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Stürmische Zeiten. Noch immer leidet Amerika an den Folgen der langen Schuldenexzesse. Das Land sucht sein Heil in billigem Geld – das ist schlecht für Deutschland. Foto: vario-images

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USA: Ein zerrissenes Land vor der Wahl

Wirtschaft und Bürger sind überschuldet, die Politik zerstritten – niemand ist in Sicht, der die USA aus der Krise führen könnte.

Apple strotzt vor Kraft. 160 000 iPhones und 47 000 iPads mit dem Apfel-Logo gehen derzeit über die Ladentische – Tag für Tag, auf der ganzen Welt. Jeden vierten Dollar, den der Boom in die Kassen spült, verbucht der Computerkonzern als Gewinn. „Wir sind überwältigt“, sagte Vorstandschef Steve Jobs voller Stolz angesichts des jüngsten Rekordquartals. Die Konkurrenz habe man „mit Leichtigkeit“ abgehängt, deren Produkte seien ohnehin „Totgeburten“.

Apple ist beinahe einzigartig. Genau das ist das Problem: Amerika hat nicht genug solcher Firmen, die sich eine große Klappe leisten können. Produkte aus den USA sind auf den Weltmärkten kaum konkurrenzfähig. Der Anteil des Exports am Bruttoinlandsprodukt ist auf zwölf Prozent gesunken – in Deutschland sind es 45 Prozent. Mit internationalen Erfolgen dürfte der Schwäche der Binnenwirtschaft vorerst kaum beizukommen sein. Doch genau das hat Präsident Barack Obama als Ziel ausgegeben – bis 2015 will er die Ausfuhren verdoppeln.

An Verheißungen über eine goldene Zukunft werden die Amerikaner wohl am allerwenigsten denken, wenn sie am kommenden Dienstag zur Kongresswahl gerufen werden. Dazu ist die Lage des Landes zu dürftig, die Bilanz von Barack Obamas nun zweijähriger Amtszeit bestenfalls überschaubar. „Die Leute sind frustriert“, räumte der Präsident kürzlich ungewohnt selbstkritisch im Fernsehen ein.

Noch immer hat die Krise das Land fest im Griff. Zwar ist die Rezession überstanden. Doch nach einem kurzen Zwischenhoch kommt das Wirtschaftswachstum kaum mehr von der Stelle. 2,0 Prozent waren es im dritten Quartal. Dabei sind allein drei Prozent nötig, um die Arbeitslosenzahl überhaupt stabil zu halten. Doch niemand weiß, woher die Dynamik kommen soll. Noch immer ist fast jeder zehnte Bürger ohne Job – das ist doppelt so viel wie zu Beginn der Krise. Und die Langzeitarbeitslosigkeit ist so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

Darum hat die Opposition Oberwasser. Zwar ist es normal, dass der Präsident zur Mitte seiner Amtszeit abgestraft wird. Doch wenn es am Dienstag ganz schlecht für ihn läuft, werden künftig beide Kammern des Kongresses, also Senat und Repräsentantenhaus, von einer republikanischen Mehrheit dominiert. Wichtige Gesetze kann Obama dann kaum noch durchbringen – es droht ein folgenreiches politisches Patt. „Ein Stillstand kommt in einer sich rapide wandelnden Welt einem Rückschritt gleich“, sagt Harm Bandholz, Ökonom bei der Unicredit in New York.

Die USA zahlen die Zeche dafür, dass sie jahrelang geprasst haben. Der Wert vieler Häuser ist um 25 bis 30 Prozent gefallen. Die legendären, auf Pump finanzierten Shoppingtouren, mit denen die Verbraucher die Wirtschaft früher in Schwung brachten, sind Geschichte. Angesichts von Jobkrise und Schulden müssen viele Bürger sparen, nur langsam kehrt die Zuversicht zurück. Den Firmen geht es nicht besser. Viele Maschinen, die sie im Rausch des billigen Geldes geordert haben, verstauben in den Fabriken. Ohnehin sind viele Industriejobs längst in China.

Der Staat steuert derweil auf den höchsten Schuldenstand seiner Geschichte zu. Ein Drittel des Haushalts ist auf Pump finanziert. Übernächstes Jahr wird die Verschuldung Amerikas höher sein als die Wirtschaftsleistung, nimmt der Internationale Währungsfonds an. Washington drohen griechische Verhältnisse.

Ein Schwächeanfall der weltgrößten Volkswirtschaft war in früheren Jahren stets auch für die exportlastige Bundesrepublik ein Problem. Allerdings haben sich die Deutschen in Asien erfolgreich andere Märkte gesucht. „Die Abhängigkeit Deutschlands von den USA geht seit Jahren zurück“, sagt der US-Ökonom Michael Burda, der an der Humboldt-Universität lehrt. 6,7 Prozent des deutschen Exports gingen 2009 in die USA. Schon ist China in seiner Bedeutung für Unternehmen wie BMW und Bosch nahezu ebenbürtig.

Der einzige Akteur, der in den Staaten noch handlungsfähig erscheint, bleibt die Notenbank. Bereits einen Tag nach der Wahl wollen Fed-Chef Ben Bernanke und die Seinen beschließen, erneut die Notenpresse anzuwerfen. Für mehrere hundert Milliarden Dollar wird die Zentralbank wohl Staatsanleihen kaufen, um die langfristigen Zinsen zu drücken und so die Kauflust der amerikanischen Verbraucher wie auch Investitionen anzuregen. Immer neues Geld in den Kreislauf zu pumpen ist zwar riskant. Doch die Angst der Fed vor einer neuerlichen Rezession oder gar Deflation ist offenbar größer als die Inflationssorgen.

Doch die Märkte mit Geld zu überschwemmen hat für den Rest der Welt delikate Folge: Der Dollar-Kurs verfällt weiter, das macht US-Waren auf dem Weltmarkt künstlich billiger. „Wenn der Dollar in den Sinkflug geht, bekommen auch die Deutschen ein Problem“, sagt Ökonom Burda. Zudem wächst mit der expansiven Geldpolitik die Gefahr einer neuen Spekulationsblase. Für die Amerikaner ist dies aber offenbar die einfachste Möglichkeit, sich ihrer Schulden zu entledigen. Allein auf Apple mögen sie sich offenbar nicht verlassen.

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