zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Verein soll dicken Kindern helfen

Verbraucherministerin Künast gründet mit Krankenkassen und Industrie die „Plattform Ernährung und Bewegung“

Berlin - Der Kampf gegen das Übergewicht bei Kindern von Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) geht am Freitag in eine neue Runde: Mindestens acht Mitglieder werden den Verein „Plattform Ernährung und Bewegung“ gründen, sagte Matthias Horst, Hauptgeschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), dem Tagesspiegel. „Wir wollen aber weitere Mitglieder aus der Industrie und anderen Bereichen gewinnen“, sagte Horst. „Nach dem politischen Gründungsakt am Freitag beginnt die Akquise.“

Gründungsmitglieder des Vereins sind neben dem Verbraucherministerium und dem BLL die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), Deutsche Sportbund (DSB), die Bertelsmann-Stiftung, die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA), die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, der Bundeselternrat und der Bundesverband Innungskrankenkassen (IKK). Zweck des Vereins ist es, einen gesunden Lebensstil zu fördern mit dem Ziel, „dem Anstieg von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken“, heißt es in der Vereinssatzung, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Jedes dritte Kind und jeder fünfte Jugendliche bringt heute zu viele Kilos auf die Waage – mit steigender Tendenz. Sieben bis acht Prozent der Heranwachsenden gelten als krankhaft fettleibig. Die Betroffenen tragen ein großes Risiko, später an ernährungsbedingten Krankheiten wie Diabetes oder Gelenkschäden zu erkranken. Damit könnten sie nicht nur sich selbst, sondern auch dem Gesundheitssystem zu schaden, auf das Ausgaben in Millionenhöhe zukommen.

Zu den Aufgaben des Vereins zählen laut Satzungsentwurf unter anderem verbesserte Informationen über Lebensmittel und Zusammenhänge von Ernährung und Bewegung für die Gesundheit zur Vorsorge von Übergewicht. „Die Mitglieder sollen ihre vorhandenen Projekte melden und bei Bedarf miteinander vernetzen“, sagte CMA-Sprecher Detlef Steinert dem Tagesspiegel. Danach könnten auch zusätzliche Aktionen angestoßen werden. Die Mitglieder des Vereins dürfen bei ihren Aktivitäten das Logo und den Slogan des Vereins benutzen. „Im Mittelpunkt stehen Information und Aufklärung“, sagte Steinert. „Viele Eltern und Kinder wissen gar nicht mehr, wie sie sich gesund ernähren können.“

Der Verein soll allen relevanten Gruppen sowie Bundesländern, Städten und Kommunen offen stehen. Für den Bund, die CMA sowie den Ernährungsindustrieverband BLL ist laut Satzung ein Vereinsbeitrag von 25 000 Euro pro Jahr vorgesehen. Dachverbände wie die IKK zahlen 2500 Euro, Non-Profit-Organisationen wie der Sportbund nur 250 Euro. Bei Unternehmen ist der Beitrag vom Umsatz abhängig und liegt zwischen 2500 und 25 000 Euro. Die Gründungsmitglieder allein werden also nicht sehr viel Geld mitbringen. Erst mit einer hohen Zahl von Vereinsmitgliedern kommt eine nennswerte Summe zusammen, mit der die Arbeit des Vereins finanziert werden kann. Zusätzlich sollen laut Satzung Sponsorengelder geworben werden.

Das Geld sei jedoch nicht so wichtig, hieß es in Teilnehmerkreisen. Wichtig sei, dass alle Mitglieder „geldwertes Know-how“ einbrächten, und dass verschiedene Initiativen endlich koordiniert würden. Der Verein würde dazu dienen, in Deutschland eine „neue Präventionskultur“ zu schaffen, die es bisher nicht gebe. „Es kann nicht sein, dass Kinder drei bis vier Stunden täglich bewegungslos vor dem Fernseher sitzen und Pommes dazu essen.“

Mit den Krankenkassen war bis zuletzt um deren Teilnahme gerungen worden. Die Kassen planen, eine mit 50 Millionen Euro ausgestattete Präventionsstiftung ins Leben zu rufen, die ähnliche Ziele verfolgt wie die Ernährungsplattform. Die Kassen wollen gerne, dass die Plattform und die Stiftung künftig eng zusammenarbeiten. Bedenken, dass die Industrie das Logo des Vereins zu Werbezwecken missbraucht, teilten die Krankenkassen nicht mehr, hieß es in den Kreisen. „In der Satzung steht, dass das Logo nicht in direktem Zusammenhang mit einem bestimmten Produkt genutzt werden darf.“ Strittig war bis zuletzt, wie die Stimmrechte unter den Vereinsmitgliedern verteilt werden – die Krankenkassen wollten verhindern, dass die Industrie die Mehrheit hat und so die Inhalte der Aufklärungskampagnen bestimmen kann. Dieses Ziel haben sie erreicht: Jedes Mitglied hat eine Stimme.

Maren Peters[Maurice Shahd], Flora Wisdorff

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false