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Auf spärlich besuchte Pressekonferenzen setzen viele Unternehmen nicht mehr, wenn sie Themen in die Öffentlichkeit bringen wollen.

© dpa

Unternehmenskommunikation: Wie Unternehmen die Möglichkeiten sozialer Medien nutzen

Um auf die Anforderungen digitaler Medien zu reagieren, setzen Konzerne auf Newsrooms wie im Journalismus. Auch die Politik hat diesen Trend entdeckt.

Fragt man Oliver Santen danach, wie Unternehmen ihre Kommunikationsabteilung heute am besten organisieren sollen, gibt es für ihn nur einen Weg: den Newsroom. „Wir leben in Zeiten einer Echtzeit-Berichterstattung“, erklärt Santen. „In diesem Moment, in dem wir reden, gibt es gerade Berichterstattung, auf die wir vielleicht reagieren müssen oder wollen.“ Dafür seien schnelle Kommunikationswege und ein direkter Austausch zwingend. Vorbei sind die Zeiten, da nur ein paar Pressesprecher Medienanfragen beantworteten und Pressemitteilungen verschickten. „Man muss als Unternehmen oder Verband buchstäblich Wände einreißen und eine Arbeitsumgebung wie in einem journalistischen Newsroom schaffen“, ist Santen überzeugt.

In der PR-Szene gilt er als Vorreiter. Der ausgebildete Journalist, der früher für die „Welt“ schrieb und bei „Bild“ Ressortleiter war, baute bei Siemens als erstem deutschen Unternehmen einen solchen Newsroom auf. Ein Raum, in dem Experten unterschiedlicher Disziplinen zusammenarbeiten, um die Kommunikation zu steuern; von Videoredakteuren, Textern und Grafikern bis zu Datenexperten, Social-Media-Redakteuren oder Übersetzern. Heute ist er Geschäftsführer Kommunikation beim Bankenverband. „Bei Siemens gab es für unsere Newsroom-Pläne Rückendeckung von ganz oben“, erzählt Santen. Auslöser sei unter anderem der Besuch des damaligen Siemens-Chefs Peter Löscher im Newsroom der „Bild“ gewesen. „Eigentlich bräuchten wir bei Siemens genau so etwas“, habe er danach gesagt.

Social Media für Unternehmen wichtig

Denn tatsächlich sind die Möglichkeiten der Unternehmenskommunikation heute in Zeiten der Digitalisierung massiv gewachsen. In einer Tagesspiegel-Umfrage unter den 30 Dax-Unternehmen stimmten neun der Aussage ausdrücklich zu, dass dieser Bereich durch Social Media wichtiger geworden sei; abgelehnt wurde sie von keinem der Konzerne. „Mit den sozialen Medien wird jeder Mitarbeiter zu einem potenziellen Markenbotschafter des Unternehmens“, heißt es etwa von Continental. „Außerdem bietet sich mit den sozialen Medien ein Kanal, den man nicht nur für die Kommunikation von Unternehmensnachrichten nutzen kann, sondern über den man auch in den direkten Dialog mit den diversen Zielgruppen treten kann.“

Als beispielhaft kann auch die Deutsche Bank gelten. Und auch hier hat man sich mit Jörg Eigendorf, ehemals stellvertretender Chefredakteur der "Welt", journalistische Expertise geholt. Seit 2017 betreibt das Institut nun einen Newsroom mit 26 Mitarbeitern. Durch Social Media sei die Unternehmenskommunikation "facettenreicher und sicherlich auch komplexer geworden", heißt es von der Deutschen Bank. Das Spektrum von Ansprechpartnern, die wir im Auge haben und mit denen wir interagieren, reiche "deutlich über unser traditionelles Medienset hinaus". Dadurch sei eine schnelle und direkte Unternehmenskommunikation ohne den „Umweg Presse“ neu aufgekommen.

Oliver Santen, früher Journalist bei der "Bild" und der "Welt" baute bei Siemens den Newsroom auf. Heute ist der Geschäftsführer Kommunikation des Bankenverbandes.
Oliver Santen, früher Journalist bei der "Bild" und der "Welt" baute bei Siemens den Newsroom auf. Heute ist der Geschäftsführer Kommunikation des Bankenverbandes.

© Bankenverband

Hier bieten sich den Konzernen tatsächlich viele Möglichkeiten. Schließlich haben viele von ihnen bei Facebook, Instagram und Co. mehr Follower als Zeitungen, Fernsehsender oder andere Publizisten. In den Medienwissenschaften wird gerne von der „Gatekeeper-Funktion“ gesprochen, die den klassischen Medien verloren gehe: Ihnen obliege nicht mehr die Macht, zu filtern, welche Nachrichten an die Öffentlichkeit gelangen. Stattdessen wittern Unternehmen die Chance, selbst zu steuern, mit welchen Themen sie in der Öffentlichkeit stehen.

