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Vermögen und Vorsorge (1): Geld braucht Beratung

Nach der Finanzkrise orientieren sich Vermögensbesitzer und Sparer neu. In einer neuen Serie informiert der Tagesspiegel über die besten Formen der Vorsorge.

Die Finanzkrise hat gründlich aufgeräumt mit Gewissheiten, die Banken, Versicherungen und Vermögensberater Anlegern jahrelang verkaufen konnten. Zum Beispiel: Zertifikate sind nur so gut wie die Bank, die sie auflegt. Geht die Bank pleite (Lehman), ist das Zertifikat wertlos – und das Geld der Anleger verbrannt. Oder: Die goldene Regel, wonach sich eine gute Aktie oder ein guter Fonds auszahlen, wenn sie nur lange genug gehalten werden, gilt nicht mehr. Wer etwa vor zehn Jahren 50 000 Euro in den globalen „Vermögensbildungsfonds I“ der Deutsche- Bank-Tochter DWS investierte – eine vergleichsweise solide Anlage –, hat bis heute nichts gewonnen, sondern rund 10 000 Euro verloren. „Globale Streuung“, dieses gebräuchliche Synonym für eine ausgewogene Mischung von Risiko und Chance, hat seit der weltweiten Krise an Überzeugungskraft verloren.

Große und kleine Anleger hätten verstanden, dass Diversifikation, also die Verteilung des Kapitals auf verschiedene Anlageklassen, keinen absoluten Schutz mehr bietet, sagt Dietmar Wischnewski, Leiter der Vermögensverwaltung bei der Deutschen Bank Berlin. „Früher sagte man: Nicht alle Eier in einen Korb legen, dann ist man auf der sicheren Seite.“ Doch als 2008 die Börsen verrückt spielten, verloren nicht nur Aktien an Wert. Auch Rohstoffe, Zertifikate und Staatsanleihen gingen in den Keller.

Nicht nur viele Kleinanleger verloren Geld, auch große Vermögen schrumpften rapide. Das habe wohlhabende Anleger, die ihr Kapital gewöhnlich breit streuen und so höhere Renditen erzielen können, umdenken lassen, sagt Wischnewski. „Die Renditeerwartung ist gesunken.“ Die Kunden seien vorsichtiger geworden, an erster Stelle stehe heute das Ziel, das Vermögen zu erhalten, nicht, es zu vergrößern. Zudem wollten die Kunden heute ganz genau verstehen, wie die Produkte funktionieren, in die sie investieren. Der Erklärungsbedarf sei gestiegen. Insgesamt müssten die Berater mehr Gespräche führen als früher, bis ein Vertrag zustande komme.

„Die Kunden wünschen sich einen Vermögensberater in der Nähe, der sich Zeit nimmt und nicht zuerst an den Verkauf einzelner Produkte denkt“, berichtet auch Weberbank-Chef Klaus Siegers. Die seit 2009 zur Mittelbrandenburgischen Sparkasse gehörende Bank habe in den vergangenen anderthalb Jahren zu vielen Veranstaltungen eingeladen, bei denen es nicht um passende Produkte ging – sondern um Volkswirtschaft und Anlagestrategien. „Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise wollten viele, auch vermögende Kunden wissen, wie sich die Welt und die Märkte verändert haben“, sagt Siegers. Zwar hat die Weberbank im laufenden Jahr ihr betreutes Vermögen in Berlin und Umgebung um zehn Prozent auf knapp vier Milliarden Euro steigern können. Aber Siegers weiß, dass der Wettbewerb um die vermögende Kundschaft härter geworden ist.

„Kundenzufriedenheit und -loyalität haben nachgelassen“, bestätigte kürzlich eine Studie von McKinsey. „Viele vermögende Kunden haben ihre Bank gewechselt oder planen dies.“ Der Zufluss von Kundenvermögen tendierte nach Angaben von McKinsey 2009 gegen null, Vermögende zogen ihr Geld aus Offshore- Bankenplätzen wie der Schweiz oder Liechtenstein ab. Zugleich brachen im deutschen Private Banking die Gewinne um 25 Prozent ein. Jeder Neukunde zählt.

Und viele Kunden sind nicht nur von der Krise verunsichert worden. Zuletzt wurden Vermögende zum Beispiel von Berichten aufgeschreckt, nach denen in der Schweiz eine Abgeltungsteuer von 35 Prozent für Geldanlagen aus Deutschland eingeführt werden könnte. Nicht wenige hat dies dazu bewogen, über neue Bankverbindungen nachzudenken.

