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Pillen aus dem Wedding. Im Bayer-Werk in der Müllerstraße im Berliner Norden werden die Antibaby-Pillen verpackt und in mehr als 100 Länder weltweit exportiert. 5000 Mitarbeiter arbeiten an dem ehemaligen Schering-Standort. Foto: picture-alliance/ obs

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Verhütungsmittel: Bayer soll vor seiner Pille warnen

US-Medizinexperten fordern schärfere Einnahmevorschriften für die Verhütungsmittel der Yaz-Familie. Die sind Umsatzbringer für Bayer - aber Studien warnen vor Thrombose-Gefahr für junge Frauen.

Die Berliner Bayer-Mitarbeiter dürften gezittert haben, als am Donnerstag in den USA über eines ihrer wichtigsten Produkte abgestimmt wurde: Ein Expertengremium der US-Gesundheitsbehörde FDA beschäftigte sich mit den Gesundheitsrisiken der Antibaby-Pillen der Yaz-Familie. Sie sind die umsatzstärksten Verhütungsmittel des Konzerns und laufen unter anderem im Berliner BayerWerk in der Müllerstraße vom Band. Die Experten kamen zusammen, weil jüngste Studien ergeben hatten, dass Präparate wie Yasmin oder Yaz mit dem Wirkstoff Drospirenon bei Frauen zu einem höheren Thrombose-Risiko führen könnten als ältere Verhütungspillen.

Das Ergebnis dürfte die ohnehin schwierigen Bedingungen auf dem US-Markt für Bayer noch verschärfen. Zwar stimmten die Experten mit 15 zu elf dafür, das der Nutzen des Präparats die Risiken übersteige. Mit großer Mehrheit sahen sie aber Nachbesserungsbedarf bei den Einnahmevorschriften. Das Nutzen- und Risiko-Profil der Mittel sei im Beipackzettel nicht adäquat dargestellt, hieß es aus dem Gremium, das zu zusätzlichen Warnungen rät. Die Experten geben nur Empfehlungen an die FDA ab. Ihre Entscheidungen gelten aber als richtungsweisend, weil die Behörde ihnen meist folgt.

Bayer teilte am Freitag lediglich mit, dass das Unternehmen seit Jahren mit der FDA sowie weiteren Gesundheitsbehörden weltweit zusammenarbeite, um angesichts neuer wissenschaftlicher Daten „gegebenenfalls die Produktinformation anzupassen“. „Bayer wird auch weiterhin so verfahren“, hieß es aus Leverkusen. Über mögliche Auswirkungen eines verschärften Beipackzettels wollte Bayer sich nicht äußern, solange die US-Gesundheitsbehörde noch nicht abschließend entschieden hat.

Die Pillen mit dem neuen Wirkstoff Drospirenon hatte das Berliner Pharmaunternehmen Schering entwickelt und 2001 auf den Markt gebracht. Mit der Übernahme 2006 gingen die Präparate an Bayer über. Die Pillen mit dem neuartigen Hormon stehen seit längerem in der Kritik. Zwar stehen auch bei älteren Pillen Thrombosen als mögliche Nebenwirkung im Beipackzettel. Die Blutgerinnsel entstehen in den Venen und können zu Schlaganfällen und Lungenembolien führen. Ein Test der FDA fand aber heraus, dass sich vor allem Frauen unter 35 Jahren bei Einnahme von Yasmin einem höheren Risiko für gefährliche Venenthrombosen aussetzen als bei älteren Verhütungsmitteln. In Europa hatte Bayer den Beipackzettel seiner Pillen bereits verschärfen müssen.

In den USA sieht sich der Leverkusener Chemie- und Pharmakonzern mit mehr als 10  000 Klagen wegen der Pillen der Yaz-Familie konfrontiert. Dort sind – anders als in Deutschland – Sammelklagen möglich. Der Konzern bildet heute schon Bilanzrückstellungen wegen der Prozesse.

Neben der öffentlichen Diskussion um die Präparate belastet die Generika-Konkurrenz in den USA das Verhütungsmittel-Geschäft von Bayer. Die Pille Yaz, eine niedriger dosierte Version von Yasmin, ist in den USA zwar immer noch eines der der meistverkauften Verhütungsmittel. Der Umsatz lag 2010 nach Daten von IMS Health bei 374 Millionen Dollar. Im Jahr zuvor war er aber noch etwa doppelt so hoch. Auch die Zahl der Verschreibungen ging deutlich zurück.

Mit der gesamten Yasmin-Produktfamilie, zu der neben Yaz noch Yasminelle gehört, erwirtschaftete Bayer weltweit im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden Euro Umsatz – ein Rückgang von 13,1 Prozent binnen Jahresfrist. Die Firma Barr, die heute zu Teva gehört, bietet derzeit schon ein günstigeres Nachahmerpräparat in den USA an, Watson bekam jüngst von der FDA die Erlaubnis, es Barr nachzutun.

Die Anleger zeigten sich wenig beeindruckt von den Nachrichten aus den USA. Die Aktie legte moderat zu. „Diese Pillen sind zwar immer noch umsatzstark, aber sie sind nicht die Zukunft von Bayer“, kommentierte Karl-Heinz Scheunemann, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Die Zeiten der Spitzenumsätze seien vorbei. Auch bei den Klagen sieht Scheunemann keinen Grund zur Panik: „Das schätze ich weniger bedenklich ein als Lipobay“. Bayer hatte den Cholesterinsenker 2001 wegen Todesfällen vom Markt nehmen müssen.

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