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Klare Ansage. An das Geld der Millionäre will nicht nur diese junge Frau vor einer Luxusmesse in München. Die könnten aber bald ein bisschen weniger Geld haben.

© dpa

Vermögensabgabe: Die Reichen dürfen den Euro retten

Das Thema landet zunehmend auf der politischen Agenda: Die Vermögensabgabe. Sie könnte Milliarden bringen. Und ein Rechtsgutachten im Auftrag von Verdi ist sicher: Sie wäre sogar verfassungsgemäß.

Dreht sich der Wind im Land? Wenn Verdi-Chef Frank Bsirske höhere Steuern für Reiche fordert, gehört das zum guten Gewerkschaftston, seit Jahren. Ungewöhnlicher ist dann schon, dass das größte deutsche Wirtschaftsinstitut – das Berliner DIW – von Vermögen über 250 000 (Ehepaare: 500 000) Euro zehn Prozent abschöpfen will und die Einnahmen der Zwangsabgabe (230 Milliarden) zur Haushaltssanierung und Eurorettung vorschlägt. Die Finanzkrise macht es möglich.

Nach Jahren sinkender Spitzensteuersätze und der Abschaffung von Vermögensteuern „kommt im Eurogebiet das Thema höhere Steuern für Bezieher höherer Einkommen und Vermögende zunehmend auf die politische Agenda“, hat Deutsche Bank Research beobachtet und spricht bereits von einem „wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsel“.

Bsirske sieht einen Richtungswechsel von oben nach unten. „Die Zeit ist reif für eine andere Verteilungspolitik“, sagte er am Freitag in Berlin. Einkommenszuwächse habe es in den vergangenen 15 Jahren vor allem bei den Wohlhabenden gegeben. Der Gewerkschafter schlägt deshalb eine gestaffelte Abgabe vor und hat sich deren Legitimität in einem Rechtsgutachten bestätigen lassen. Das Grundgesetz sehe ausdrücklich die Belastung von Vermögen vor, erläuterte Joachim Wieland, Professor für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht am Freitag. „Der außerordentliche Finanzbedarf des Bundes ist die Voraussetzung für eine einmalige Abgabe“, sagte Wieland, der das Gutachten im Auftrag von Verdi erstellt hatte.

Und da die Verschuldung von rund zwei Billionen Euro wegen der Euro-Finanzkrise vermutlich auf 2,5 Billionen Euro steigen werde, sei kein Zweifel an einem außerordentlichen Finanzbedarf möglich.

Bildergalerie: Der Gesetzentwurf zur Euro-Rettung

Bsirske stellt sich eine Abgabe nach Freibeträgen von einer Million Euro plus 200 000 Euro pro Kind vor. Wer dann nach Abzug aller Verbindlichkeiten noch über mehr als eine Million Euro verfügt, soll zehn Prozent davon abführen – über zehn Jahre. Bei einem Vermögen über 20 Millionen hätte Bsirske gern 20 Prozent und bei den richtig Reichen jenseits der 100 Millionen Euro hält er 30 Prozent für angemessen. Alles in allem würden von der Abgabe 780 000 natürliche Personen hierzulande erfasst, denen rund 30 Prozent des Vermögens gehöre; Bsirske erwartet Einnahmen zwischen 280 und 300 Milliarden Euro.

Insgesamt würden Bsirske zufolge nur 2,9 Prozent des gesamten Vermögens abgeschöpft. „Das sieht nicht unbedingt nach Substanzbesteuerung aus“, meinte der Gewerkschaftschef. Mit der Einführung einer Vermögensabgabe sei im Übrigen keineswegs die Wiedereinführung einer Vermögensteuer vom Tisch. Die Abgabe fließe allein dem Bund zu, während die Steuer bei den Bundesländern lande. Und die brauchten dringen zusätzliche Mittel, etwa für das „chronisch unterfinanzierte Bildungssystem“.

Die Vermögensteuer war in der Bundesrepublik 1998 abgeschafft worden, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Privilegierung von Immobilien als ungerecht verworfen hatte. Der Bundestag änderte daraufhin nicht die Steuer, sondern schaffte sie ab. Argumentiert wurde damals mit dem hohen Erhebungsaufwand und dem geringen Aufkommen. In der Folge fielen die vermögensbezogenen Steuern, zu denen auch Grund- und Erbschaftsteuer gehören, auf ein vergleichsweise geringes Niveau. In den größeren Euroländern „summiert sich das Aufkommen der vermögensbezogenen Steuern (ohne Kapitalertragsteuern) auf Werte zwischen 3,8 Prozent in Frankreich und 0,9 Prozent in Deutschland“, schreibt die Deutsche Bank Research. Bei den nicht zum Euroraum gehörenden Briten sind es sogar vier Prozent.

SPD und Grüne, die im Herbst 2013 die Regierung übernehmen wollen, arbeiten derzeit an einer gemeinsamen Bundesratsinitiative zur Wiedereinführung einer Vermögensteuer. Nach Berechnungen des SPD-Finanzministeriums in NRW könnte eine Steuer von einem Prozent oberhalb eines Freibetrags von zwei Millionen Euro rund 11,5 Milliarden Euro im Jahr bringen.

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