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Schöne Ecke. Linkerhand vom Bode-Museum steht das Gebäude-Ensemble, das Ernst Freiberger derzeit entwickelt.

© dpa

Unternehmer Ernst Freiberger im Interview: "Berlin zieht die Menschen an"

Ernst Freiberger ist Unternehmer und Investor. Mit dem Tagesspiegel spricht er über seine Immobilienprojekte in Moabit und Mitte – die Zukunft des Spreebogens ohne das Innenministerium und das "Forum Museumsinsel".

Herr Freiberger, der wichtigste Mieter ist ausgezogen – was wird nun aus dem Spreebogen ohne Innenministerium?

Der Umzug des Ministeriums läuft gerade und wird wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen, jedenfalls hat man uns die Räume noch nicht übergeben. Aber wir sind selbstverständlich dabei, das Gebäude mit einer neuen Konzeption an den veränderten Berliner Markt anzupassen und zu vermarkten. Den Vertrag mit dem Bundesinnenministerium haben wir vor etwa 20 Jahren geschlossen, und seitdem hat sich der Markt weiterentwickelt.

Auch in Moabit?

Ganz besonders auch in Moabit. Das war ja eher ein unterprivilegierter Standort, aber inzwischen ist Moabit zum Szeneviertel geworden. Hier passiert sehr viel. Die Turmstraße entwickelt sich gut, der Kleine Tiergarten wird neu gestaltet. Und wir hatten auch schon in den letzten Jahren eine ganze Reihe von neuen Vermietungen mit interessanten Mietern aus den unterschiedlichsten Branchen. Alles in allem reagieren wir also auf die Marktsituation und werden den Spreebogen nach dem Auszug des Ministeriums neu positionieren.

Auf welche Zielgruppe?

Wir werden unser Angebot auf dem Gesundheitsmarkt noch weiter ausbauen. Mehrere angesehene, gut etablierte Arztpraxen sind bereits bei uns am Spreebogen, das können wir noch intensivieren. Vor gut fünf Jahren haben wir unsere Reha-Fachklinik Medicalpark Humboldtmühle in Tegel eröffnet und beschäftigen dort inzwischen rund 400 Mitarbeiter. Wir sind also auf dem Berliner Gesundheitsmarkt präsent und werden unser Know-how hier am Spreebogen einbringen.

Die 33 000 Quadratmeter, die durch den Auszug des Ministeriums frei werden, können Sie schlecht mit Arztpraxen füllen.

Natürlich nicht, aber der Bereich Gesundheit ist ein wichtiges Thema, das wir ausbauen werden. Dazu kommen natürlich Büroräume. Es gibt im Berliner Zentrum wenig große zusammenhängende Büroflächen über 5000 Quadratmeter und mehr zu mieten. Deshalb bin ich da sehr optimistisch. Und unser Standort Spreebogen ist zentral gelegen, S-Bahn, U-Bahn und Hauptbahnhof sind in der Nähe und trotzdem ist es ruhig an der Spree. Darüber hinaus bieten wir auf dem Gelände alles für den täglichen Bedarf: ein breites gastronomisches Angebot, Hotel, Arztpraxen, Supermarkt, Bankfiliale, Kita sowie Wohnungen. Das finden Sie nicht oft in Berlin.

Das Ministerium hat oft über den hohen Mietpreis geklagt. Eine ähnlich hohe Miete werden Sie wohl nicht bekommen.

Die Berichte über eine vermeintlich hohe Miete waren immer falsch und ohne Kenntnis der Marktsituation in den 1990er Jahren.

Damals waren Büros sehr teuer.

Der Mietpreis war immer im Fokus und wurde auch im Haushaltsausschuss des Bundestages intensiv diskutiert und schließlich akzeptiert. Es gab eine öffentliche Ausschreibung mit am Ende drei bedeutenden Anbietern und einer bundeseigenen Immobilie für das Ministerium, letztendlich haben wir den Zuschlag bekommen für 35 DM pro Quadratmeter. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieser Preis inklusive Mehrwertsteuer ist. Übrigens: Direkt nach der Wende gab es in Berlin Mietpreise bis zu 100 DM pro Quadratmeter. Sie sehen, das Ministerium hat damals günstig gemietet.

