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Wirtschaft: Venezuela steht am Scheideweg

CARACAS .Vor den Präsidentschaftswahlen in Venezuela am heutigen Sonntag ist die wirtschaftliche Lage des Landes unsicherer denn je.

CARACAS .Vor den Präsidentschaftswahlen in Venezuela am heutigen Sonntag ist die wirtschaftliche Lage des Landes unsicherer denn je.Als großer Favorit bei den Wahlen um die Nachfolge von Staatspräsident Caldera geht Ex-Putschist Hugo Chavez ins Rennen.Gegen ihn hat sich das gesamte politische Establishment verbündet, das den früheren Provinzgouverneur Henrique Salas Römer unterstützt.Unter anderem herrscht große Unklarheit darüber, welches Wirtschaftsprogramm Chavez vorantreiben wird.Man spricht von einer Revision der Wachstumspolitik, Preis- und Gehaltskontrollen.

Venezuela leidet seit mehr als einem Jahr an einem schweren Konjunkturrückgang, der vor allem durch den Preissturz des Öls verursacht wurde.Das Ölgeschäft macht sage und schreibe 85 Prozent des Exports des Landes aus.Doch im Zuge der asiatischen Wirtschaftskrise fiel der Ölpreis in den vergangenen zwölf Monaten um 35 Prozent.Die sonst so starke Nachfrage der asiatischen Staaten nach Rohöl ging mehr und mehr zurück.Die Rezession war unvermeidlich.Die Regierung verfügte Einschnitte im Staatshaushalt, und die staatliche Ölgesellschaft "Petroleos de Venezuela" kündigte an, die geplanten Investitionen einzuschränken.

Die Arbeitslosenrate ist in Anbetracht dieser Situation auf inzwischen 12,8 Prozent gestiegen.Die Zinsrate liegt bei 40 Prozent jährlich, was den Konsum und weitere Investitionen bremst.Die neue Regierung muß die Zinsrate aber auch aus einem anderen Grund so schnell wie möglich senken, denn hohe Zinsen verteuern die Staatsschulden weiter.

Die Auslandsschulden sind das größte Problem der neuen Regierung.Von insgesamt 51 Mrd.DM (70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) müssen zehn Prozent innerhalb der nächsten zwölf Monate zurückgezahlt werden.Hugo Chavez spricht - was immer er damit meinen mag - von einer "Restrukturierung der Schulden".

Die offiziellen Vorhersagen für 1999 schließen eine Inflationsrate von 22 Prozent ein: Das wären erstmals in den 90er Jahren weniger als 30 Prozent jährlich.Die Wachstumsrate soll bei rund drei Prozent liegen, wenn der Ölpreis stabil bleibt.Doch die Wirtschaft wird sich langfristig nur dann erholen, wenn der Export nicht mehr ausschließlich von einem Produkt, dem Öl, abhängt.Und gewinnt an diesem Sonntag Hugo Chavez die Wahlen, scheint keine Vorhersage mehr sicher zu sein.

Der Autor ist Mitarbeiter der südamerikanischen Zeitschrift "Revista de Derecho del Mercosur".

MARTIN BURBRIDGE

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