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Verbindungen: Ein Bund fürs Leben

In Studentenverbindungen ist Tradition gefragt: Ein Blick hinter die Kulissen.

Ein großzügiges Wohnhaus in der Düsseldorfer Chlodwigstraße ist Mittelpunkt des Verbindungslebens für die Mitglieder der Burgundia-Leipzig. In den oberen Stockwerken wohnen einige der Mitglieder in schlichten Einzelzimmern, im Erdgeschoss und im Keller sind die Gemeinschaftsräume. Die Uniformen werden im „Chargenzimmer“ aufbewahrt, im Veranstaltungssaal und an den beiden Theken treffen sich die Burgunden zu offiziellen Anlässen oder zum Altbier nach Feierabend. Überall sind die Farben der 130 Jahre alten Korporation zu sehen, viele Wände des schlichten Baus sind mit Fotos geschmückt.

Jonas Holtkemper eilt über den Flur, vorbei an Fernsehraum und den Wandbemalungen in altertümlicher Schrift. Er klopft an die Zimmertür von Thomas Bogs: „Du ziehst gleich den Wix fürs Foto an“, ruft Holtkemper. Minuten später taucht Thomas Bogs im Erdgeschoss des Hauses auf. Der „Vollwix“ schindet Eindruck: Eine Schärpe spannt sich über die schnieke Jacke, die weiße Hose steckt in Gamaschen, dazu trägt der Student einen orange leuchtenden Hut.

Holtkemper und Bogs sind bei der Studentenverbindung Burgundia-Leipzig zu Düsseldorf. Der eine als Vorsitzender („Senior“), der andere als „Fux“, also im ersten Mitgliedsjahr. Die Hierarchie ist klar: Füxe rackern bei Veranstaltungen, lernen die Eigenheiten des Verbindungslebens kennen und müssen sich am Ende ihrer zweisemestrigen „Probezeit“ in der Burschenprüfung beweisen. Bis zu fünf Stunden werden sie etwa zur Geschichte der Uni und der Verbindung befragt.

Der Medizinstudent Holtkemper kam wie viele Neulinge wegen des günstigen Zimmers zur Burgundia. Das Angebot ist verlockend: 15 Quadratmeter kosten hier 150 Euro warm, karge Möblierung inklusive. Ein Jahr können die Interessenten auf dem Haus Verbindungsluft schnuppern. Dann müssen sie sich entscheiden: Entweder sie ziehen wieder aus – oder sie treten ein. So haben sie Zeit genug, um sich mit den gängigen Vorurteilen gegenüber den rund 200 000 Studenten in Verbindungen und Burschenschaften auseinander zu setzen: Über sinnfreie Trinkgelage, unfaire Klüngelei und rechtsradikale Tendenzen schimpfen die Kritiker.

Dabei gibt es große Unterschiede: Der Buchautor Dietrich Heither untersucht seit 20 Jahren die Verbindungsszene und hat ein Spektrum „vom gemäßigten Konservativismus bis hin zum rechten Rand“ ausgemacht. „Gerade unter dem Dachverband Deutsche Burschenschaft finden sich Ansätze braunen Gedankenguts.“ Doch die Burgunden, Mitglied im katholischen Cartellverband, gehen, wie viele andere Verbindungen, auf Distanz: „Leute mit solchen Ansichten werden bei uns nicht geduldet“, sagt Holtkemper. Die Düsseldorfer geben sich offen, um den gängigen Klischees zu begegnen: An vielen Veranstaltungen können Gäste teilnehmen. Stolz sind die Burgunden auf ihre lange Tradition: Vor genau 130 Jahren in Leipzig gegründet, unter dem Druck der Nazis aufgelöst und nach dem Krieg in Düsseldorf zu neuem Leben erweckt. Von den alten Zeiten zeugen Ahnenfotos und historischen Fahnen am Kopfende des Saals. Die Traditionen sind es, die viele Mitglieder faszinieren. „Verbindungen, die Wert auf Formen und Ablauf legen, haben keine Nachwuchssorgen“, sagt Holtkemper. Bei den Burgunden, durchlaufen gerade sechs Neulinge ihr Fuxenjahr. Vielen gefallen die festliche Atmosphäre und die enge Gemeinschaft.

Grundstein der gegenseitigen Verpflichtungen ist das Lebensbundprinzip, dem sich jedes Mitglied verschreibt. Ein Austritt ist in den Statuten nicht vorgesehen. Zum Ende des Studiums wechseln die Mitglieder zu den „Alten Herren“. Mit ihren Mitgliedsbeiträgen und Kontakten, helfen sie den Studenten, etwa bei der Praktikumssuche und dem Berufseinstieg. „Wer aber allein wegen des Vitamin B in eine Verbindung eintritt, erleidet sehr schnell Schiffbruch“, so Holtkemper. Die Veranstaltungen, die Vorbereitungen kosten viel Zeit, von jedem Mitglied wird volles Engagement erwartet.

Inzwischen scharen sich ein Dutzend Mitglieder um die Theke im Saal. Ein Festessen ist angesetzt. Ein Fux will sich beweisen. Die Tafel ist geschmückt. Es riecht nach Hähnchenkeulen. „Essen ist fertig“, meldet der Gastgeber. Den Vollwix legt Bogs aber ab: Heute reicht das schmale Couleurband in den Farben der Verbindung.

Daniel Borchardt

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