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Wirtschaft: Verdi stemmt sich gegen längere Arbeitszeit

Bsirske warnt in Debatte um Mehrarbeit im öffentlichen Dienst vor „Dammbruch“/Hundt verteidigt Reform der Mitbestimmung

Berlin - Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi will längere Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst verhindern. „Wenn wir das nicht abwehren, geraten alle Dämme unter Druck“, sagte VerdiChef Frank Bsirske am Montag in Berlin. Die Kommunalen Arbeitgeberverbände hatten vergangene Woche angekündigt, bei den im Januar anstehenden Tarifverhandlungen eine längere Wochenarbeitszeit durchsetzen zu wollen.

In einigen Bundesländern begann Verdi am Montag mit Protestaktionen gegen die Arbeitszeitverlängerung bei Landesbediensteten. Die tarifliche Lage im öffentlichen Dienst ist verworren, nachdem die Bundesländer im Frühjahr die Tarifgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen verlassen haben. Einige Bundesländer versuchen nun, ihre Bediensteten länger arbeiten zu lassen. Bayern und Hessen haben beispielsweise per Gesetz die Arbeitszeit ihrer Landesbeamten auf 42 Stunden erhöht und wollen nun die Arbeitszeit der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst dem anpassen. Insgesamt beschäftigen die Bundesländer rund 800000 Arbeiter und Angestellte, in den Kommunen sind es mehr als zwei Millionen, im Bund rund 80000.

Der Verdi-Vorsitzende Bsirske kommentierte am Montag im Rahmen einer Arbeitszeitkonferenz seiner Gewerkschaft die aktuelle Debatte mit scharfen Worten. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) warf er vor, „Unsinn“ zu reden. Clement hatte argumentiert, wenn mehr gearbeitet werde, schaffe das zusätzliche Arbeitsplätze. „Was da herausgeblasen wird ist zum Teil abenteuerlich“, sagte Bsirske dazu. „Mehr Arbeit schafft Arbeit weg.“ So habe die Verlängerung der Arbeitszeit der hessischen Beamten 7500 Stellen gekostet. Ebenso äußerte sich der DGB-Vorsitzende Michael Sommer. „Längere Arbeitszeiten erhöhen die Zahl der Arbeitslosen“, sagte Sommer dem Handelsblatt. Er räumte ein, die Gewerkschaften seien „nach drei Jahren Stagnation in einer schwierigen Situation“. Für die Verkürzung der Arbeitszeit hätten die Arbeitnehmer im Übrigen einen hohen Preis bezahlt, weil „Produktivitätsfortschritte nicht in erster Linie für höhere Löhne, sondern für kürzere Arbeitszeiten genutzt wurden“, sagte der DGB-Chef. Ohne diese Politik „hätten die riesigen Produktivitätssprünge zu noch weit mehr Arbeitslosen geführt“.

Das Argument der Arbeitgeber, über mehr Arbeit die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, ist Bsirske zufolge vorgeschoben. „Die Wettbewerbsfreiheit des Exportweltmeisters Deutschland ist insgesamt exzellent.“ Die deutsche Gesellschaft leide unter Massenarbeitslosigkeit, „weil die Binnenkonjunktur lahmt, weil Realeinkommen sinken und weil die öffentlichen Haushalte bei ihren Investitionen schwächeln“. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt bekräftigte dagegen am Montag die Forderung nach längeren Arbeitszeiten. In welcher Form, müsse jeder Betrieb für sich entscheiden, sagte Hundt in Berlin anlässlich des Arbeitgebertages der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. Hundt verteidigte die Vorschläge der Arbeitgeber zur Reform der Unternehmensmitbestimmung. Dabei „geht es in keiner Weise um die Abschaffung der Mitbestimmung, sondern um die Anpassung an Europa“. Allerdings könne die deutsche Mitbestimmung von 1976, die einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat vorschreibt, „nicht der Maßstab sein“, da sie „einzigartig auf der Welt“ sei. Der „allein ausschlaggebende Grund“ zur Reform der deutschen Mitbestimmung sei die internationale Entwicklung, insbesondere die rechtliche Situation in der EU. Dagegen verteidigt Bundeskanzler Gerhard Schröder die Mitbestimmung. Gerade in Zeiten, in denen den Arbeitnehmern viel abverlangt werde, sei die Mitbestimmung „unverzichtbarer und wertvoller denn je“, zitiert das Handelsblatt aus dem Manuskript einer Rede, die Schröder heute auf dem Arbeitgebertag halten will.

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