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Wirtschaft: Verbände kritisieren Zuschuss Ost

Experten befürchten, dass die Hartz-Reform kaputtgemacht wird – Zustimmung vom DGB

Berlin Arbeitgeber und Arbeitsmarktexperten kritisieren die Pläne der Bundesregierung, in Ost-Regionen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit Lohnzuschüsse zu zahlen. Hilmar Schneider, Direktor für Arbeitsmarktpolitik am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), sagte dem Tagesspiegel: „Es ist zwar gut, öffentliche Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten, aber wenn der Lohn die normalen Transferleistungen übersteigt, dann macht man die Arbeitsmarktreform ein Stück weit kaputt.“ Der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßte die Pläne der Bundesregierung dagegen.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte mit den Ministerpräsidenten der Ostländer am Montagabend Details der Arbeitsmarktpläne der Regierung geklärt. Am Freitag hatten die Ostländer im Bundesrat noch geschlossen gegen die Hartz-IV-Reformen gestimmt. Clement stimmte sie mit der Ankündigung um, Lohnzuschüsse verstärkt auf die Regionen mit mehr als 15 Prozent Arbeitslosigkeit umzuleiten. 32 der 33 Arbeitsagenturbezirke mit mehr als 15 Prozent Arbeitslosigkeit sind in Ostdeutschland. Im Westen liegt nur Gelsenkirchen mit 16,1 Prozent darüber.

Die geplanten Zuschüsse sind keine neuen Gelder, sondern bereits in dem Topf von 6,35 Milliarden Euro enthalten, die schon für Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen vorgesehen sind. Zusätzliche Mittel will die Bundesregierung dafür nicht zur Verfügung stellen. „Es geht darum, die Verteilung zu justieren. Mehrkosten entstehen dadurch nicht“, sagte die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums, Andrea Weinert. Auch ein Sprecher des Finanzministerium sagte: „Wir gehen nicht davon aus, dass es zu Mehrausgaben kommt.“

Hätte man die Einzelheiten des Gesetzes schon vorher gekannt, „dann wäre das Abstimmungsverhalten im Bundesrat völlig anders verlaufen“, räumte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) nach dem Treffen ein. Natürlich könne es bei dieser schwierigen Arbeitsmarktsituation „ein Nonplusultra nicht geben“. Aber es sei abgesprochen worden, im Gespräch zu bleiben und die Umsetzung gemeinsam zu organisieren. „Dieses Gesetz gilt – auch für die Länder, die nicht zugestimmt haben. Wir sind es den betroffenen Menschen schuldig, es jetzt so gut wie möglich, so reibungslos wie möglich umzusetzen“, sagte Böhmer dem Tagesspiegel.

Arbeitsmarktexperte Schneider sagte, die Idee von Hartz IV sei es gewesen, Transferleistungen unattraktiver zu machen, so dass Arbeitslose einen stärkeren Anreiz hätten, sich einen Job am ersten Arbeitsmarkt zu suchen. „Wenn aber im Osten die Bezahlung in einer Beschäftigungsmaßnahme besser ist als im Transferbezug, wird die Neigung von Langzeitarbeitslosen, sich einen neuen Arbeitsplatz zu suchen, deutlich sinken“, befürchtet Schneider.

Auch die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) hält die Zusage für problematisch. „Wir sind sehr skeptisch gegenüber öffentlicher Beschäftigungsförderung auch bei gemeinnütziger Tätigkeit“, sagt BDA-Arbeitsmarktexperte Jürgen Wuttke dieser Zeitung. „Es besteht immer die Gefahr, dass private Arbeitgeber verdrängt werden.“ Es dürfe daher nicht der Fehler gemacht werden, Langzeitarbeitslose im Osten nach dem Gießkannenprinzip pauschal Lohnkostenzuschüsse zu gewähren. „Das wäre kontraproduktiv.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte dagegen die Pläne der Bundesregierung. Allerdings bezweifelte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer, ob mit den von der Regierung zugesagten Mitteln von 6,35 Milliarden Euro eine Senkung der Arbeitslosigkeit erreicht werden kann. Parallel müsse die Arbeitsvermittlung gestärkt werden, forderte sie. Die geplanten Lohnsubventionen sollen langzeitarbeitlose Ingenieure, Lehrer und Bauarbeiter wieder in eine Beschäftigung zurückbringen. Wenn sie eine gemeinnützige Tätigkeit annehmen, erhalten sie zusätzlich zum künftigen Arbeitslosengeld II eine „Mehraufwandsentschädigung“ von bis zu zwei Euro in der Stunde.

Sozialverbände und Gewerkschaft befürchten heftige Konkurrenz. Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche, das viele Kindertagesstätten betreibt, warnte vor unqualifizierten Beschäftigten. „Die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern erfordert neben der persönlichen Eignung fachliche Qualifikationen“, sagte die zuständige Referentin Doris Beneke. „Das könnte gefährdet sein, wenn im Osten vermehrt Langzeitarbeitslose eingesetzt werden.“ avi/has/pet

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