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Verkauf: Die Angst der Länder vor der Bahnprivatisierung

Die Verkehrsminister der Länder verlangen deutliche Änderungen am geplanten Gesetz zur Privatisierung des Staatskonzerns und setzen der Bundesregierung eine Frist.

Berlin - Die Länder drohen der Bundesregierung damit, die geplante Privatisierung der Deutschen Bahn scheitern zu lassen. „Der Bund muss sich deutlich bewegen“, sagte Karl-Heinz Daehre (CDU), Chef der Verkehrsministerkonferenz und Fachminister in Sachsen-Anhalt, am Montag in Berlin. Ein Gutachten zum bisherigen Gesetzentwurf, das die Länder im August in Auftrag gegeben hatten und jetzt vorlegten, habe die Bedenken bestätigt, sagte Daehre. Darauf müsse die Regierung eingehen. „Es ist zwei Minuten vor zwölf, jetzt hat der Bund seine letzte Chance“, sagte Daehre. Sein Amtskollege aus Brandenburg, Reinhold Dellmann (SPD), betonte: „Eins zu eins, so wie das Gesetz jetzt vorliegt, ist es nicht zustimmungsfähig.“

Die Fraktionsspitzen von Union und SPD planen, dass das Gesetz voraussichtlich am Mittwoch parallel von beiden Koalitionsteilen in den Bundestag eingebracht wird, die erste Lesung soll am Freitag erfolgen. Am heutigen Dienstag beschäftigen sich die Fraktionen aber noch einmal mit dem Thema. Sowohl bei CDU/CSU als auch bei der SPD gibt es erhebliche Kritik. Viele Sozialdemokraten verlangen eine Privatisierung per Volksaktie, bei der der Bund weiter 100 Prozent der Stimmrechte besitzt. Dieses Modell wird vom Ländergutachten aus verfassungsrechtlicher Sicht unterstützt. Kommende Woche soll der SPD-Führung eine erste Studie zur Machbarkeit vorgelegt werden.

Die Länder haben auch Sorge, dass der Staat nach einer Privatisierung der Bahn zu wenig Einfluss auf das Schienennetz und die Bahnhöfe hat. Schließlich soll der Konzern die Infrastruktur mindestens 15 Jahre bewirtschaften dürfen. Die dafür geplante Qualitätsvereinbarung geht den Ländern nicht weit genug. „Wenn es nicht zu Änderungen kommt, dann wird die Bahnreform auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen“, warnte Oliver Wittke (CDU), der nordrhein-westfälische Verkehrsminister.

Es ist laut dem neuen Gutachten davon auszugehen, dass die Trassenpreise – also die Gebühren, die die Bahntochter DB Netz für die Nutzung des Netzes erhebt – stärker steigen als die Mittel, die der Bund den Ländern jährlich überweist, um damit den Regionalverkehr zu finanzieren. Zurzeit belaufen sich die Zuschüsse laut Bundesverkehrsministerium auf 6,6 Milliarden Euro pro Jahr. Ab 2009 sollen der Betrag jedes Jahr um 1,5 Prozent steigen. In ihrer Mittelfristplanung hat die Bahn allerdings offenbar unterstellt, dass die Trassenpreise um zwei Prozent pro Jahr zulegen. Die zusätzlichen Kosten würden dazu führen, dass fünf bis zehn Prozent der Regionalverbindungen gestrichen werden müssten, heißt es nun im Gutachten.

„Die Fläche wird abgehängt“, warnte Wittke aus NRW. Und der sachsen-anhaltinische Verkehrsminister Daehre sagte, dass viele Stationen in seinem Land dicht gemacht würden, wenn die Bahn ihre gewünschten Kriterien durchsetze. So sollen offenbar alle Bahnhöfe aufgegeben werden, bei denen es pro Tag weniger als 100 Ein- und Aussteiger gebe.

NRW-Verkehrsminister Wittke betonte: „Es geht nicht nur um finanzielle Dinge.“ Das Gutachten habe zum einen herausgearbeitet, dass die Interessen der Länder bisher nicht ausreichend gewahrt würden, zum anderen habe es aber auch „die Verfassungswidrigkeit des Entwurfs in mehreren Punkten eindeutig festgestellt“. Mit einigen Änderungen „hier und da“ sei es deshalb nicht getan. Der Staat müsse dauerhaft den Einfluss auf das Schienennetz wahren.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) versprach am Montag: „Wir wollen genauso wie die Länder mehr Personen- und Güterverkehr auf die Schiene bekommen.“ Außerdem habe er keine Zweifel, dass der Entwurf mit den Vorgaben des Grundgesetzes zu vereinbaren sei. „Die Verfassungsressorts, das Innen- und das Justizministerium haben das geprüft. Wir haben ein Zertifikat für die Vereinbarkeit, von diesem Fundament gehe ich aus“, sagte Tiefensee. Auf einer Sonderkonferenz der Verkehrsminister kommende Woche werde man Lösungsmöglichkeiten besprechen. Er rechne weiter damit, dass eine Privatisierung der Bahn noch 2008 erfolgen könne. Bahnvorstand Otto Wiesheu sagte, er gehe davon aus, dass die Interessen der Länder gewahrt bleiben könnten. Mögliche Anhebungen der Trassenpreise seien nötig. Die potenziellen Belastungen würden aber bei weitem übertrieben. Bernd Hops

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