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Wirtschaft: Unternehmer verteidigen die Mitbestimmung

BASF: Ohne Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften wären wir nicht weltweite Nummer eins / BDI-Chef setzt auf Konsens

Berlin Vertreter großer deutscher Unternehmen haben sich für den Erhalt der Mitbestimmung ausgesprochen. „Die Tatsache, dass die BASF heute weltweit die Nummer eins in der Chemieindustrie ist, ist auch das Ergebnis der konstruktiven Zusammenarbeit mit Betriebsräten und Gewerkschaft“, sagte Eggert Voscherau, Arbeitsdirektor bei BASF, dem Tagesspiegel. Seit über 30 Jahren habe es in der deutschen Chemieindustrie keinen Arbeitskampf mehr gegeben. „Daher wollen wir am Kern der Mitbestimmung nichts ändern, wohl aber an den bürokratischen Auswüchsen. Sie beeinträchtigen die Effizienz dieses Instruments.“

Die Mitbestimmung ist in den vergangenen Wochen wegen der Verwicklung des Betriebsrats in die VW-Affäre erneut stark in die Kritik geraten. Schon zuvor hatte der Bundesverband der Industrie die Abschaffung des Konzepts gefordert, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu fördern. Der ehemalige BDI-Chef Michael Rogowski hatte die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat gar als „Irrtum der Geschichte“ bezeichnet.

Die SPD will an der Mitbestimmung zunächst nicht rütteln – sie beruft sich auf eine Analyse der Hans-Böckler- und Bertelsmann-Stiftungen, die feststellt, dass die Mitbestimmung ein positiver Wirtschaftsfaktor für Deutschland ist.

Die FDP dagegen würde die paritätische Mitbestimmung am liebsten komplett abschaffen. Die CDU möchte zunächst abwarten, bis die in der vergangenen Woche von Bundeskanzler Schröder einberufene Kommission zur Reform der Mitbestimmung im kommenden Jahr ihre Ergebnisse vorlegt. Den Vorsitz der Kommission hat der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) inne, weitere Teilnehmer sind neben Wissenschaftlern Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

„Wir werden uns Ende September, also nach der Wahl konstituieren und unsere Arbeit aufnehmen, egal wie die Wahl ausgeht“, sagte Biedenkopf dieser Zeitung. Jürgen Thumann, neuer BDI–Chef und ebenfalls Mitglied der Kommission, gibt sich diplomatisch: „Eine Reform der Mitbestimmung ist überfällig. Wir müssen unser Modell europatauglich machen und an die heutigen rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen“, sagte er. Es sei gut, dass Bundesregierung und Gewerkschaften den Reformbedarf anerkannt hätten. „Ich möchte, dass wir gemeinsam eine gute Lösung erreichen“, sagte der BDI-Präsident dem Tagesspiegel.

Auch Klaus Rauscher, Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns Vattenfall Europe, stellte sich im Gespräch mit dieser Zeitung grundsätzlich hinter die Mitbestimmung: „Ohne die Mitbestimmung wären wir heute nicht die Nummer drei am deutschen Strommarkt.“ Gewerkschaften und Betriebsräte seien bisweilen schwierige, aber verlässliche Partner. Dies habe sich beim Integrationsprozess nach der Fusion von Bewag, Veag, Laubag und HEW gezeigt. „Wir haben oft unterschiedliche Standpunkte“, sagte Rauscher, „aber uns eint das gemeinsame Interesse am Wohl unseres Unternehmens.“

Der Inhaber der Luftfahrtgesellschaft dba unterstützt die Mitbestimmung ebenfalls im Grundsatz, fordert aber Reformen. „In vielen Betrieben funktioniert die Mitbestimmung wirklich gut, hilft, Veränderungen besser abzustimmen – die Betriebsräte sind hier Partner“. In einigen Betrieben aber seien Betriebsräte oft „Bremser und Verhinderer“. Solche „extremen Negativbeispiele“ seien mittlerweile zu einem „echten Standortnachteil für Deutschland“ geworden, sagte Wöhrl. „Absolut nicht mehr zeitgemäß“ sei das Modell der paritätischen Mitbestimmung. Mitbestimmung müsse in deutlich kleineren Gremien stattfinden, ohne Fremdmandate, und auf die Bedürfnisse und Spielregeln des jeweiligen Betriebes zugeschnitten sein, sagte Wöhrl.

Bei der Hypo-Vereinsbank, jetzt im Besitz der italienischen Unicredito- Gruppe, habe man mit der Mitbestimmung insbesondere auch im Vorfeld der Fusion positive Erfahrungen gemacht, sagte ein Sprecher.

Es gibt aber auch scharfe Kritiker unter den Unternehmen: Der Ehrenpräsident des Nestlé-Konzerns, Helmut Maucher, spricht von einer „Überregulierung der Mitbestimmung“. In einem Interview kritisierte er, dass der „Gesetzgeber in Fragen der Betriebsverfassung und der Mitbestimmung zu viele Blockademöglichkeiten eingeräumt hat“. awm/dr/fw

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