zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Verdruss ohne Plus

Geschehen ist eigentlich kaum etwas. 2009 versank die Bundesrepublik in der tiefsten Rezession seit Jahrzehnten.

Geschehen ist eigentlich kaum etwas. 2009 versank die Bundesrepublik in der tiefsten Rezession seit Jahrzehnten. Das Bruttoinlandsprodukt ging um mehr als fünf Prozent zurück, Angst vor Abstieg und Verarmung machte sich breit. Doch wer keine Zeitung las, bekam kaum etwas von der angeblich historischen Krise mit. Die Arbeitslosenzahl stieg in dem Jahr um gerade einmal 155 000, die Leute kauften ein und fuhren in den Urlaub – fast so wie immer. Geht es also auch ohne das ständige Höher, Schneller, Weiter?

Wachstum ist die Triebfeder des westlichen Wirtschaftssystems. Ein dauerhafter Verzicht darauf hätte tief greifende Veränderungen zur Folge. Im Kleinen bedeutet dies, dass nicht regelmäßig neue Generation von Handys auf den Markt kämen, keine sparsameren Heizungen, keine crashsicheren Autos. Und im Großen wäre der Staat nicht in der Lage, jemals seine Schulden zurückzubezahlen. Dass außerdem ohne Wachstum die rund vier Millionen Vollzeitstellen entstehen würden, die derzeit auf dem Arbeitsmarkt fehlen, ist unwahrscheinlich. Denn die einzige Alternative, eine Umverteilung der bestehenden Arbeit, dürfte bei den meisten Beschäftigten kaum auf Gegenliebe stoßen, bedeutete dies doch einen spürbaren Einkommensverzicht. Selbst Wissenschaft und Kultur würden fad und lahm, fiele das Wachstum weg.

Hinzu kommen die Sozialsysteme. Die hohen Kosten, die auf die Bundesrepublik im Zuge des demografischen Wandels zukommen, lassen sich schon mit Wachstum vermutlich nur schwer tragen. Immer mehr Rentner, immer mehr Pflegefälle, immer höhere Krankheitskosten in den kommenden Jahren würden die Gesellschaft erdrücken, verzichtete sie freiwillig auf die Früchte des Fortschritts. Oder sie würden zu einem Streit über noch mehr Rationierung bei medizinischen Leistungen führen.

Das größte Problem für die Wachstumsbremser wäre es aber, die armen wie die aufstrebenden Länder der Welt davon zu überzeugen, auf ihrem jetzigen Entwicklungsniveau zu verharren. Bildung, Gesundheit, Hygiene, Lebenserwartung, Mobilität, Ernährung auf dem heutigen Stand einzufrieren, statt das Niveau des Westens zu erreichen, dürfte nur ein schräger Traum von Ökofundamentalisten sein. Und Länder, die einseitigen Verzicht erklären, würden bald auf der Weltbühne keine Rolle mehr spielen. brö

Zur Startseite