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Ist der Betrieb von Callcentern auch an Sonntagen in allen Branchen notwendig? Das Bundesverwaltungsgericht sieht dafür keinen Grund.

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Urteil zum Arbeitsrecht: Bundesverwaltungsgericht schränkt Sonntagsarbeit ein

Dieses Urteil dürfte viele Arbeitnehmer betreffen: Das Bundesverwaltungsgericht hat der Sonntagsarbeit engere Grenzen gesetzt. Die Entscheidung gilt für Hessen - aber bedeutsam ist sie auch für die meisten anderen Bundesländer.

Kirchen und Gewerkschaften haben im juristischen Kampf gegen die Ausweitung der Sonntagsarbeit einen Etappensieg erzielt. Das Bundesverwaltungsgericht hat es am Mittwoch endgültig abgelehnt, dass in hessischen Videotheken, Bibliotheken, Callcentern oder Lottogesellschaften sonntags gearbeitet werden darf. Die Verordnung des Bundeslandes ist in diesen Teilen nichtig. Buchmacher – die vor allem Wetten für Pferderennen vertreiben – dürfen allerdings sonntags Arbeitnehmer beschäftigen.

Soweit die hessische Verordnung von 2011 auch Brauereien, Getränke- und Eisherstellern die Einführung von Sonntagsschichten erlaubt, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Hier verlangt das Bundesverwaltungsgericht weitere Aufklärung über die Notwendigkeit der Sonntagsarbeit.

Sonntagsarbeit ist in Deutschland durch zahlreiche Ausnahmen möglich

Das Urteil hat über Hessen hinaus Bedeutung, da viele Landesverordnungen Sonntagsarbeit zulassen. Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer in Deutschland an Sonn- und Feiertagen nicht beschäftigt werden. Das Arbeitnehmergesetz sieht jedoch zahlreiche Ausnahmen vor und ermächtigt die Landesregierungen, weitere Ausnahmen zu gestatten. Es muss aber stets begründet werden, dass die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen notwendig ist.

Dass die Sonntagsruhe sogar vom Grundgesetz geschützt ist, hatte das Bundesverfassungsgericht 2009 entschieden. Damals wurde es für verfassungswidrig erklärt, dass Berlin die Geschäfte an allen vier Adventssonntagen öffnen wollte. Die Arbeitsruhe an Sonntagen wurde damals nicht nur mit der Religionsausübung von Christen begründet, sondern auch mit dem Schutz von Ehe und Familie.

Die hessische Regierung erließ 2011 unter der CDU/FDP-Koalition eine „Bedarfsgewerbeverordnung“, die in vielen Branchen Sonntagsarbeit zuließ. Verdi und zwei evangelische Gemeindeverbände klagten und erhielten 2013 vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel recht. Hessen legte jedoch Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein. Die hatte am Mittwoch nur teilweise Erfolg.

DVDs und Bücher? Kann man auch unter der Woche ausleihen

Für die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken und Bibliotheken an Sonn- und Feiertagen sahen die Leipziger Richter keinen Grund. Kunden könnten DVDs, Videospiele oder Bücher an Werktagen vorausschauend leihen, um sie am Sonntag zu nutzen. Es stelle keinen erheblichen Schaden dar, wenn der Wunsch zurücktreten müsse, „spontan auftretende Bedürfnisse auch sofort erfüllt zu bekommen.“ Dass der Betrieb von Callcentern – unabhängig von der Branche – an Sonntagen nötig ist, lasse sich ebenfalls nicht feststellen.

Allerdings sieht das Bundesverwaltungsgericht die hessische Landesregierung grundsätzlich zum Erlass der Verordnung ermächtigt. Die Regierung in Wiesbaden musste also nicht ein förmliches Gesetzgebungsverfahren einleiten. Das hatte der VGH Kassel in der Vorinstanz anders beurteilt und schon wegen dieses Mangels Sonntagsarbeit in der Eis- und Getränkeindustrie für nichtig erklärt. Da der Landesregierung jetzt aber die Kompetenz zugesprochen wurde, muss inhaltlich geprüft werden, ob die Kapazitäten der Getränke- und Eisindustrie – etwa im Sommer – nicht ausreichen und Sonntagsschichten nötig sind, um genügend Mineralwasser, Bier und Eis auf den Markt zu bringen. (Aktenzeichen: Bundesverwaltungsgericht 6 CN 1.13)

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