Newsrooms auch in der Politik

Natürlich haben diese Entwicklung nicht nur die Unternehmen erkannt. Empörung erntete die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Nachdem ihre Partei im März 2019 zu einem Werkstattgespräch keine Presse mehr zugelassen hatte, sagte sie in einem Interview mit einem parteieigenen Magazin: „Wir haben einen Livestream angeboten. Wir waren Herr über die Bilder, wir haben die Nachrichten selbst produziert. In diese Richtung wird es weitergehen.“ Auch die SPD hat mittlerweile ihren eigenen Newsroom ausgebaut. Aufgrund des Namens „Neuigkeitenzimmer“ gerne verspottet, hat jedoch auch Andreas Scheuer (CSU) im Verkehrsministerium diese Strukturen eingeführt.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer würde in Zukunft gerne selbst bestimmt, welche Fotos von ihr aus Parteitagen herausgelangen.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer würde in Zukunft gerne selbst bestimmt, welche Fotos von ihr aus Parteitagen herausgelangen.

© AFP

Santen kann verstehen, dass diese Entwicklung Sorge auslöst. Die neue publizistische Kraft von Unternehmen und Parteien muss aus seiner Sicht deshalb umso verantwortungsvoller geführt werden. „Das ersetzt eben nicht die andere Seite der Kommunikation, bei der wir dem Journalisten eine Art Menükarte geben und der dann entscheidet, was er aus diesen Inhalten macht“, so Santen. Er sieht aber auch die Gefahr, dass Journalisten sich durchaus gerne an vorbereiteten Inhalten bedienen, je mehr die Redaktionen aus Kostengründen verkleinert werden und sich Redakteure deshalb mit immer mehr Themen beschäftigen müssen.

„Damit wäre am Ende aber niemandem geholfen“, sagt Santen. „Ich denke, das wäre auch für Unternehmen ein Bumerang, da am Ende jegliche Kommunikation Vertrauen einbüßen würde.“ Verbraucher seien in Zeiten von Fake News mehr denn je sensibilisiert dafür, woher eine Nachricht ursprünglich stammt.

Kommunikation ist messbar

Laut der Tagesspiegel-Umfrage haben nach eigener Aussage acht Unternehmen aus dem Dax inzwischen Newsroom- Strukturen etabliert. Darunter sind etwa BMW, Daimler, die Telekom oder die Münchener Rück. Volkswagen stellt seine Kommunikationsabteilung gerade entsprechend um. Allerdings soll immer nur ein kleiner Teil der gut 100 Kommunikationsmitarbeiter des Konzerns dort arbeiten. So wird es bei vielen gehandhabt. „Im Daimler-Newsroom arbeiten rund zehn Kolleginnen und Kollegen, die im wöchentlichen Wechsel aus verschiedenen Kommunikationsbereichen in den Newsroom entsandt werden“, heißt es aus Stuttgart.

Während das „Handelsblatt“ im Jahr 2018 noch recherchiert hatte, dass Unternehmen vermehrt Online-Redakteure suchen, ist dieser Trend zumindest bei den Dax-Unternehmen nicht eindeutig zu erkennen. Zwar geben vier Konzerne an, die Kommunikationsabteilung künftig verstärken zu wollen, zwei wollen aber sogar Stellen abbauen. Die übrigen gehen von stabilen Verhältnissen aus.

Doch wie ist der Erfolg guter Unternehmenskommunikation messbar? „In Zeiten von digitaler Kommunikation ist das ja vergleichsweise einfach mit Blick auf Reichweite, Klicks oder die Abspieldauer eines Videos“, sagt Santen. Aber am Ende müsse sich Kommunikation an ihrer Wirkung messen lassen. „Einfach formuliert: Werden am Ende des Tages mehr Autos oder Turnschuhe verkauft?“, fragt er. Oder wird der Ruf des Unternehmens gesteigert oder das Vertrauen in eine Organisation? „Natürlich ist das ein klares Ziel.“

Auch in Zeiten von Unternehmenskrisen ist Digitalisierung für die Kommunikation nützlich. „Es gibt Tools, die erkennen, welche Diskussionen in den sozialen Netzwerken mit welchem Volumen geführt werden“, berichtet Santen. „Das ist also eine Art Frühwarnsystem, das zeigt, was auf einen zukommt.“ Doch genau das sei ja die Kernaufgabe guter Kommunikation: ein Thema schnell und möglichst aktiv besetzen.

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