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Wirtschaft: Unternehmer am Pranger

Regierung und Gewerkschaften sind sich einig: Die Manager ruinieren die Wirtschaft und das Land

C. Eubel, A. Frese, H. Monath

und U. Weidenfeld

Es sind grelle Szenen, überzeichnete Geschichten, Episoden, die an Schrillheit kaum zu überbieten sind. Bei der Bewertung des neuen Stücks von Rolf Hochhuth „McKinsey kommt“, sind sich selbst die Feuilletons einig: Das Drama um die Skrupellosigkeit der Wirtschaft, die Geldgier der Manager und das Ausgeliefertsein des gekündigten Beschäftigten taugt nichts.

Und dennoch: Fragt man heute Politiker, und Gewerkschafter, dann sind sich auch hier alle einig: In der Sache hat Hochhuth Recht. Schwachköpfige und dreiste Unternehmer ruinieren zuerst die Wirtschaft, dann das Land und dafür kassieren sie ein paar Millionen Euro. Im Jahr. Ob bei der Autobahnmaut, bei der beruflichen Ausbildung von Jugendlichen, ob im Mannesmann-Prozess, bei Forschung und Innovation oder bei der Bereitschaft, Arbeitslose einzustellen: Die Manager hätten den wirtschaftsfreundlichen Kurs der Bundesregierung ausgenutzt, selbst aber seien sie nicht bereit, etwas für das Land zu tun.

Sogar prinzipiell für die Belange der Wirtschaft aufgeschlossene Sozialdemokraten wie der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Christian Lange machen in diesen Tagen ihrem Zorn Luft. „Viele Wirtschaftsführer, die das 300- bis 500-Fache eines Durchschnittsverdieners auf dem Konto haben, kommen ihrer Vorbildfunktion in keinster Weise nach“, schimpft das reformfreudige Mitglied des Wirtschaftsausschusses: „So etwas wie das Verhalten von Deutsche-Bank-Chef Ackermann beim Vodafone-Prozess muss man öffentlich sozial ächten“, sagt Lange.

Der Streit um die Maut ist für viele Sozialdemokraten das beste Beispiel dafür, wie Unternehmer im Zusammenarbeit mit dem Staat zwar Gewinne gern entgegennehmen, jedes Risiko aber von vornherein abwälzen wollen. Hinter verschlossenen Türen, im Kabinett sprach der Kanzler denn mit Bezug auf die Forderung des Toll-Collect-Konsortiums auch von einer „einzigen Dreistigkeit“. Als „Frechheit“ gilt in der Bundesregierung das Verlangen Toll Collects nach einem einseitigen Kündigungsrecht, das nach Ansicht des Kabinetts eine völlig einseitige Risikoverteilung zu Lasten des Bundes gebracht hätte. Das ein solches Kündigungsrecht bei Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen gang und gäbe ist (siehe Kasten), kümmert die Politiker dabei nicht.

Erst recht in Rage gebracht hat viele Politiker die Entscheidung des Müller-Milch-Eigners Theo Müller, wegen der hohen Steuerbelastung aus Deutschland zu fliehen. Dem Unternehmer halten die Kritiker vor, er habe erst für seine Betriebe im Osten Subventionen eingestrichen, um sich dann ins Ausland abzusetzen. Schleswig-Holsteins Finanzminister Ralf Stegner (SPD) empörte sich in der „FAZ“, Müllers Verhalten sei „das Gegenteil von Patriotismus“. Stegner sieht die Unternehmer und Manager mittlerweile gar in einer staatsgefährdenden Roller: „Wenn sich diejenigen, die sich für Eliten halten, so gerieren – Sie können Herrn Ackermann dazunehmen, und mir fielen auch noch andere ein, – dann kommen Sie mit dem Gemeinwesen nicht mehr weit.“ Auch die Hartnäckigkeit der SPD bei der Ausbildungsumlage ist nur dadurch zu erklären, dass viele Sozialdemokraten sich von den Arbeitgebern getäuscht fühlen. Jahrelang, so deuten Spitzenpolitiker wie Olaf Scholz an, habe man die Versicherung der Unternehmer vernommen, wonach die Wirtschaft genügend Lehrlinge unterbringen wolle – passiert sei aber nichts. Schon denken Politiker darüber nach, wie sie die Wirtschaft auch auf anderen Feldern in die Pflicht nehmen können. So empfiehlt etwa Juso-Vorsitzender Niels Annen, künftig Subventionen mit strengen staatstragenden Auflagen zu versehen. „Wir müssen dafür sorgen, dass Subventionen mit klaren Verpflichtungen für den Unternehmer verbunden werden“, fordert der Juso-Chef. Dass solche Forderungen die Grenze zu Staatswirtschaft und Sozialismus sehr mutwillig ziehen, ist Absicht.

Gewerkschaften und Politiker appellieren an die Wirtschaft, bei ihren Entscheidungen richtig verstandenen, langfristig orientierten Eigennutz walten zu lassen: Gerade die großen Unternehmen zögen sich beim Bereitstellen von Lehrstellen aus der Verantwortung, sagt Grünen-Fraktionsvize Thea Dückert. „Das ist absolut blind. Das rechnet sich nicht“, sagt die Arbeitsmarktexpertin. Später fehlten diesen Konzernen dann die qualifizierten Arbeitskräfte. Für DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer zeigt das Beispiel Toll Collect, dass die Unternehmen langfristiges Denken erst wieder lernen müssten: „Die Toll-Collect-Pleite ist eine Blamage für den Innovationsstandort Deutschland“, sagt Putzhammer. „Das kommt davon, dass die Unternehmen seit Jahren ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung zurückfahren und damit Innovationspotenzial vernichten“, analysiert der Gewerkschafter.

Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sieht die Arbeitgeber in der Pflicht, ältere Beschäftigte länger im Job zu halten. Noch immer höre er viel zu oft von Unternehmen, dass niemand, der älter als 40 Jahre sei, eingestellt werde. „Das kann sich keine Gesellschaft leisten“ , sagte Schröder.

Kein Wunder, dass sich die Unternehmen in die Ecke gedrängt sehen. Man lasse sich jetzt nicht für alles verantwortlich machen, was in Deutschland schief laufe, murrt das Unternehmerlager. Schließlich zeige die Politik auch nicht gerade das vor, was man als Erfolgsmodell verkaufen könne. Und die Gewerkschaften täten das erst recht nicht.

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