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Kopfzerbrechen bereitet die Vatikanbank dem neuen Papst Franziskus.

© AFP

Vatikanbank: Unheilige Geschäfte

Im Geldwäsche-Skandal der Vatikanbank kommen neue Details ans Licht. Das Institut, dessen Führung vor wenigen Tagen zurücktreten musste, soll auch kirchennahe Privatiers bedient haben. Papst Franziskus will das Institut reformieren - und stößt dabei auf Widerstand.

Der Turm Nikolaus’ V., der aus dem Sixtus-Palast hervorragt – der offiziellen Residenz des Papstes –, ist Teil der alten Festung der Päpste. Hier hat die Vatikanbank, das „Institut für die religiösen Werke“ (IOR), ihren Hauptsitz. Die massiven Steinmauern wurden in dieser Woche von einem heftigen Beben erschüttert: Infolge der Geldwäsche-Ermittlungen mussten sowohl der Generaldirektor des IOR, Paolo Cipriani, als auch sein Stellvertreter, Massimo Tulli, ihre Schreibtische räumen. Wenige Tage zuvor war der ehemalige Rechnungsprüfer beim vatikanischen Vermögensverwalter APSA, Monsignor Nunzio Scarano, festgenommen worden. Er soll versucht haben, über mehrere Konten der vatikanischen Bank 20 Millionen Euro von der Schweiz nach Rom zu schmuggeln.

Am Samstag kamen nun neue Details in der Affäre ans Licht: Zeitungsberichten zufolge haben Ermittler die Darstellung der Bank widerlegt, wonach alle Kontoinhaber Ordensgemeinschaften sind oder dem Klerus angehören. „Es gibt auch Privatpersonen, die wegen ihrer speziellen Beziehungen zum Heiligen Stuhl Geld anlegen und Konten eröffnen können“, zitierte der „Corriere della Sera“ aus einem Ermittlungsdokument. Außerdem habe die Vatikanbank ihre Kunden den Erkenntnissen zufolge nicht ausreichend überprüft und Überweisungen großer Summen in fremdem Namen genehmigt, wodurch illegale Geschäfte erleichtert worden seien. Andere italienische Kreditinstitute wiederum müssten sich vorwerfen lassen, IOR-Überweisungen akzeptiert und an dritte Banken weitergeleitet zu haben, ohne die Herkunft des Geldes zu kontrollieren. „Das IOR kann ohne Weiteres zur Wäsche kriminell erworbenen Geldes dienen“, heißt es in dem Bericht. Das bestätigt auch Vatikanexperte Gianluigi Nuzzi, der das IOR als „eine Offshore-Bank im Herzen von Rom“ bezeichnet.

Doch die Entlassung der Führungsspitze der Bank soll schon vor Scaranos Festnahme geplant gewesen sein. Denn Papst Franziskus hatte bereits zu Beginn seines Pontifikats erklärt, er wolle das vatikanische Geldhaus reformieren. Die Bank, die seit langem im Verdacht steht, sich an illegaler Parteienfinanzierung, Geldwäsche und Korruption zu beteiligen, soll transparenter werden. Bereits im Mai berief Franziskus eine Sonderkommission ein, die die Bücher der Vatikanbank unter die Lupe nehmen soll. An der Spitze der neuen Kommission stehen drei IOR-Outsider: der Vatikan-Bibliothekar Raffaele Farina, der Jurist Kardinal Juan Ignacio Arrieta und der Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Jean-Louis Tauran. Sie sollen mit den Experten der US-Finanzberatungsfirma Promontory alle möglichen Geldwäsche-Fälle aus den vergangenen Jahren überprüfen. Bis Ende 2013 soll das IOR zudem eine eigene Website bekommen.

