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Unternehmenssteuer: Wirtschaft unzufrieden mit Reform

Die Wirtschaft beklagt sich, dass die Unternehmensteuerreform ihr wenig bringt. Einzelne Konzerne erwarten sogar Mehrkosten.

Berlin - Die Reform der Unternehmensteuern soll die Wirtschaft eigentlich um rund fünf Milliarden Euro entlasten – doch nur knapp die Hälfte der 30 größten deutschen börsennotierten Konzerne rechnet im kommenden Jahr mit einer geringeren steuerlichen Belastung. Das ergab eine Umfrage des Tagesspiegel unter den im Dax notierten Firmen. Einige rechnen sogar mit höheren Zahlungen ans Finanzamt. „Die Steuerreform bringt für uns keine Vorteile, wir gehen eher von einer leichten Belastung aus“, sagt Albrecht von Truchseß, Sprecher des Handelskonzerns Metro. Grund sei vor allem die höhere Besteuerung von Mietkosten, die den Handel besonders treffe.

„Das Ergebnis der Steuerreform ist für uns neutral“, sagt Karlheinz Hornung, Finanzvorstand des Fahrzeug- und Maschinenbauers MAN. Der Körperschaftssteuersatz werde zwar sinken, doch die Steuerbasis habe sich verbreitert. Auch bei der Lufthansa, der Deutschen Post, Henkel, BASF, Adidas oder Fresenius Medical Care rechnet man nicht mit einer spürbaren Entlastung. „Die nominale Steuerentlastung wird durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage konterkariert“, sagt Fresenius-Sprecher Bernd Ebeling. Henkel-Chef Ulrich Lehner hatte kürzlich im Tagesspiegel-Interview über die Steuerreform gesagt: „Die Auswirkung ist gleich null.“

„Die große Schieflage dieser Reform ist, dass die Gegenfinanzierungsmaßnahmen vor allem Unternehmen treffen, die in Deutschland investieren und forschen“, kritisiert BASF-Finanzvorstand Kurt Bock. Aus Unternehmenssicht biete selbst Belgien deutlich bessere steuerliche Bedingungen als Deutschland, obwohl der nominale Steuersatz in Belgien mit 34 Prozent höher liege als künftig in Deutschland. Das Bundesfinanzministerium sieht die Reform naturgemäß unkritisch. „Es ist eine Reform zugunsten der Unternehmen“, sagt ein Sprecher. Die genauen Resultate müsse man jedoch abwarten.

Die Reform ist Anfang des Monats vom Bundesrat gebilligt worden und tritt damit 2008 in Kraft. Kern ist die Senkung der nominalen Steuersätze für Kapitalgesellschaften. So sinkt die Körperschaftssteuer von 25 auf 15 Prozent. Die Gesamtsteuerbelastung soll von fast 40 auf unter 30 Prozent fallen. Damit befindet sich Deutschland künftig im europäischen Mittelfeld. Da die Senkung der Sätze Steuerausfälle von 30 Milliarden Euro bedeutet hätte, wurden zur Gegenfinanzierung zahlreiche Schlupflöcher geschlossen.

Die Unternehmen kritisieren insbesondere die verringerten Abschreibungsmöglichkeiten sowie die sogenannte Zinsschranke. Dies bedeutet, dass Zinszahlungen den Gewinn vor Steuern nur noch um maximal 30 Prozent schmälern dürfen. Wegen der Begrenzung des steuerlichen Abzugs von Fremdkapitalzinsen rechne man nicht mit einer Entlastung, heißt es bei Fresenius Medical Care. Gerade expandierende Unternehmen könnten ihr Wachstum nur über Fremdkapital finanzieren.

Auch Linde zeigt sich kritisch. „Die Zinsabzugsbeschränkung ist nicht so günstig für uns, denn die Finanzierungskosten für die Übernahme von BOC steigen dadurch“, sagt ein Sprecher des Industriegaseherstellers mit Blick auf die Übernahme des britischen Wettbewerbers. Trotzdem rechne man zumindest mit einer leichten Verbesserung. Allerdings erwirtschafte das Unternehmen nur einen kleinen Teil seines Gewinns in Deutschland. „Daher profitieren andere Unternehmen sicher stärker von der Reform als wir.“

Die Postbank erwartet dagegen eine Senkung der Steuerquote: von 35 Prozent in diesem Jahr auf 30 Prozent im kommenden Jahr. „Die Postbank ist kein multinationaler Konzern, der große Kapitalanlagen hin- und herschiebt“, sagt Unternehmenssprecher Joachim Strunk. „Wir sind sehr deutsch, und daher trifft uns die Entlastung in voller Güte.“

Auch der Autozulieferer Continental rechnet mit einer Entlastung. „Sie dürfte im unteren bis mittleren zweistelligen Millionenbereich liegen“, sagt Sprecher Hannes Boekhoff. Das tatsächliche Volumen sei vom Jahresergebnis abhängig. Positive Effekte erwarten auch RWE, die Commerzbank, Thyssen-Krupp, die Münchener Rück, Eon, Bayer und die Allianz. „Wir gehen davon aus, dass die Steuerquote von 36 Prozent im Jahr 2006 um rund drei bis fünf Prozentpunkte sinken wird“, sagte auch ein Sprecher der Deutschen Börse AG. SAP rechnet im laufenden Jahr mit einer Steuerbelastung von knapp 33 Prozent. „Für 2008 erwarten wir eine effektive Steuerrate von 31 Prozent“, sagt SAP-Sprecher Frank Hartmann.

„Detailregelungen der Steuerreform verursachen einen erheblichen Bürokratieaufwand“, kritisiert ein Sprecher von Daimler-Chrysler. Auch Volkswagen sieht höhere administrative Kosten auf sich zukommen. Man könne aber noch nicht sagen, ob es unterm Strich eine Entlastung gebe, heißt es in Wolfsburg. Insgesamt wollen sich neun Dax-Unternehmen noch nicht festlegen, ob die Steuerreform sie begünstigt oder nicht.

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