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Wirtschaft: Verdi warnt vor Regierungswechsel

Gewerkschafts-Chef Bsirske befürchtet „elementare“ Angriffe von Union und FDP auf Rechte der Arbeitnehmer

Berlin (ce/dpa). Knapp vier Wochen vor den Bundestagswahlen mischt sich die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit einer eigenen Kampagne in den Wahlkampf ein. „Mit einer schwarz-gelben Mehrheit würde es schwerer werden, die Interessen der Arbeitnehmer wahrzunehmen“, warnte Verdi-Chef Frank Bsirske am Montag. Die Gewerkschaft wolle die Arbeitnehmer „für die eklatanten Unterschiede zwischen den politischen Gruppierungen sensibilisieren“. Eine konkrete Wahlempfehlung für die rot-grüne Bundesregierung wollte Bsirske nicht aussprechen. Er ließ aber keinen Zweifel daran, dass die Union einen „wirren Zickzackkurs“ fahre, der „in deutlichem Widerspruch“ zu den Interessen der Arbeitnehmer stehe.

Heftige Kritik übte Bsirske an den von Union und FDP geplanten Änderungen im Tarifvertragsrecht, die er als „elementaren Angriff“ wertete. „Union und FDP wollen das Ende des Flächentarifvertrages“ heißt es auch plakativ in einer der Broschüren, mit denen Verdi zur Wahl mobilisieren möchte. Damit spielt die Gewerkschaft unter anderem auf einen Gesetzantrag der FDP an, der auch von der Union unterstützt wurde. Die Liberalen hatten auf betrieblicher Ebene Öffnungsklauseln für Tarifverträge gefordert, die ermöglichen, dass Arbeitnehmer etwa auf Lohn verzichten, wenn sie dafür ihren Arbeitsplatz behalten. „Das ist der fundamentalste Angriff auf das Tarifvertragssystem seit 50 Jahren“, sagte Bsirske. Die von der Union im Wahlprogramm geforderte Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau kritisierte Bsirske als „Kampfansage“. Auch in der Gesundheitspolitik sieht der Verdi-Chef Deutschland vor einer „Richtungsentscheidung“. Union und FDP wollten mit der Einführung von Grund- und Wahlleistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung einen „Pfeiler der sozialen Sicherung“ antasten.

Deutliche Kritik übte Bsirske aber auch an der Politik der rot-grünen Bundesregierung. „Wir haben seit Monaten keinen Hehl daraus gemacht, dass wir mit der Steuerpolitik nicht zufrieden sind“, sagte Bsirske. Auch am Hartz-Konzept zur Reform der Arbeitsverwaltung gebe es noch einiges nachzuarbeiten. Die Bezahlung von Arbeitslosen in den geplanten Leiharbeitsfirmen der Arbeitsämter – den so genannten Personal Service Agenturen (PSA) – müsse schon in der Probezeit oberhalb des Arbeitslosengeldes liegen, forderte Bsirske. Die Hartz-Kommission hatte einen Einstiegslohn in Höhe des Arbeitslosengeldes empfohlen. Private Zeitarbeitsfirmen und Gewerkschaftsvertreter von Verdi und der IG Metall haben in der vergangenen Woche mit ersten Sondierungsgesprächen für Tarifverträge begonnen. Für die Entleihphase in einem Betrieb fordern die Gewerkschaften eine Entlohnung nach dem Tarif des Entleihbetriebs. Nach Vorstellungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sollen rechtliche Vereinfachungen in der Zeitarbeit daran geknüpft werden, dass sich Betriebe an Tarifverträge halten. Die Kosten für die Personal Service Agenturen sollen nach Bsirskes Vorstellungen teilweise durch die Verleihgebühren finanziert werden, zum Teil über den Bundeszuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit. Im nächsten Jahr ist dieser mit Null Euro im Haushalt eingeplant.

Verdi-Vorstandsmitglied Isolde Kunkel-Weber forderte am Montag in Nürnberg den Vorsitzenden der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Florian Gerster, auf, die Leiharbeit nicht vorwiegend durch private Zeitarbeitsunternehmen verrichten zu lassen. „Die Beschäftigten fürchten, dass dies der Anfang vom Ende der öffentlichen Vermittlung ist“, sagte Kunkel-Weber nach einer Sitzung von rund 200 Personalräten der BA.

Wenn es nicht gelinge, die Beschäftigten vom Sinn der Veränderungen zu überzeugen, würden die Konzepte scheitern, sagte die Gewerkschaftsvertreterin, die auch Mitglied der Hartz-Kommission war. Bei den 90 000 Beschäftigten der Arbeitsämter herrschten Unsicherheit und Verärgerung. Gerster habe den Vertrauensverlust selbst produziert, als er bei seiner Berufung ankündigte, die Beschäftigtenzahl der Arbeitsverwaltung zu halbieren. In der vergangenen Woche hatte BA-Chef Gerster an die Mitarbeiter appelliert, die „Phase der Irritationen hinter uns zu lassen“. Hauptpersonalrat-Chef Eberhard Einsiedler nannte die Zusammenarbeit mit Gerster „äußerst verbesserungswürdig“. Er beklagte, der Personalrat werde über die Konzepte zum Umbau unzureichend informiert. „Ich kann dem Vorstand nur raten, uns mit an Bord zu nehmen“, sagte Einsiedler. Gerster könne die Reformen nicht alleine schaffen.

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