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Urteil: Erbschaftssteuer verfassungswidrig

Das Urteil des Bundesverfassungsgericht zum bisherigen Erbschaftssteuerrecht ist von Politik und Wirtschaft als lang erwartete Klarstellung begrüßt worden.

Berlin/Karlsruhe - Mit der Forderung der Karlsruher Richter nach einheitlichen Bewertungsregeln für alle vererbten Vermögensarten sei Rechtssicherheit geschaffen worden, erklärten Bundesregierung, Koalition, Oppositionsparteien sowie Wirtschaftsverbände übereinstimmend.

Zugleich wurden Warnungen laut, die bis Ende 2008 geforderte Neubewertung nicht zu Steuererhöhungen zu missbrauchen. Auch nach dem Urteil gebe es genügend Spielraum für Begünstigungen für privates Immobilien- und für Betriebsvermögen. Damit steht auch den geplanten Entlastungen von Firmenerben bei Fortführung des Unternehmens aus Sicht der Koalition und der Wirtschaft grundsätzlich nichts im Wege.

Die Verfassungsrichter kritisierten vor allem die ungleiche Bewertung verschiedener Vermögensarten wie Geld, Betriebsvermögen, Immobilien oder land- und forstwirtschaftliches Vermögen. Sie mahnten bis Ende 2008 eine gesetzliche Neuregelung an. Das Deutsche Forum für Erbrecht mahnte daher, Immobilien nicht vorschnell an mögliche Erben zu übertragen. Wegen der Frist könne in Ruhe geplant werden.

Auch Einfluss auf betriebliche Erbschaftssteuer

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Barbara Hendricks, begrüßte, dass alle Vermögensbewertungen künftig nahe am Verkehrswert liegen müssten. Dies gelte auch für vererbte private Immobilien. Der Gesetzgeber könne aber Freibeträge schaffen. Auch Stufentarife je nach Verwandtschaftsgrad seien weiter erlaubt. Eine selbst genutzte Wohnung oder ein selbst genutztes Haus könnten anders behandelt werden als Mietobjekte. Die Länder würden aber sehr sorgfältig achten, wie das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer berührt werde. Es gehe den Ländern nicht darum, zusätzliches Aufkommen zu erzielen, sie wollten aber auch nicht auf Einnahmen verzichten. Im vergangenen Jahr nahmen die Länder 3,76 Milliarden Euro aus der Erbschaftsteuer ein.

Die Verfassungsentscheidung beeinflusst auch das geplante Gesetz zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge. Danach soll die betriebliche Erbschaftsteuer innerhalb von zehn Jahren schrittweise auf null gesenkt werden, wenn ein Unternehmen fortgeführt wird und die Arbeitsplätze weitgehend erhalten bleiben. Dies soll rückwirkend vom 1. Januar 2007 an gelten. In den Länderhaushalten führt dies zu Einnahmeausfällen von jährlich 450 Millionen Euro. Es wird davon ausgegangen, dass die Länder dies mit neuen Bewertungen zumindest kompensieren und damit nicht bis Ende 2008 warten wollen.

Hendricks sagte, der Gesetzentwurf müsse überarbeitet werden. Es werde aber auch künftig möglich sein, auf Basis einer neuen Bewertung Begünstigungen - etwa beim Vererben von betrieblichem Vermögen - zu ermöglichen. CDU-Finanzexperte Otto Bernhardt sieht den Gesetzentwurf nicht tangiert, so dass das Vorhaben zügig verabschiedet werden könnte. Unions-Fraktionsvize Michael Meister verwies darauf, dass der Entwurf keine Erleichterungen bei der Bewertung, sondern den Abbau der Steuerschuld vorsehe. Zudem müsse der Betrieb fortgeführt werden.

Kenzler fordert schnelle Reform

SPD-Fraktionsvize Joachim Poß betonte allerdings, zunächst müsse eine solide Bewertungsgrundlage für alle Vermögensarten hergestellt werden. Erst auf dieser Basis dürften in einem zweiten Schritt Differenzierungen und Vergünstigungen zur "Verfolgung von wohl zu begründenden Gemeinwohlzwecken" vorgenommen werden. Dazu vorgesehene Regeln müssten zielgenau ausgestaltet sein und eine Nachversteuerung vorsehen, wenn der begünstigte Zweck nicht erreicht werde.

Aus Sicht von Handwerks-Präsident Otto Kentzler ist jetzt eine rasche Reform "aus einem Guss" möglich. Auch für Industrie-Präsident Jürgen Thumann ist der Weg frei für die Erbschaftsteuerreform für Betriebsvermögen. Der Bauernverband (DBV) zeigte sich besorgt, da land- und forstwirtschaftliches Vermögen nach Verkehrswerten berechnet werden solle. Es sollte beim Ertragswertverfahren bleiben.

Steuerzahlerbund, DIHK und die FDP warnten davor, das Urteil zum Anlass für Steuererhöhungen zu nehmen. Die Grünen forderten eine sofortige gleichmäßige Vermögensbesteuerung. Der Fraktionschef der Linken, Oskar Lafontaine, verlangte, nun die Wiedererhebung einer Vermögenssteuer zu ermöglichen. (tso/dpa)

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