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Verkehr: Senioren im Auto: Noch fahrtüchtig, Alter?

Die Allianz-Versicherung entwickelt Konzepte für den seniorengerechten Straßenverkehr. Die AZT Automative GmbH fordert, das Ampeln länger auf grün stehen.

Berlin - Gustav Meier ist über 80. Die Augen sind nicht mehr so scharf wie früher, und auch die Aufmerksamkeit lässt nach. Der Rentner hat daraus Konsequenzen gezogen. „Nachts fahre ich nicht mehr Auto“, sagt er, „und auch bei Regen lass ich den Wagen stehen.“

Wie Gustav Meier verhalten sich viele Senioren. „Sie meiden häufiger Fahrten unter unfallbegünstigenden Fahrsituationen“, heißt es in einer aktuellen Studie der Allianz. Das Allianz-eigene Zentrum für Technik (AZT) hat die Versicherungsakten der Haftpflicht- und Kaskokunden und die amtlichen Unfallstatistiken ausgewertet. Fazit: Senioren sind besser als ihr Ruf. Unfälle verursachen sie – statistisch gesehen – seltener als jüngere Fahrer. An Unfällen mit Personenschäden sind Rentner nur zu zehn Prozent schuld, 65 Prozent der Unfälle werden von jüngeren Fahrern im Alter zwischen 25 und 64 Jahren verursacht.

Alte sind selten Verursacher, oft Opfer. „Senioren werden häufiger Opfer von Unfällen“, sagt Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer der AZT Automative GmbH, „und sie erleiden oft erhebliche Verletzungen.“ Das liegt am Alter. Die Knochen sind brüchiger, das Risiko von schweren Verletzungen steigt. Vor allem als Fußgänger und Radfahrer sind Ältere gefährdet, am Steuer ihres Autos oder in öffentlichen Verkehrsmitteln sind Senioren verglichen damit deutlich sicherer.

Lauterwasser fordert die Städteplaner auf, Konsequenzen zu ziehen. Denn schon heute ist in Deutschland rund ein Fünftel der Bevölkerung über 65. Im Jahr 2050 werden es über 30 Prozent sein. „Das Thema wird immer wichtiger“, mahnt der Physiker. Und da viele Maßnahmen langfristig vorbereitet werden müssen, sei es Zeit, damit zu beginnen.

Dabei klingt vieles einfach. Tempo-30-Zonen sollten verstärkt dort eingeführt werden, wo sich alte Menschen aufhalten – etwa in der Nähe von Altersheimen oder Seniorentagesstätten. Auch die Ampelphasen sollten verlängert und Zebrastreifen deutlich gekennzeichnet werden, fordert der Verkehrsforscher. Je älter die Menschen, desto geringer ihr Radius: Bei Rentnern liegt dieser im Schnitt bei fünf Kilometern am Tag, bei jungen Menschen ist es das Vierfache. Darauf müsse man Rücksicht nehmen, fordert Lauterwasser: „Das unmittelbare Umfeld der Senioren muss sicherer werden.“ Durch Mittelinseln bei stark befahrenen Straßen, oder indem Fußgängerüberwege sinnvoll platziert werden – etwa vor Straßenbahnhaltestellen. Zudem müsse der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden, in dünn besiedelten Gegenden wie in Brandenburg sollten Bringdienste die Senioren von der Haustür abholen.

Doch auch die Senioren selbst können einiges für ihre Sicherheit tun. „Fragen Sie sich kritisch, ob Sie wirklich fahrtüchtig sind“, mahnt Lauterwasser. Denn gerade Medikamente können die Verkehrstüchtigkeit einschränken. Zwar hält der Zentrumsleiter nichts von Zwangsuntersuchungen älterer Verkehrsteilnehmer, dennoch rät er Senioren, freiwillig Augen, Ohren und Reaktionsfähigkeit beim Arzt checken zu lassen. Fahrradfahrer sollten unbedingt einen Helm tragen. „Das reduziert das Risiko von Kopfverletzungen deutlich“, mahnt Lauterwasser. Das weiß jeder, doch gerade Senioren sind selten mit Helm unterwegs.

Auch die Technik sollten sich die älteren Menschen stärker zunutze machen, als sie es heute tun. Denn immer mehr Autohersteller bieten ihren Kunden Assistenzsysteme an, die das Fahren sicherer machen. So entwickelt etwa Mercedes derzeit ein System, mit dem die Fahrzeuge automatisch Fußgänger erkennen können, die die Straße überqueren. Vor einem drohenden Unfall soll das Auto automatisch bremsen oder ausweichen.

Solche Hilfen hält Lauterwasser für gut. Gerade Rentner haben oft Probleme, in komplexen Verkehrssituationen das Gesamtgeschehen im Blick zu behalten. Warnsysteme, die Auffahrunfälle verhindern, und aktive Gefahrenbremsen seien für Senioren sinnvoll. Wer ein neues Auto kauft, sollte auch auf eine gute Lichttechnik achten. Auch Einparkhilfen seien gut investiertes Geld. Für Gustav Meier stellen sich diese Fragen aber nicht. „Ein neues Auto lohnt sich für mich nicht mehr“, sagt er.

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