zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Verdi weitet Streik aus – Arbeitgeber gelassen

22 000 Streikende im öffentlichen Dienst / Müllabfuhren und Kindergärten waren am stärksten betroffen

Berlin - Zu Beginn der zweiten Streikwoche hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi den Arbeitskampf im öffentlichen Dienst ausgeweitet. Nach Angaben von Verdi beteiligten sich am Montag rund 22 000 Gewerkschaftsmitglieder an dem Streik, das waren gut doppelt so viele wie in der vergangenen Woche. Die Beteiligung fiel allerdings geringer aus als geplant. Die Verdi-Spitze hatte ursprünglich mit bis zu 40 000 Streikenden gerechnet, jeweils zur Hälfte in kommunalen Betrieben und im Verantwortungsbereich der Bundesländer.

Obwohl inzwischen fast alle Bundesländer in den Arbeitskampf einbezogen sind, lag der Schwerpunkt weiterhin in Baden-Württemberg. Dort beteiligten sich den Angaben zufolge 12 000 Beschäftigte am Ausstand. Am stärksten betroffen waren Müllabfuhren, Kindergärten und bundesweit 14 Unikliniken.

Die Arbeitgeber zeigten sich am Montag kaum beeindruckt. „Von einer Ausweitung des Streiks haben wir nichts gemerkt“, sagte Hermann Gebert, Chef der kommunalen Arbeitgeber in Baden-Württemberg, auf Anfrage. Ähnlich äußerte sich Ulrich Konstantin Rieger, Hauptgeschäftsführer der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL). „Die Woche gehen wir ganz gelassen an.“ In der vergangenen Woche habe er im Übrigen bemerkt, dass „die Streikbereitschaft stark nachlässt“. Bei Verdi hieß es am Montag, in den nächsten Tagen würden zusätzliche Gewerkschaftsmitglieder in den Streik treten. Berlin ist davon nicht betroffen. Verdi will mit dem Arbeitskampf die Erhöhung der Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Wochenstunden verhindern und gleichzeitig die Bundesländer wieder zurück in den Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst bewegen, der gegenwärtig nur von den Kommunen und vom Bund angewendet wird. Für kommenden Montag ist ein Verhandlungstermin mit der TdL-Spitze unter Führung des niedersächsischen Finanzministers Hartmut Möllring und der Verdi-Spitze mit dem Vorsitzenden Frank Bsirske angesetzt. Auf der kommunalen Ebene gibt es noch keinen Termin. Bei den baden-württembergischen Arbeitgebern hieß es, man habe „Signale“ von Verdi, die auf Gesprächsbereitschaft hindeuteten. Baden-Württemberg ist am stärksten vom Streik betroffen, weil dort das Land, aber auch die Kommunen sehr energisch eine Verlängerung der Arbeitszeit anstreben. Und weil dort zum anderen am 26. März gewählt wird, Verdi also auf ein Einlenken der öffentlichen Arbeitgeber hofft, weil die Angst vor dem Unmut der Wählerinnen und Wähler haben.

Hermann Gebert von den Stuttgarter Arbeitgebern befürchtet eine „dramatische“ Situation, wenn nun in der zweiten Woche der Müll liegen bleibt. Gleichzeitig verweist er aber auf das Freiburger Modell, wo Freiwillige und andere Unternehmen den Abfall abtransportiert hätten. Ähnlich funktioniere es in Karlsruhe. Alles in allem seien die Folgen des Streiks bislang im Rahmen geblieben. Auch deshalb, weil nach Arbeitgeberberechnungen deutlich weniger Gewerkschaftsmitglieder streikten als von Verdi angegeben. Vor einer Woche etwa habe Verdi 10 000 Streikende, die Arbeitgeber aber nur 3600 gezählt.

Der TdL-Hauptgeschäftsführer Rieger bekräftigte den Anspruch der Bundesländer, selbst über die Dauer der Arbeitszeit und die Höhe von Urlaubs- und Weihnachtsgeld entscheiden zu dürfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Länder zum bundesweit geltenden Tarifvertrag, der erst im vergangenen Jahr umfassend reformiert wurde, zurückkehrten, sei auch deshalb gering, weil inzwischen immer mehr Beschäftigte vom Tarifvertrag abwichen. Rieger zufolge ist jeder vierte öffentliche Bedienstete in Bayern „umgestellt“, er arbeitet also länger als 38,5 Stunden. In Niedersachsen sei es sogar fast jeder Dritte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false