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Wirtschaft: US-Notenbank senkt Leitzinsen erneut

Niedrigster Stand seit dem Jahr 1958 / Greenspan fürchtet Deflation / Deutsche Firmen zuversichtlicher

Berlin (brö). Die amerikanische Notenbank Federal Reserve hat am Mittwoch die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Die Kreditinstitute können sich nun für einen Satz von 1,0 Prozent Tagesgeld bei der Zentralbank borgen – das ist der niedrigste Stand seit 1958. Das soll die Erholung der USWirtschaft beschleunigen. Von einem stärkeren Wachstum in den USA könnte auch Deutschland profitieren.

Der für die Geldpolitik zuständige Offenmarktausschuss FOMC hatte seit Dienstag über die Entscheidung beraten. Zum dreizehnten Mal seit Anfang 2001 reduzierte die Fed damit ihre Leitzinsen um insgesamt 5,5 Prozentpunkte. Der Schritt war von den Finanzmärkten erwartet worden, zuletzt hatten sie nur noch darüber spekuliert, ob es eine Senkung um 0,25 oder um 0,5 Prozentpunkte geben würde. Das FOMC teilte mit, das Risiko einer Deflation, also einer Entwicklung aus sinkenden Preisen, zurückgehender Produktion und geringerer Wirtschaftsleistung, sei derzeit größer als das einer Inflation. Das werde vorerst auch so bleiben.

Die Wall Street reagierte mit Kursverlusten auf die verhaltene Prognose der Fed. Der Dow Jones verlor 1,1 Prozent auf 9011 Punkte, die Technologiebörse Nasdaq sank um 0,2 Prozent auf 1602 Punkte. Die deutschen Händler konnten nicht reagieren, da die Entscheidung nach Börsenschluss eintraf.

Bislang sind die Zinsschritte der Fed weitgehend wirkungslos geblieben: Die US-Wirtschaft dümpelt bei einer für ihre Verhältnisse schwachen Wachstumsrate für das Jahr von etwa zwei Prozent dahin, die Arbeitslosenquote stieg von unter vier auf mehr als sechs Prozent. Wären die Fabriken in den USA besser ausgelastet, wäre ein Wachstum von bis zu 3,5 Prozent möglich, meinen Experten. Auch die Wirkung der erneuten Zinssenkung ist fraglich. Der Realzins, also der Zinssatz abzüglich der Inflationsrate, ist nun deutlich im negativen Bereich – Schuldner machen ein Geschäft, wenn sie sich Geld leihen. „Der Fed wollte eher deflationäre Tendenzen bekämpfen, als das Investitionsklima zu verbessern“, analysiert Stefan Schilbe, Chefökonom von HSBC Trinkaus & Burkhardt. Wegen der hohen Überkapazitäten in den US-Unternehmen sei dies ein richtiger Schritt. Gerald Müller von der Commerzbank erwartet dennoch ein Anziehen der Investitionen, auch der private Konsum werde dank preiswerterer Konsumentenkredite zulegen.

Für einen Aufschwung der weltgrößten Volkswirtschaft sprechen zudem die milliardenschweren Steuersenkungen von Präsident George W. Bush und der schwache Dollarkurs. Das könnte auch der deutschen Wirtschaft helfen: In den vergangenen Jahren bedeutete ein um ein Prozent höheres US-Bruttoinlandsprodukt ein zusätzliches Wachstum hier zu Lande von etwa 0,4 Prozent.

Anzeichen einer Stimmungsaufhellung in den deutschen Firmen hatte am Mittwoch der Geschäftsklima-Index des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung signalisiert. Er war im Juni zum zweiten Mal in Folge angestiegen – von 87,6 auf 88,8 Punkte für Westdeutschland. Einer Faustregel zufolge zeigt eine dreimalige Verbesserung eine Trendwende an. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Aussichten für die kommenden Monate schätzten die Firmen positiver ein. Der Indikator für Ostdeutschland kletterte ebenfalls. Das Ifo-Institut befragt jeden Monat 7000 Unternehmen, ihre Urteile gelten als Frühindikator. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn erwartet für die zweite Jahreshälfte eine Erholung, „die die Schwäche des ersten Halbjahres kompensiert“. Die Inlandsnachfrage scheine sich zu festigen, was vor allem das Verarbeitende Gewerbe und der Einzelhandel spürten.

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