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Utsch AG: Deutsche Kennzeichen erobern den Irak

Die Utsch AG aus Siegen exportiert Nummernschilder in alle Welt – jetzt auch in den Irak.

In Dubai hat man ihn schon mal verhaftet. Manfred Utsch hatte einen Koffer voller Nummernschilder dabei, 1969 kam das den Ordnungshütern in dem kleinen arabischen Emirat höchst verdächtig vor. Dabei wollte der junge Unternehmer aus dem nordrhein-westfälischen Siegen den Scheichs am Golf nur sein Produkt vorstellen: Auto-Kennzeichen, made in Germany.

40 Jahre später ist die Utsch AG Weltmarktführer für Kfz-Kennzeichen. In Deutschland kommt fast jedes zweite Nummernschild aus dem Siegener Werk, das auf dem Gelände einer ehemaligen Erzgrube steht. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten 500 Mitarbeiter einen Umsatz von über 200 Millionen Euro. Durch Tochterunternehmen, Joint Ventures und Projektpartnerschaften mit Großkonzernen ist die Aktiengesellschaft in rund 120 Ländern aktiv.

Seit Anfang Juni empfängt ein neuer Großkunde rechteckige Schilder aus dem Siegerland: Das irakische Innenministerium hat eine Million Rohlinge geordert. Dazu die technische Ausrüstung für 20 neue Zulassungs- und Prägestellen in allen Regionen des kriegsversehrten Landes. Auch bei der Ausgabe der neuen, chipbasierten Führerscheinkarten soll die Utsch AG der irakischen Verkehrspolizei logistische Unterstützung leisten. Das Auftragsvolumen beziffert sich auf 8,5 Millionen Euro, Folgeaufträge seien wahrscheinlich.

„Die erste Maschine zur Kennzeichen-Herstellung haben wir schon 1969 nach Bagdad geliefert“, sagt Manfred Utsch, heute Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens, nicht ohne Stolz. „30 000 Mark hat das die Irakis damals gekostet.“ Das Geschäft war ein Ergebnis seiner ersten Verkaufstour durch den Nahen und Mittleren Osten. Außer in Dubai und im Irak war Utsch mit seinem Koffer voller Kennzeichen noch in Katar, Libanon, Kuwait und Saudi-Arabien unterwegs. Die einsetzende Motorisierung in diesen Ländern habe seinem Unternehmen in der Folgezeit in die Karten gespielt. Deutsche Unternehmer hätten schon damals einen ausgezeichneten Ruf in der Region genossen: „Wir galten immer als besonders vertrauenswürdig.“

Unter dem Regime von Saddam Hussein rissen die Geschäftsbeziehungen ins Zweistromland zunächst ab. Doch nach dem Sturz des Diktators erinnerten sich die neuen Machthaber an den Namen Utsch. Über einen irakischen Mittelsmann kamen Unternehmen und Innenministerium in Kontakt, Ende 2003 begannen die Verhandlungen. 2008 wurden die Verträge unter Dach und Fach gebracht, seit Ende Juni dieses Jahres werden Kennzeichen und Prägemaschinen nun geliefert. Politische Unterstützung beim Einfädeln des Deals – etwa von deutscher oder amerikanischer Seite – habe es zu keiner Zeit gegeben, sagt Wolfgang Bilger, technischer Vorstand der Utsch AG. Aufgrund der explosiven Sicherheitslage an Euphrat und Tigris seien die Utsch-Mitarbeiter mit den irakischen Behördenvertretern im benachbarten Jordanien zusammengekommen.

„Der Irak hat sehr hohe Ansprüche an die neuen Nummernschilder“, sagt Bilger. Der Grund sei jedoch nicht, das Terroristen sich mit gefälschten Kennzeichen tarnen könnten, vielmehr gehe es um Steuerausfälle: „In vielen Ländern sind 20 bis 25 Prozent der fahrenden Autos nicht ordnungsgemäß angemeldet, dadurch gehen den Staaten enorme Einnahmen verloren.“ Das wollten die irakischen Behörden vermeiden, daher würden die Schilder ab Werk mit Sicherheitsmerkmalen wie Hologrammen und Spezialschrauben versehen. Außerdem bekämen die Iraker fälschungssichere Aufkleber, die ähnlich wie europäische Mautplaketten von innen an die Windschutzscheiben der neu zugelassenen Fahrzeuge geklebt würden.

Auch wenn sich die Sicherheitslage im Irak in den letzten Monaten – abgesehen von der jüngsten Anschlagswelle Ende Juni – deutlich entspannt hat: Utsch will auch künftig keine Mitarbeiter in das Krisenland schicken. Stattdessen werden bald in Siegen irakische Beamte an den Prägemaschinen ausgebildet. Laut Bilger werden pro regionale Zulassungsstelle zwischen fünf und zehn Mitarbeiter benötigt. In Zukunft könnten das deutlich mehr werden, glaubt Seniorchef Manfred Utsch. „Der Irak ist ein reiches Land mit großen Ölvorkommen.“

Sollte der Frieden stabil bleiben, könnte der Wohlstand der Bevölkerung rasch wachsen. Der Wunsch nach Motorisierung dürfte größer werden. „Ich glaub’ nicht, dass die Million Rohlinge lange reicht“, prognostiziert Utsch. So oder so: In einen Koffer passen die Kennzeichen aus dem Siegerland schon lange nicht mehr.

Adrian Pickshaus

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