Bekommen Sie heute mehr als 17 Euro brutto für den Quadratmeter?

Im Grundsatz ja. Das hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa Ausstattung, Größe der Mietfläche und Laufzeit des Mietvertrages. Wir werden sehen, wann das Ministerium komplett ausgezogen ist. Danach können wir zurückbauen und neue Mietverträge abschließen.

Wie hat sich der Markt in den vergangenen 20 Jahren verändert?

Die Stadt hat sich komplett gewandelt. Auch von der Sozialstruktur, es sind ja ganz neue Bevölkerungsgruppen in die Stadt gekommen. Es gibt eine Gruppe von Menschen, die rund um den Alexanderplatz zu Hause ist und eine andere Gruppe, die sich in den Charlottenburger Kneipen zu Hause fühlt. Und dann gibt es die, die neu dazugekommen sind. Diese Gruppen müssen noch besser zusammenwachsen. Es gibt viele Impulse, die es vor zehn oder 20 Jahren noch nicht gab. Vor allem im Bereich der digitalen Medien.

Lieferheld an der Museumsinsel, Telekom bei Chipperfield

Pizza war gestern. Ernst Freiberger ist jetzt Immobilienunternehmer – mit großen Projekten.
Pizza war gestern. Ernst Freiberger ist jetzt Immobilienunternehmer – mit großen Projekten.

© Mike Wolff

Profitieren Sie davon?

Wir haben gerade über 10 000 Quadratmeter an die Internetplattform Lieferheld vermietet.

Am Spreebogen?

Nein, im früheren Fernsprechamt bei unserem zweiten großen Liegenschafts-Projekt „Forum Museumsinsel“ in Mitte. Lieferheld bezieht dort sein Headquarter. Es gibt inzwischen Werbeagenturen und Modelabels in Berlin, die waren vor einigen Jahren noch in anderen Städten. Und mittlerweile überlegen viele Unternehmen, ihren Sitz nach Berlin zu verlegen. Da sind wir in mehreren Gesprächen. Berlin zieht die Menschen an. Alle wollen nach Berlin. Die Start-up-Szene sowieso. Die möchten vor allem nach Mitte, aber für große Verwaltungseinheiten ist der Spreebogen ein optimaler Standort.

Das klingt nach Selbstläufer.

Ganz so ist es nicht! Wir verlegen den Lieferverkehr für unsere alte Meierei nach Westen und gestalten die Außenanlagen neu, sodass das Spreebogen-Areal noch attraktiver wird. Dadurch können wir eine grüne Verbindung vom Kleinen Tiergarten über die Spree bis hin zum Großen Tiergarten herstellen. Nachdem das Innenministerium weg ist und wir den Spreebogen nicht mehr aus Sicherheitsgründen abschotten müssen, werden wir uns zur Straße Alt-Moabit öffnen, und das Torgebäude, durch das jetzt noch die Autos fahren, abreißen.

Also werden Sie die vielen Quadratmeter des Ministeriums problemlos vermieten.

Sicherheit und Unabhängigkeit sind unsere wichtigsten Unternehmensgrundsätze. Wir machen keine Geschäfte, ohne vorher ein Worst-Case-Szenario zu durchdenken. Wie gesagt, im Moment gibt es auf dem Markt ein reges Interesse an großen, zusammenhängenden Flächen. Ich mache mir also überhaupt keine Sorgen, zumal wir mit der Restaurierung der ehemaligen Bolle-Kirche und des ehemaligen Bolle-Festsaals den Spreebogen zusätzlich aufwerten.

Bolle-Kirche?

