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Wirtschaft: Verkehrsminister in Finanznöten

BERLIN .Im Streit um den Verkauf der 114 300 Wohnungen aus dem Eisenbahnvermögen wird es für Bundesverkehrsminister Franz Müntefering eng.

BERLIN .Im Streit um den Verkauf der 114 300 Wohnungen aus dem Eisenbahnvermögen wird es für Bundesverkehrsminister Franz Müntefering eng.Denn die 4,6 Mrd.DM, die die Erwerber - ein Konsortium aus zehn regionalen und privaten Wohnungsgesellschaften - dafür zahlen wollen, hat der Minister bereits fest in den Haushalt 1999 eingeplant, der in knapp einem Monat verabschiedet werden soll.Doch die Gewerkschaft der Eisenbahner (GdED) und der Hauptpersonalrat beim Bundeseisenbahnvermögen wollen sich dadurch nicht beirren lassen.Nachdem sie den noch von der früheren CDU/FDP-Regierung im Sommer 1998 abgesegneten Verkauf schon einmal durch ihr Veto stoppten, sehen sie auch jetzt das Recht auf ihrer Seite.Sollte der Minister von seinem Vorhaben nicht abrücken, "wird die Angelegenheit wohl vor Gericht landen", sagt GdED-Sprecher Hubert Kummer.

Für Müntefering hätte dies verheerende Folgen.In den ohnedies schon knappen Etat des Verkehrs- und Bauministeriums risse das Ausbleiben der 4,6 Mrd.DM ein gewaltiges Loch.Rund 11 Mrd.DM sind für Investitionen in Straßen- und Schienennetz budgetiert.Scheitert der Verkauf der Eisenbahnerwohungen, müßte neu gerechnet werden.

Im Ministerium wiegelt man ab: "Der Vertrag mit dem Erwerberkonsortium ist erheblich nachgebessert worden", sagt Münteferings Sprecher, Michael Donnermeyer.Den Mietern, zu 80 Prozent Bahnbeschäftigte sowie Pensionäre der früheren Bundes- und der Reichsbahn, werde nun "einzelvertraglich" ein Wohnrecht auf Lebenszeit, eine Begrenzung der Mietererhöhungen auf drei Prozent über zehn Jahre sowie die Fortgeltung des Mieterschutzes im Falle einer Weitervermietung zugesichert.Vereinbart wurde auch der Ausschluß von Luxusmodernisierungen sowie ein Verbot des Verkaufs einzelner Wohnungen an Dritte sowie ganzer Wohnblöcke, sofern diese mehrheitlich von Eisenbahnern bewohnt werden.Die Beschäftigten der 18 Eisenbahnwohnungsgesellschaften erhielten eine Arbeitsplatzgarantie."Materiell", sagt Donnermeyer, "sind die Einwände ausgeräumt."

Die Betonung liegt auf "materiell".Denn Gewerkschaft und Hauptpersonalrat berufen sich nach wie vor auf das für die Bahn-Privatisierung Ende 1993 verabschiedete Eisenbahnneuordnungsgesetz.Daran heißt es, daß die "betrieblichen Sozialeinrichtungen und die anerkannten Selbsthilfeeinrichtungen der bisherigen Bundeseisenbahnen (...) aufrechterhalten und nach den bisherigen Grundsätzen weitergeführt werden." Wieweit dies einen Verkauf überhaupt ausschließt, darüber streiten sich die Gutachter.Verärgert aber zeigen sich die Gewerkschafter vor allem, daß die Sozialdemokraten, die seinerzeit vehement die Pläne der CDU/FDP-Koalition kritisiert hatten und noch während des Wahlkampfes den Erhalt der Eisenbahnwohnungsgesellschaften als "betriebliche Sozialeinrichtung" zusagten, nun doch am Verkauf festhalten.An das Wahlversprechen "mag man sich angesichts der haushaltspolitischen Erblasten offenbar nur noch ungern erinnern", wirft Günter Ostermann, stellvertretender GdED-Vorsitzender, der SPD vor.

Stattdessen pochen Gewerkschaft und die Arbeitsgemeinschaft der Eisenbahn-Wohnungsgesellschaften (Argewo) auf ihr "Alternativmodell".Das sieht im wesentlichen vor, daß die 18 regionalen Wohnungsgesellschaften durch Anteilsverkäufe untereinander und den Verkauf von etwa 20 Prozent der Wohnungen an Mieter dem Bund einen Kaufpreis von drei Mrd.DM überweisen könnten.Rund 80 Prozent des Wohnungsbestandes verbliebe damit im Besitz des Bundes, rechnet Ostermann vor.Ziehe man darüberhinaus in Betracht, daß das vom Bund favorisierte Erwerberkonsortium den Kaufpreis steuerlich geltend machen würde, wäre der Mehrerlös für den Staatshaushalt gar nicht mehr groß."Für eine Nettodifferenz von gerade mal einer Milliarde Mark wird hier ein Immobilienbesitz verramscht, der nach Experteneinschätzung ein Vielfaches des Verkaufspreises wert ist", so Ostermann.

Auf mehr als sieben Mrd.DM war der Verkehrswert der Eisenbahner-Wohnungen einst geschätzt worden.Ob das allerdings angesichts der veränderten steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten und der generellen Marktschwäche noch Gültigkeit hat, wird vielfach bezweifelt.Wie schnell Hoffnungen verpuffen können, zeigte sich erst kürzlich beim Wohnungsbestand der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA): Der Bundesrechnungshof hatte den Wert der rund 76 000 Wohnungen 1994 auf rund zehn Mrd.DM geschätzt, später war inoffiziell nur noch von einem möglichen Erlös von 4,5 Mrd.DM die Rede.Doch auch das erwies sich offenbar als überzogen.Mit dem noch verbliebenen Interessenten, einer Tochtergesellschaft des japanischen Finanzhauses Nomura, konnte keine Einigung erzielt werden.Mitte März teilte BfA-Vorstand Hans Dieter Richardt mit, die Verkaufsverhandlungen seien "eingestellt".

Günter Haber, Geschäftsführer des Bundesverbandes Freier Wohnungsunternehmer, hält den Verkaufspreis für die Eisenbahnerwohnungen aber für gerechtfertigt.Bei einem Paketverkauf großer Bestände sei ein Abschlag vom Verkehrswert die Regel."Ein Bestand mit festem Nutzerpotential ist aber heute viel wert." Er ortet vielmehr "Managementfehler" beim Bund, der viel zu spät eine Abstimmung mit den beteiligten Gremien versucht habe.Das verprelle potentielle Käufer und schwäche die Verhandlungsposition.

Ohnedies scheint man im Erwerberkonsortium ungeduldig zu werden.Zwar zeigte sich Wilhelm Gehrke, Geschäftsführer der Niedersächsischen Landesentwicklungsgesellschaft (Nileg) und Sprecher des Konsortiums, auf Anfrage "sehr zuversichtlich", daß der Verkauf nun endgültig besiegelt wird.Ob der Zusammenhalt der heterogenen Käufergruppe aber auch Gerichtsverhandlungen überdauert, wird in der Branche bezweifelt.Die Kritiker des Verkaufs hätten ihr Ziel erreicht.Müntefering hofft dennoch auf einen Kompromiß: Noch "in den nächsten Wochen", so ist zu hören, soll es ein klärendes Gespräch geben.

MARGARITA CHIARI

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