Doch wer sich mit seinem Vermögen oder seinen Ersparnissen neu orientieren will, hat die Qual der Wahl. Da es in Deutschland relativ einfach ist, sich als Vermögensberater und -verwalter selbstständig zu machen, ist der Markt wie kaum ein anderer unübersichtlich. Neben vielen Freiberuflern haben Volks- und Raiffeisenbanken, Sparkassen, Geschäftsbanken oder kleine private Institute Private Banking für betuchte Kunden im Angebot. Selbst einige Onlinebanken schmücken sich mit Beratungsofferten. Anbieter aus dem Ausland wildern zusätzlich auf dem deutschen Markt. „Die Zeiten des einfach verdienten Geldes im Private Banking sind vorbei“, schreibt McKinsey.

Bevor aber ein selbstständiger Portfoliomanager oder eine Bank den Zuschlag für die Beratung sowie die Verwaltung des privaten Vermögens bekommt, sollte klar sein, in welcher Liga das Depot spielt. Wer weniger als fünf Millionen Euro flüssiges Anlagevermögen mitbringt, dürfte in der Regel für das klassische Private Banking mit einer individuellen Betreuung nicht infrage kommen.

Stattdessen bieten viele Banken für kleinere Vermögen eine Verwaltung mit Fonds an, bei denen der Kunde sich für ein bestimmtes Risikoprofil entscheidet und nur einen begrenzten Einfluss auf die Zusammensetzung des Depots hat.

Die Tür zum sogenannten Family Office einer Bank oder Vermögensverwaltung öffnet sich nach Meinung von Experten erst mit einem zweistelligen Millionenvermögen, also etwa ab 15 Millionen Euro. Dafür kann der Kunde dann eine umfassende und exklusive Finanzdienstleistung erwarten, die wie ein Privatsekretariat alle individuellen Finanzfragen regelt. Dabei geht es nicht nur um die Vermögensanlage und darum, wie das betreute Kapital – nach Abzug der Inflation, von Steuern und den Lebenshaltungskosten – erhalten bleibt. Das Family Office hält auch Kontakt zu Steuerberatern, Anwälten, Kunstsachverständigen, Hausverwaltern oder Vermögensverwaltern, die sich um das operative Portfoliomanagement kümmern. Außerdem wird die Wertentwicklung des gesamten Vermögensbestandes mit allen seinen – mitunter breit gestreuten – Bestandteilen überwacht. Stresstests prüfen, wie robust die Anlagen auf wirtschaftliche Schocks reagieren. Nicht zuletzt macht sich das Family Office mit dem Anleger Gedanken darüber, wie das Vermögen an Nachkommen oder Erben übertragen werden soll, ob sich die Gründung einer Stiftung lohnt und was bei einem Verkauf eines Unternehmens zu beachten ist.

Für diese umfassenden Dienste zahlt der vermögende Kunde meist einen hohen, festen Betrag. Im Private Banking oder der Fonds-Vermögensverwaltung werden hingegen meistens erfolgsabhängige Honorare berechnet. Sie liegen in der Regel bei 1,5 bis zwei Prozent der Anlagesumme. Das heißt, bei einem Portfolio von 200 000 Euro können pro Jahr leicht 4000 Euro an Gebühr anfallen.

Kosten, die sich Privatanleger, die nicht in der Multimillionen-Klasse spielen, sparen könnten, meint etwa Ariane Lauenburg von der Zeitschrift „Finanztest“: „Anlageberatung gegen Honorar ist grundsätzlich eine sinnvolle Sache – aber Vermögensverwaltung mit Fonds von der Stange lässt sich in Eigenregie kostengünstiger bewerkstelligen.“ Doch wer weiß schon, was „von der Stange“ ist? Und wer hat die Zeit, sich mit einem fünf- oder sechsstelligen Vermögen auf die Suche nach dem passenden Anlage-Mix zu machen? „Die Krise scheint bei den Kunden ein Umdenken ausgelöst zu haben“, glaubt McKinsey. Gefragt seien professionelle Ratgeber mit langjähriger Erfahrung – und keine smarten Banker, deren Tipps sich in der nächsten Krise als teure Flops erweisen.

Das begleitende Heft "Vermögen und Vorsorge" in sechs Teilen finden Sie am jeweiligen Erscheinungstag im gedruckten Tagesspiegel. Die weiteren Folgen erscheinen am 1., 8., 15., 22. und 28. November.

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