Ja, Carl Bolle, der Ende der 1880er Jahre hier in Moabit seine Meierei aufbaute, war sehr religiös. Er errichtete deshalb für seine Leute eine Kirche im zweiten Stock des Gebäudes. Später, bis 1966, befanden sich in den Räumlichkeiten das Welt-Kino und danach die Berliner Kammerspiele. Zwei beeindruckende Säle mit einer ganz besonderen Atmosphäre, die wir jetzt wieder aufleben lassen.

Und wie?

Seit über 15 Jahren standen die Säle leer, bisher hatten wir auch keine richtige Idee für eine neue Nutzung. Nun sind die Bolle-Festsäle fertig restauriert: ein großer Saal mit bis zu 800 Plätzen für Vorträge, Konferenzen oder Festveranstaltungen, und daneben ein ebenso großer Saal, zum Beispiel für ein feierliches Abendessen. Die neuen Räume sind verbunden mit unserem Abion-Hotel direkt an der Spree – alles in allem eine weitere Ergänzung für den Spreebogen.

Noch größer als das Areal in Moabit ist das „Forum Museumsinsel“, wo Sie seit Jahren ein ganzes Ensemble historischer Gebäude zwischen Oranienburger, Tucholsky-, Ziegelstraße, Monbijoupark und Spree entwickeln. Wie geht es voran?

In den nächsten Wochen sind die Gebäude zwischen Ziegelstraße und Spree einzugsbereit. Zum Beispiel das Simon-Palais direkt an der Spree gegenüber dem Bode-Museum mit herrlichen Wohnungen und einem Literaturcafé, oder das Gropius-Ensemble, die ehemalige Uni-Frauenklinik, in der Professor Sauerbruch lehrte. Dieses Gebäude-Ensemble wurde von Architekt David Chipperfield restauriert und mit einem Neubau ergänzt. Es ist an die Telekom vermietet, die demnächst einziehen wird.

Wann ist das gesamte Areal fertig?

Wie gesagt, das südliche Areal zwischen Ziegelstraße und Spree ist in ein paar Wochen fertig. Das nördliche Areal zwischen Ziegelstraße und Oranienburger Straße wird Anfang 2017 fertig sein.

Zwei Jahre später als geplant.

Die Komplexität des gesamten Projekts ist enorm. Die Abstimmungen mit den beteiligten Behörden brauchen Zeit und in Gebäuden, die 100 Jahre alt und älter sind, gibt es auch immer wieder Überraschungen. So ein Projekt wirft ständig neue Fragen auf.

Wie oft haben Sie bereut, diese Riesenbaustelle angegangen zu sein?

Es ist ein Privileg, so ein einzigartiges Ensemble entwickeln zu können. Und was die Zeitverzögerung betrifft: Die Gebäude stehen schon seit 100 bis 200 Jahren, da kommt es auf ein paar Jahre nicht an. Wichtig ist mir folgender Grundsatz: Wir bewahren nicht die Asche, sondern wir tragen die Flamme weiter. Und die wahren unternehmerischen Erfolge haben immer etwas mit Durchhalten zu tun. Standvermögen, Beharrlichkeit und Begeisterung – davon bringe ich genügend mit, um das „Forum Museumsinsel“ zu einer städtebaulichen Perle zu machen und die Baudenkmäler mit neuem Leben zu füllen.

Das Interview führte Alfons Frese

Ernst Freiberger (geb. 1950) begleitete früh seine Eltern bei der Kundenakquise in die Wirtshäuser. Über die Jahre entwickelte sich die EFA (Ernst Freiberger Amerang) zum drittgrößten Eishersteller der Bundesrepublik. Ernst junior übernahm nach dem Studium zum Diplom-Kaufmann 1976 in Berlin-Moabit eine Pizza-Versandbäckerei mit 20 Leuten. Zwei Jahrzehnte später produzierten knapp 1000 Beschäftigte 1,5 Millionen Tiefkühlpizzen am Tag. 1998 verkaufte Freiberger das Unternehmen an die Südzucker AG. Seitdem investiert er in Immobilien und Gesundheit: Zur Unternehmenssparte Medical Park zählt heute ein Dutzend Klinken.

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