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Wirtschaft: Verdi droht mit Streik

Scharfe Auseinandersetzung um längere Arbeitszeiten – Gewerkschaften attackieren Freistaat Bayern und Siemens

Berlin (den/fo). Der Streit zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften um eine Verlängerung der Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich wurde am Freitag verschärft geführt. VerdiChef Frank Bsirske drohte mit Streik und massiven Protesten im Mai. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte dagegen, er könne von den Bürgern keine Einschnitte verlangen, wenn der Staat selbst nicht genügend spare. In die Auseinandersetzung zwischen Siemens und der IG Metall schaltete sich jetzt auch die Gewerkschaftsspitze in Frankfurt ein.

„Die generelle Verlängerung der Arbeitszeit mit oder ohne Lohnausgleich werden wir selbstverständlich nicht mitmachen“, sagte der stellvertretende IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber. Er begrüße aber die Aussage von Siemens-Chef Heinrich von Pierer, wonach sich der Konzern an die geltenden Tarifverträge halten werde. Bei Siemens sind derzeit 5000 Arbeitsplätze durch Verlagerung ins Ausland gefährdet. Die Metall-Gewerkschaft spricht sogar von 10 000 gefährdeten Stellen. DGB-Chef Michael Sommer kritisierte die Verknüpfung des Erhalts von Arbeitsplätzen im Inland mit der Bedingung, weiteren Einsparungen zuzustimmen. „Ich kann Herrn von Pierer nur warnen, diese Art von Kraftprobe zu suchen. Das nennt man gemeinhin Erpressung.“ Die Gewerkschaften würden hier nicht nachgeben. Mit einer solche „Herr-im-Haus-Mentalität“ würden alle Chancen der Wissensgesellschaft verspielt.

Auch im öffentlichen Dienst verschärften sich die Fronten. Der Freistaat Bayern hatte als erstes Bundesland angekündigt, Angestellte und Arbeiter mit neuen Verträgen länger arbeiten zu lassen. Zuvor hatte die Tarifgemeinschaft der Länder den geltenden Tarifvertrag gekündigt. Die Länder wollen neu eingestellte Angestellte und Arbeiter künftig ebenso lange arbeiten lassen wie Beamte, also zwischen 40 und 42 Stunden. Für den öffentlichen Dienst im Westen gilt derzeit die 38,5-Stunden-Woche.

Verdi-Chef Bsirske kündigte deshalb den öffentlichen Arbeitgebern einen „Konflikt in bisher nicht bekanntem Ausmaß“ an, falls die Bundesländer weiterhin die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst ausweiten wollten. In einem solchen Fall drohe der Verlust von 100000 Arbeitsplätzen. „Ein falscheres Signal an die Volkswirtschaft kann man nicht senden“, kritisierte der Gewerkschaftschef. Durch solche Ankündigungen werde die schwache Nachfrage in Deutschland zusätzlich geschwächt.

Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst rief Bsirske dazu auf, sich auf die Auseinandersetzung vorzubereiten. Und er warnte die Länder. „Über die Dimension des Konfliktes sollten sich die Arbeitgeber keine Illusionen machen“, sagte der Verdi-Chef. Das Bundesinnenministerium zeigte sich unterdessen erstaunt darüber, „dass Verdi über Intentionen, die sich auf Beamte beziehen, einen Streik herbeiführen“ wolle. „Noch gehört es zu den Grundregeln hier zu Lande, dass Beamte nicht streiken“, sagt Ministeriumssprecher Rainer Lingenthal.

Die Bundestarifkommission der Dienstleistungsgewerkschaft forderte die Länder zudem auf, die Arbeitszeitregeln für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst wieder einzusetzen. Sollte dies nicht bis Ende April geschehen, werde Verdi das Scheitern der Verhandlungen erklären, hieß es in einer Resolution vom Freitag.

Auf einer Veranstaltung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung warf DGB-Chef Michael Sommer den Arbeitgebern „Rambo-Manieren“ vor. „Ich habe den Eindruck, manche Arbeitgeber wünschen sich zurück in die Zeit von Herren und Knechten“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) vor Gewerkschaftern in Berlin. Im Unternehmerlager gebe es eine deutliche Radikalisierung. „Die Arbeitgeber müssen wissen, dass die Gewerkschaften zusammenstehen“, sagte der DGB-Chef und kündigte mit Blick auf die Proteste am Samstag an: „Wir werden richtig Druck machen, nicht nur in Sachen Arbeitszeitverlängerung.“

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