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Vatikanbank: Gottes zwielichtige Geldgeber

Die Vatikanbank IOR steht im Verdacht, in dubiose Geschäfte verwickelt zu sein

Rom - Eigentlich soll alles besser werden. So hat es der Vatikan in Brüssel versprochen. Bis Jahresende will der Kirchenstaat die EU-Vorschriften gegen Geldwäsche und Finanzbetrug übernehmen und damit nach Jahrzehnten der Geheimniskrämerei und der Skandale von der schwarzen Liste verdächtiger Staaten auf die weiße der Transparenz wechseln.

Doch zuvor hätten italienische Staatsanwälte gerne noch einige Fragen beantwortet – auch wenn sie sich, aller Erfahrung nach, bis heute keine Hoffnung machen, dass der Vatikan sie in der gewünschten Offenheit beantwortet.

Gleich zweifach stehen der Vatikan und seine Bank, das Institut für Religiöse Werke (IOR), im Visier der Ermittler. Ob und wie die beiden Fälle zusammenhängen, verrät die Staatsanwaltschaft bisher nicht. Es geht aber – nicht zum ersten Mal – um eine Menge Schwarzgeld.

Der erste Fall spielt in der Filiale 204 der Banca di Roma. Das ist ein italienisches Geldinstitut, die Filiale liegt auf italienischem Staatsgebiet, aber so nahe am Petersdom, dass das vatikanische IOR sie als ganz natürliche Verbindungsstelle zu seinen italienischen Kunden nutzt. Bis Ende 2007 – und das interessiert die Ermittler – lief dort neben dem normalen Geschäft ein Zahlungsverkehr mit anonymen Schecks, der durchaus einen Monatsumfang von mehreren Millionen Euro annehmen konnte. Anders als das italienische Geldwäschegesetz es vorschreibt, unterblieb eine Identifizierung der ausstellenden oder begünstigten Personen; ebenso wenig wurden die Schecks bei den Kontrollbehörden registriert.

Das Geldinstitut erwidert, es habe sich um einen internationalen Zahlungsverkehr zwischen Banken gehandelt, der nicht meldepflichtig sei; die Staatsanwaltschaft aber glaubt, verlässliche Indizien dafür zu haben, dass die Bank und ihre Durchreiche im diskreten, von äußeren Kontrollen verschonten Vatikan von gewissen Italienern benutzt worden ist, um zwielichtige Finanzgeschäfte zu verschleiern.

Offenbar war der Banca di Roma am Ende selbst nicht wohl dabei. Denn als sie Anfang 2008 in Italiens größter Bank, der Unicredit, aufging, stoppten die neuen Besitzer die eingeübte Scheckpraxis sofort und drängten, mit der Italienischen Nationalbank im Rücken, das IOR zu der Erklärung, dass man sich ab sofort gesetzeskonform verhalten werde.

Der zweite Fall gehört zu dem Skandal um die Vergabe öffentlicher Bauaufträge, der beim italienischen Zivilschutz seinen Ausgang genommen hat und zu dem täglich neue Facetten bekannt werden. Unter einer Decke steckten da den Ermittlern zufolge Angelo Balducci als Regierungskoordinator sämtlicher öffentlicher Aufträge in Italien sowie der Bauunternehmer Diego Anemone. Auch da waren viele schräge Schecks im Spiel; da wurden Politiker bestochen – einer, Industrieminister Claudio Scajola, ist wegen des verdächtig günstigen Erwerbs einer Luxuswohnung schon zurückgetreten.

Balducci hatte sich auch im Vatikan zwei strategisch günstige Posten verschafft. Zum einen war er seit 1995 „Ehrenmann Seiner Heiligkeit“, als solcher durfte er, ordenbehängt, Spalier stehen beim Besuch von Staatsgästen und galt als Respektsperson. Zum anderen diente er dem Vorstand der „Kongregation für die Evangelisierung der Völker“ als Berater in Immobilienangelegenheiten.

Dieses Vatikan-Ministerium gehört neben dem Kirchenstaat zu den größten Grundbesitzern Roms. Die Kongregation verfügt über und bewirtschaftet eigenständig eine Unzahl ertragreicher Wohn- und Geschäftshäuser im Stadtzentrum; geschätzter Wert: neun Milliarden Euro.

Da gibt es immer etwas zu verwalten, zu vermieten, zu verkaufen – überall redete Balducci mit. Da gibt es immer etwas zu restaurieren – und oft bekam Diego Anemone den Auftrag. Zielsicher, so die Ermittler, bedienten sie ihre Freunde (und solche, die es werden sollten) mit Schnäppchen. Der Vatikan zahlte nicht selten in klingender Münze, daher, so die Ermittler, verfügte der Bauunternehmer über jene großen Geldmengen, mit denen er die für ihn nötigen Leute bestach.

Balducci, womöglich eines der fehlenden Glieder zwischen Fall eins und Fall zwei, besitzt auch ein Konto bei der Vatikanbank IOR. Über dieses rettete er schon mal den Zeremonienmeister des Papstes, Francesco Camaldo, mit einem Privatkredit über 280 000 Euro aus einer peinlichen Immobilienschlappe. Wozu Balducci sonst sein geheimes, jeder Bankaufsicht unzugängliches Nummernkonto verwendete, wissen die Ermittler noch nicht. Sie befürchten, es aus dem Vatikan auch niemals zu erfahren.

In den berüchtigsten Zeiten des IOR, also bis in die neunziger Jahre hinein, arbeiteten Vatikanbank und italienische Unternehmer Hand in Hand, um Schwarzgeld ins Ausland zu schaffen und weißzuwaschen. Am Vatikan blieben davon einige Millionen Gewinn und ein schlechter Ruf hängen. Und seine früheren Versprechungen zur Transparenz hielt das IOR nur in dem Maße ein, wie es Kirchenleute vor der italienischen, also einer ausländischen Strafverfolgung bewahren konnte.

Balducci übrigens, seit Februar in Untersuchungshaft, ist als „Ehrenmann Seiner Heiligkeit“ inzwischen suspendiert: Er hatte einen afrikanischen Chorsänger am Petersdom dafür bezahlt, ihm junge Priesterseminaristen für gewisse abendliche, ganz private Spielchen zuzuführen.

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