präsident von SlimFast. „Jetzt nutzen wir zum ersten Mal die Ressourcen, die ein großer multinationaler Konzern hat.“

Slim-Fast hat in Europa nur einen großen direkten Konkurrenten: Den Pharmazie- und Lebensmittelhersteller Novartis, der unter verschiedenen Marken in Europa Diätprodukte, die normale Mahlzeiten ersetzen sollen, anbietet. Obwohl der Bereich nach Angaben von Novartis im vergangenen Jahr zweistellig wuchs und mehr als 300 Millionen Euro umsetzte, will der Schweizer Konzern den Lebensmittelsektor verkaufen und sich mehr auf den lukrativen Arzneimittel-Markt konzentrieren.

Das größte Wachstum außerhalb der USA verzeichnete Slim-Fast in Großbritannien. Im Jahr nach der Übernahme durch Unilever haben eine neue Werbestrategie und die Erweiterung des Vertriebsnetzes von Apotheken auf Supermärkte die Verkaufszahlen auf der Insel verfünffacht.

Einer der zufriedenen Kunde ist Michael Stephens, ein 55-jähriger Firmendirektor aus dem englischen Leicester. Er sagt, er habe fast alle Mode-Diäten mitgemacht, die angepriesen wurden – hohes Protein, fettarm, nur Suppe – aber keine habe funktioniert. „Nennen Sie mir eine – ich habe sie versucht“, sagt er. „Ich bin ein Experte.“ Im vergangenen Jahr hat er beschlossen, es mit Slim-Fast zu versuchen. Zu seiner Überraschung hat es funktioniert. Er hatte etwa 16 Kilo abnehmen wollen – am Ende waren es 35. „Es war sehr praktisch, genau zu wissen, was man zu sich nimmt“, sagt er.

Der Verkaufsaufbau in Großbritannien war allerdings der leichteste Teil der Übung, weil die Briten eher an amerikanische Essgewohnheiten und Abnehmtechniken gewöhnt sind. Die Europäer auf dem Kontinent hängen dagegen an dem Ritual, Mahlzeiten gemeinsam mit der Familie oder Kollegen einzunehmen. Das macht es schwerer, auf eine Mahlzeit zugunsten eines Diätproduktes zu verzichten.

Kontinental-Europäer sind auch weniger geneigt, beim Abnehmen auf Geschmack und Qualität zu verzichten. Stattdessen versuchen die meisten, einfach weniger zu essen. Anita Kunert etwa, eine 64-jährige Juwelierin aus Düsseldorf, hat es vor einigen Jahren mit Modifast, einem deutschen Diätprodukt, versucht. In den ersten Tagen verlor sie etwas Gewicht. Dann passierte nichts mehr. „So etwas werde ich nie wieder versuchen“, sagt die Geschäftsfrau. „Es ist zu einseitig. Das einzige, was wirklich hilft, ist, mehr Obst und Gemüse zu essen.“ Der Markt für Diätprodukte, mit denen Mahlzeiten ersetzt werden sollen, wie Slim-Fast sie verkauft, ist Datamonitor zufolge in Westeuropa in den vergangenen fünf Jahren um jährlich 3,9 Prozent zurückgegangen. Das Meinungsforschungsinstitut erwartet, dass er auch in den kommenden fünf Jahren um 2,3 Prozent jährlich sinken wird. Die Diät-Produkte verzeichnen in den Niederlanden, Großbritannien und Italien bislang nur ein langsames Wachstum.

Slim-Fast will mit neuen Produkten die Aversion der Verbraucher gegen ihre Diätprodukte überwinden. Gleichzeitig geht Unilever davon aus, dass auch in Europa die Nachfrrage nach Fertiggerichten zunehmen wird. „Der Trend zu mehr Fertiggerichten und weniger vorbereiteten Mahlzeiten existiert weltweit", sagt ein Slim-Fast-Sprecher. Trotzdem setzt Unilever in Europa natürlich nicht nur auf Diätkost. Falls Slim-Fast ein Flop werden sollte, versucht der weltgrößte Hersteller von Speiseeis gleichzeitig, den Europäern „Ben & Jerrys“ schmackhaft zu machen. In den USA ist das kalorienreiche Eis schon längst Kult.

Deborah Ball

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