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Wirtschaft: US-Medien: Massenentlassungen bei amerikanischen Zeitungen

In einer internen Mail teilte das "Wall Street Journal" in dieser Woche seinen Redakteuren mit, dass wegen der schwierigen finanziellen Situation demnächst Kündigungen ausgesprochen würden. Damit reiht sich das renommierte Wirtschaftsblatt in die Riege der US-Verlage ein, die sich von großen Teilen ihrer Angestellten trennen.

In einer internen Mail teilte das "Wall Street Journal" in dieser Woche seinen Redakteuren mit, dass wegen der schwierigen finanziellen Situation demnächst Kündigungen ausgesprochen würden. Damit reiht sich das renommierte Wirtschaftsblatt in die Riege der US-Verlage ein, die sich von großen Teilen ihrer Angestellten trennen. Die "New York Times"-Gruppe hat ebenso Entlassungen angekündigt wie der Knight-Ridder-Konzern, Amerikas zweitgrößter Verlag.

Grund für die aktuelle Zeitungs-Krise in den USA ist ein sinkendes Anzeigenaufkommen. "Das erste, woran Unternehmen bei einer abflauenden Konjunktur sparen, sind die Anzeigen", meint der Medienjournalist John Morton vom Marktforschungsunternehmen Morton Research. In Amerika erwirtschaften Verlage 75 bis 80 Prozent ihres Gewinns mit dem Verkauf von Anzeigen - im internationalen Vergleich ein hoher Anteil. In den meisten Blättern bestehen 60 Prozent der Seiten aus Werbung und nur 40 Prozent aus redaktionellen Inhalten.

"Die Anzeigensituation hat sich im zweiten Quartal nicht verbessert und wir sehen auch noch keine Anhaltspunkte, dass es im Laufe des Jahres besser wird", erklärte Dow Jones-Chef Peter Kann in dieser Woche. Das "Wall Street Journal", das zu Dow Jones gehört, hat seit Jahresanfang 34 Prozent der Anzeigen verloren. Darunter hauptsächlich Werbung aus der Finanzszene und von Technologiefirmen, die der Abschwung derzeit besonders hart trifft.

Im Schnitt ist das Anzeigenaufkommen der US-Blätter in diesem Jahr um sechs bis zehn Prozent gefallen. Die Umsatzrendite der Verlage, die als Aktiengesellschaften organisiert sind, liegt mit 18 Prozent allerdings immer noch recht hoch. "Andere Branchen wie etwa die Automobilindustrie wären froh, wenn sie solche Gewinnmargen hätten", ist Morton überzeugt. Die Hälfte der US-Zeitungsauflage wird von Verlagen herausgegeben, die als Gesellschaftsform Aktiengesellschaften sind.

Die Vorstände von börsennotierten Verlagen bemühen sich, die Gewinnerwartungen des Marktes zu erfüllen. In einer Branche, in der es kaum Kündigungsschutz gibt, sind bei sinkenden Einnahmen Entlassungen die logische Konsequenz. "Fast alle großen Zeitungen haben Entlassungen angekündigt", sagt Morton. Über die USA verteilt wird nach Angaben der Journalistengewerkschaft Newspaper Association of America (NAA) fünf Prozent aller Journalisten gekündigt. Allein der kalifornische Knight-Ridder-Konzern entlässt insgesamt 2100 Angestellte - zehn Prozent aller Mitarbeiter. Der Gewinn war seit Jahresanfang um 5,1 Prozent geschrumpft.

Die "New York Times"-Gruppe will acht bis neun Prozent der 14 000 Mitarbeiter entlassen. Neben den beiden Renommierblättern "New York Times" und "Boston Globe" gehören noch 15 weitere Lokalzeitungen, acht Fernsehstationen, zwei New Yorker Radiosender und über 40 Internetseiten zur Gruppe. "Wir können noch nicht sagen, wer in welchem Segment die Gruppe verlassen wird", erklärt Toby Usnik, Sprecher der "New York Times"-Gruppe. "Wir befinden uns gerade erst in der Planung." Soweit bisher bekannt ist, will das Flagschiff "New York Times" selbst keine Kündigungen aussprechen.

Viele Angestellte des ehrwürdigen Blattes profitieren von einem Tarifvertrag, der Seltenheitswert in der amerikanischen Presse besitzt: Die lokale NAA-Vertretung hat vor vier Jahren mit den Verlegern einen Vertrag ausgehandelt, der allen Mitarbeitern, die vor 1997 zur "New York Times" gestoßen sind, einen Kündigungsschutz bis 2003 gewährt. "Das war eine neue Idee", erklärt Leno Williams, die New Yorker NAA-Vertreterin. Sie hat den Vertrag mit dem Verlag ausgehandelt. "Im Gegenzug haben wir uns damit einverstanden erklärt, dass das Gehalt jährlich nur um zwei Prozent steigt."

Reich werden Journalisten in den USA ohnehin nicht. Das Durchschnittgehalt eines Redaktionsneulings liegt zwischen 250 bis 750 Dollar pro Woche. Im Extremfall liegt das Gehalt von amerikanischen Jungredakteuren sogar unter der offiziellen Armutsgrenze. "Zeitungen, die nicht mit der Gewerkschaft kooperieren, bezahlen im Schnitt sogar 20 Prozent weniger", erklärt Larkie Gildersleeve, Chefökonomin der NAA. In gewerkschafts-unabhängigen Medien existiert auch kein Kündigungsschutz. "Du wirst heute entlassen und brauchst morgen nicht mehr zu kommen", erklärt sie.

Doch so gut wie den langjährigen "New York Times"-Angestellten geht es auch bei Zeitungen, die ihren Arbeitsvertrag mit der NAA ausgehandelt haben, kaum jemandem. Die gewöhnlichen Tarifverträge, die stets zwischen der Gewerkschaft und der Geschäftsführung eines Blattes ausgehandelt werden, beinhalten ein so genanntes "At-Will-Employment" - ein Arbeitsverhältnis, das zwei Wochen nach Bekanntgabe der Kündigung endet.

Zudem verfügen die meisten mit Gewerkschaften ausgehandelten Verträge über so genannte "Seniority Clauses". Sie besagen, dass im Falle von Entlassungen die jüngsten Angestellten gehen müssen und die älteren bleiben dürfen. "Normalerweise werden die teuersten Mitarbeiter entlassen", erklärt Gildersleeve. "Das sind meistens die alten."

Doch egal, ob jung oder alt - Journalisten, die derzeit ihre Kündigung erhalten, haben es schwer: "Heute stellt keiner mehr ein. Die Unternehmen haben Einstellungsstopps", sagt Medien-Experte John Morton. Deshalb sei es für Redakteure auch schwierig, in benachbarten Branchen eine Anstellung zu finden. "Viele arbeiten als freie Journalisten ohne Festanstellung weiter", erklärt die Gewerkschafts-Vertreterin. Experten rechnen damit, dass die Verlage Mitarbeiter einstellen werden, sobald das Anzeigenvolumen wieder steigt. "Aber das hängt alles von der Konjunktur ab", sagt John Morton.

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