zum Hauptinhalt
Machen Dampf. Die Kühltürme von Vattenfalls Braunkohlekraftwerk im süd-brandenburgischen Jänschwalde. Es ist mit insgesamt rund 3000 Megawatt Leistung der drittgrößte Stromerzeuger in Deutschland. Hier wird die Kohle verfeuert, die Vattenfalls deutsche Mitarbeiter in der Lausitz abbauen.

© dpa

Vattenfall: Ungewisse Zukunft für die Braunkohle

Nach der Ankündigung, sich aus den Braunkohlegeschäft zurückzuziehen, ist die Beunruhigung in Ostdeutschland groß. Vor allem in der Lausitz bangt die Bevölkerung

Für die schwedische Sektion von Greenpeace ist die Sache klar. Die deutschen Braunkohleaktivitäten des staatseigenen Energiekonzerns Vattenfall sind „Schwedens schlechteste Idee“. Mit einer Kampagne gleichen Namens versuchen die Umweltschützer seit Monaten, das Thema auf die politische Tagesordnung zu heben – mit mäßigem Erfolg.

Was Vattenfall in Deutschland macht, interessierte in Schweden kaum jemand

Um den großen Energiekonzern scherte sich in Schweden lange kaum jemand, schon gar nicht um dessen Deutschlandpläne. So lange der Goldesel Vattenfall Geld in die Staatskasse spülte, waren CO2-Emissionen und Nachhaltigkeit von sekundärer Bedeutung. Mit dem überteuerten Kauf des niederländischen Energieversorgers Nuon und den daraus resultierenden Milliardenverlusten änderte sich die Perspektive. Und als dann nach den Parlamentswahlen im Herbst erstmals in Schweden mit den Grünen eine Umweltpartei in der Regierung saß, ging es Schlag auf Schlag: Vattenfall, hieß es im rot-grünen Koalitionsvertrag, solle bei der Umstellung auf erneuerbare Energien führend sein. Daher – und das brachte alles ins Rollen – werde die geplante Ausweitung der Braunkohleförderung in Deutschland abgebrochen.

Die Zukunft der Gruben in der Lausitz ist ungewiss

Seitdem ist das Rätselraten groß, in Deutschland und in Schweden. Was geschieht mit den Gruben in der Lausitz? Werden sie ausgebaut oder verkauft? Wenn ja, wann und wie? Die schwedische Regierung will dazu nichts sagen. Der für Vattenfall zuständige Wirtschaftsminister Mikael Damberg von den Sozialdemokraten ließ verlauten: „Eventuelle Verkaufspläne soll der Konzern kommentieren, die Regierung tut das nicht.“ Es heißt oft, die aktuelle Regierungskrise erschwere die Lage; für den März sind in Schweden vorgezogene Neuwahlen angesetzt. Eine neue Eigentümerrichtlinie, lässt Damberg ausrichten, werde es bis dahin mit Sicherheit nicht geben. Allerdings glaubt Vattenfall-Chef Magnus Hall nicht, dass die Wahlen am Verkaufsplan etwas ändern. „Der Grundsatzbeschluss wurde bereits vor den letzten Wahlen gefällt. Und ich bin überzeugt: Auch wenn wir nach den Neuwahlen eine konservativ geführte Regierung in Schweden bekommen sollten, wird es bei diesem Beschluss bleiben“, sagte er Anfang der Woche in Berlin.

Vattenfall hat die Bundesregierung vor einem Gericht in Washington auf Schadenersatz verklagt

Auch Vattenfalls Schadensersatzklage vor einem Schiedsgericht in Washington geht weiter. Gestützt auf die Investitionsschutzregeln des Energiecharter-Vertrages (ETC) verklagte der Konzern 2012 die Bundesregierung auf 4,7 Milliarden Euro. Wegen der deutschen Energiewende habe man die Akw Krümmel und Brunsbüttel schließen müssen. Jonas Sjöstedt, Vorsitzender der oppositionellen Links-Partei, nannte diese Klage kürzlich „unangemessen“ und „problematisch für die deutsch-schwedischen Beziehungen“. Er forderte ihre Rücknahme. Doch davon will Minister Damberg nichts wissen. „Die Konzernleitung“, sagte er im Parlament, „handelt im Sinne der Eigentümer-Richtlinien“. Diese verlangen: Vattenfall soll Rendite einfahren und gleichzeitig die Umstellung auf erneuerbare Energien vorantreiben. Momentan gelingt dem Konzern weder das eine noch das andere.

Die schwedische Variante der Energiewende ist diffus. So will Rot-Grün zwar die Kernkraft stufenweise abwickeln, macht aber keine konkreten Vorgaben. Vattenfall betreibt sieben der zehn schwedischen Kernkraftreaktoren – drei im Akw Forsmark einhundert Kilometer nördlich von Stockholm, vier in Ringhals 50 Kilometer südlich von Göteborg. Drei liegen im småländischen Oskarshamn. Sie gehören Eon und Fortum.

Die Schweden decken in Strombedarf vor allem mit Wasserkraft

Ihren Strombedarf decken die Schweden fast zur Hälfte mit Wasserkraft, dicht gefolgt von der Atomenergie mit knapp 40 Prozent. Der Rohstoff Kohle hat in Schwedens Energieversorgung nie eine bedeutende Rolle gespielt, die CO2-Emissionen bei der Stromgewinnung sind dementsprechend gering und die deutschen Probleme mit der Braunkohle daher ein eher abstraktes Thema.

Und die Haltung der Schweden zur Kernkraft war schon immer pragmatisch. Bei einer Volksabstimmung im Jahr 1980 stimmte eine Mehrheit für den Ausstieg. Er sollte aber erst bis 2010 und „ohne Nachteile für Beschäftigung und Wohlstand“ geschehen, hieß es damals. 2009 verlängerte das Parlament unter der bürgerlichen Regierung Reinfeldt die Frist, erlaubte gar den Bau neuer Reaktoren – allerdings nur um alte zu ersetzen. Der Ausstieg wurde vertagt.

Bei der Endlagerung von Atommüll ist Schweden weltweit Vorreiter

Bei der Endlagerung von Atommüll ist Schweden weltweit sogar Vorreiter. Seit 2011 läuft bei den Behörden der Antrag auf die Genehmigung eines Endlagers in Forsmark. Bis zu 12 000 Tonnen radioaktiven Abfalls sollen dann, verschlossen in Kupferkapseln, in 500 Meter Tiefe gelagert werden. Mit einer Entscheidung ist ab 2016 zu rechnen. Forscher warnen vor der Korrosionsgefahr der Kapseln, in der betroffenen Gemeinde ist man gelassen: „Die Bewohner hier“, sagt der grüne Kommunalpolitiker Kenneth Gunnarsson, der gegen den Bau des Endlagers kämpft, „sind ihrer Industrie gegenüber loyal.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false