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Antioch

© dpa

US-Immobilienmarkt: Die Goldgräber kehren zurück

Kapital aus aller Welt fließt in kalifornische Immobilien. Für die Entwicklung der Weltwirtschaft, sind solche Nachrichten von Bedeutung. Dennoch bleiben Zweifel.

Alexandra von der Groeben bemerkt schon länger, dass das Geld zurückkommt nach Kalifornien. An diesem Montag kann sie es sehen. Mit Klienten ist sie in Palo Alto unterwegs, einer 60.000-Einwohner-Stadt am Rand des Silicon Valley, rund 30 Meilen südlich von San Francisco. Die Maklerin, eine gebürtige Deutsche, die seit 24 Jahren in Kalifornien Immobilien vermittelt, will den Kunden Villen der Luxusklasse zeigen, die günstigsten für fünf Millionen, die teuersten für 16 Millionen Dollar. Doch als die Gruppe in Palo Alto ankommt, ist ein Drittel der Häuser bereits verkauft. "An vielen Objekten hingen Schilder mit der Inschrift 'Sold'", sagt sie. Einige der Immobilien seien zuvor Monate auf dem Markt gewesen. "Es geht bergauf, langsam, aber deutlich", schließt von der Groeben daraus.

Die Beobachtung der Maklerin deckt sich mit den offiziellen Zahlen. So groß die Exzesse in Kalifornien waren, so hart die Krise zugeschlagen hat, so schnell scheint sich der Immobilienmarkt im amerikanischen Bundesstaat zu erholen. Seit die Blase im Juli 2006 platzte, haben sich die Preise von Häusern und Wohnungen in einigen Orten halbiert. In San Diego, San Francisco und Los Angeles wurden Zehntausende Häuser zwangsversteigert. Nun aber scheint der Tiefpunkt erreicht. Im April stieg der Case-Shiller-Index, der den Wert der Häuser in den USA misst, in San Francisco wieder leicht um 0,6 Prozent. Und im Mai wechselten in Kalifornien der offiziellen Statistik zufolge 35 Prozent mehr Häuser und Wohnung ihren Besitzer als noch im Mai 2008.

Glaubt man den Maklern vor Ort, sind es auch ausländische Geldgeber, die den Aufschwung befeuern, unter ihnen vermögende Russen, Chinesen und Europäer. "Wir hatten traditionell viele Kunden aus dem Ausland", sagt von der Groeben. "Nun aber sind es mehr als sonst". Auch in der deutschen Bankenszene erzählt man sich, es fließe derzeit smart money nach Kalifornien, also Geld von Investoren, die sich früh auf Trends stürzen. "Die ersten Goldgräber sind wieder unterwegs", sagt Claudia Reich Floyd, die für die Privatbank Sal. Oppenheim in Zürich arbeitet.

Für einen Einstieg sprechen die niedrigen Hypothekenzinsen. Wer eine gute Bonität aufweist und möglichst viel Bargeld mitbringt, bekommt derzeit gute Kreditkonditionen. Viele Immobilien sind so billig wie in der Zeit, bevor sich die Blase aufblähte. Zudem ist der Leerstand und damit die Auswahl groß. Die kalifornische Regierung hilft mit Steuernachlässen in Höhe von 8000 Dollar für alle Erstkäufer nach, um den Markt zu stützen. "Viele halten den Moment für günstig“, sagt Susanne Bohl von der Immobilienagentur Realtor, die in der Gegend um San Francisco Häuser und Wohnungen vermittelt. "Wer Geld hat, kann jetzt gut einkaufen", sagt ihre Kollegin von der Groeben.

Für die Entwicklung der Weltwirtschaft sind solche Nachrichten von Bedeutung. Denn was sich heute in Kalifornien vollzieht, könnte bald im ganzen Land geschehen. Die Preise könnten wieder steigen – mit enormen Folgen für die Banken auf der Welt. Diese halten noch immer toxische Papiere in ihren Büchern, die wertlos sind, weil sie auf amerikanischen Immobilienkrediten basieren. Zieht der Markt wieder an, könnten weniger Kredite ausfallen, weniger Häuser müssten zwangsversteigert werden. 

Tatsächlich gibt es Anzeichen dafür, dass der amerikanische Immobilienmarkt die Talsohle bald erreicht hat. Im April sind die Häuserpreise in den Vereinigten Staaten, gemessen am Case-Shiller-Index, gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent gefallen. Das ist viel, aber der Absturz vollzieht sich langsamer als noch im Januar. Im Markt für bestehende Häuser und Wohnungen stiegen die Preise im April und Mai erstmals seit dem Ausbruch der Krise sogar wieder. Für den Chefanalysten der Bremer Landesbank, Volker Hellmeyer, ist das ein Zeichen dafür, dass "der Boden am amerikanischen Immobilienmarkt eingezogen ist". Zwar seien die jüngsten Entwicklungen noch nicht der "große Wurf". Die Lage aber stabilisiere sich zunehmend.

Dennoch bleiben Zweifel. Ein Grund hierfür ist die scharfe Wirtschaftskrise in den USA, deren Folgen noch nicht ausgestanden sind. Sechs Millionen Arbeitsplätze gingen bislang verloren, weitere werden folgen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Bürger ihre Kredite nicht begleichen können. Schon jetzt registrieren die Banken nicht mehr nur Ausfälle von schlechten Subprime-Krediten, sondern auch von Prime-Hypotheken, die zuvor als sicher galten. Die Züricher Bankerin Reich Floyd weist zudem darauf hin, dass viele Finanzierungen von Immobilien im kommenden und übernächsten Jahr auslaufen. Da die Banken heute aber viel strikter Kredite vergeben, wird die Anschlussfinanzierung oftmals nicht gelingen. "Da kommt noch einmal eine Welle", warnt die Analystin.

Bis dahin hat Alexandra von der Groeben andere Sorgen. Sie klagt darüber, dass sie kaum hinterher komme mit der Arbeit. Behalten die Optimisten Recht, steht ihr noch viel mehr Arbeit bevor.

Quelle: ZEIT ONLINE

Philip Faigle

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