Das IOR, das eine geschätzte Bilanzsumme von fünf bis sechs Milliarden Euro sowie ein erhebliches Immobilienvermögen hat, war an mehreren Bankaffären Italiens beteiligt. Woher das Geld des Instituts kommt, ist ein striktes Geheimnis. Von jenen Bankern, denen Einblick in die Geschäfte gewährt wurde, kamen mehrere auf ungeklärte Weise zu Tode – unter ihnen der Bankangestellte Roberto Calvi im Jahr 1982 und der Jurist Michele Sindona vier Jahre später.

Im Urteil zum Prozess um Calvis Ermordung bestätigte 2010 das Berufungsgericht in Rom, dass die Cosa Nostra über mehrere Jahre illegal erworbenes Kapital über IOR-Konten gewaschen hatte. Im selben Jahr fing die Staatsanwaltschaft an, aufgrund eines Geldwäscheverdachts den Geldverkehr zwischen einem Dutzend italienischer Institute und dem Vatikan zu überprüfen. Einige Monate später wurden 23 Millionen Euro beschlagnahmt, die das IOR auf einem Konto einer italienischen Bank angelegt hatte. Generaldirektor Cipriani und der damalige Aufsichtsratspräsident Ettore Gotti Tedeschi wurden anschließend beschuldigt, gegen die europäischen Richtlinien gegen Geldwäsche verstoßen zu haben. Der damalige Papst Benedikt kündigte daraufhin an, das IOR werde seine Bücher der Bankenaufsicht der Europäischen Union offenlegen. Das Ziel: Das Institut solle wieder in die „White List“ der Finanzinstitute gelangen, die die internationalen Transparenz-Standards einhalten.

Doch das stieß auf starken Widerstand, wie der sogenannte Vatileaks-Skandal im Januar 2012 zeigte. Während der damalige Aufsichtsratspräsident des IOR, Gotti Tedeschi, mehr Transparenz forderte, versuchte Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, die Transparenzkampagne zu sabotieren. Der Streit führte wenige Monate später zur Entlassung Tedeschis. Die Spitze des Aufsichtsrats blieb dann zehn Monate lang unbesetzt. Ausgerechnet vier Tage nach Benedikts Rücktrittserklärung wurde ein neuer Präsident ernannt: der deutsche Ernest von Freyberg. Kritiker sagen, der deutsche Manager sei ein Mann Bertones. Der ausscheidende Staatssekretär habe durch dessen Ernennung versucht, die Kontrolle über das IOR zu behalten.

Der neue Papst scheint Bertones Manöver durchschaut zu haben. Bisher hat er den neuen Aufsichtsratpräsidenten noch nicht einmal offiziell empfangen – ein auffälliges Zeichen der Missbilligung. Hinter den Stadtmauern des Vatikans wird deshalb darüber spekuliert, dass von Freybergs Amtszeit nur noch wenige Monate dauern könnte. Denn im Herbst soll in der Kurie ein Stühlerücken stattfinden: Es wird erwartet, dass Bertone durch einen Vertrauten von Franziskus ersetzt wird. So steht das IOR nun erneut im Zentrum eines eskalierenden Machtkampfs im Vatikan.

Unklar ist, ob die Kurie die Reformbemühungen blockieren wird. „Wir beobachten gerade eine unerwartete Entwicklung. Bis vor wenigen Wochen stand die Kurie geschlossen hinter Bertone: Der Staatssekretär hatte freie Hand bei der Ernennung hochrangiger Beamter. Jetzt bricht aber langsam das ganze System unter der Stoßkraft des neuen Pontifikats zusammen“, sagt etwa der Vatikanexperte der italienischen Tageszeitung La Repubblica, Marco Ansaldo. Bis jetzt beobachtet die Kurie in ehrfürchtiger Stille diese Entwicklung. Für Ansaldo steht das Ergebnis derweil schon fest: „Die Anziehungskraft des neuen Papstes ist sehr stark. Wir werden bald sehen, dass immer mehr Kardinäle zu seiner Seite wechseln werden.“ mit AFP

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