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Wirtschaft: Verbraucher verpassen die Agrarwende

Marktanteil von Bioprodukten stagniert, Discounter profitieren

Berlin (fw). Trotz der Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre achten die deutschen Verbraucher beim Kauf ihrer Lebensmittel vor allem auf den Preis. Über die Hälfte von 2002 verkauftem Käse, Joghurt, Milch, Gemüse und Obstkonserven sowie Speiseöl und Quark gingen bei Aldi, Lidl und anderen Discountern über die Ladentheke. Das teilte die Centrale Marketinggesellschaft der Deutschen Agrarwirtschaft (CMA) am Dienstag in Berlin zum Auftakt der Grünen Woche mit. „Die Qualitätsdebatte ist seit der Euro-Einführung bei vielen Produkten in den Hintergrund gerückt“, stellte die CMA fest. Beim Fleisch gehen die meisten jedoch noch immer am liebsten zum Metzger.

Der Anteil von Bioprodukten am deutschen Lebensmittelumsatz stagniert: laut der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ZMP) betrug der Anteil 2001 2,1 Prozent, im Jahr 2002 habe er „etwas darüber“ gelegen.

Vor zwei Jahren hatte Verbraucherministerin Renate Künast die „Agrarwende“ eingeleitet. Unter anderem gab sie das Ziel aus, bis 2010 einen Anteil von 20 Prozent ökologisch bewirtschafteter Fläche zu erreichen. „Die Verbraucher sollten verantwortungsbewusster einkaufen“, sagt Sabine Kolloge, Sprecherin im Verbraucherministerium.

Der Trend zum billigen Lebensmitteleinkauf beunruhige die Agrarministerin – sie setze jedoch darauf, die Verbraucher darüber aufzuklären, warum Qualität mehr koste. Laut einer vom Bund der ökologischen Lebensmittelwirtschaft in Auftrag gegebenen Emnid-Umfrage sind 70 Prozent der deutschen Verbraucher an Bioware „interessiert“ – die wenigsten kaufen sie jedoch.

Experten bezweifeln, dass die Masse der Verbraucher mehr für Bioprodukte zu zahlen bereit ist. „Sowohl Preis als auch Leistung sind dem Verbraucher wichtig – allerdings reicht ihm die Leistung, die er bei den Discountern bekommt, aus“, sagt Wolfgang Twardawa, Marketingleiter bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Zudem hätten die Verbraucher noch kein Vertrauen zu den Bio-Siegeln.

Das Qualitätssiegel der deutschen Agrarwirtschaft, „Q&S“, wertete der CMA-Aufsichtsratsvorsitzende Wendelin Ruf als Erfolg. Das Siegel soll gewährleisten, dass jeder Beteiligte in der Nahrungsmittelkette kontrolliert wird und Verantwortung übernimmt. Allerdings räumte Ruf ein, dass „kein noch so ausgeklügeltes System in der Lage ist, Fehler in der Erzeugung zu hundert Prozent zu vermeiden“. Dem System zur Qualitätssicherung hätten sich bis Ende 2002 rund 80 Prozent der Futterbetriebe sowie 80 Prozent der Fleisch verarbeitenden Industrie angeschlossen.

Der Konsum von Rindfleisch zog im vergangenen Jahr trotz der Futtermittelskandale nach dem Einbruch von 2001 zwar wieder leicht an, blieb mit geschätzten 8,7 Kilogramm pro Kopf aber auf niedrigem Niveau, teilte CMA-Geschäftsführer Jörn Dwehus mit. Deutlich beliebter war dagegen Geflügelfleisch. Insgesamt verzehrte jeder Bundesbürger rund 10,6 Kilo Huhn. Den meisten Appetit hatten die Deutschen aber nach wie vor auf Schwein: Jeder Bürger verzehrte 37,8 Kilogramm.

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