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Wirtschaft: Versicherungen: Unternehmen wollen neue Bilanzregeln

Die Versicherungswirtschaft macht Druck, sie verlangt von der Bundesregierung eine Änderung der Bilanzierungsrichtlinien. Denn die Branche fürchtet, dass ihnen die gesunkenen Aktienkurse die Jahresabschlüsse verhageln könnten.

Die Versicherungswirtschaft macht Druck, sie verlangt von der Bundesregierung eine Änderung der Bilanzierungsrichtlinien. Denn die Branche fürchtet, dass ihnen die gesunkenen Aktienkurse die Jahresabschlüsse verhageln könnten. Das Finanzministerium prüft noch, aber scheint dem Vorstoss nicht völlig abgeneigt zu sein. "Dieses Problem werden wir so schnell als möglich lösen", sagte Ministeriumssprecher Thomas Gerhardt und bestätigte Gespräche zwischen Beamten des Ministeriums und Vertretern der Branche.

Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) hatte die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass einige seiner Mitgliedsunternehmen Teile ihrer Aktien- und Investmentfondspakete verkaufen, und so die ohnehin schlechte Börse noch weiter belasten würden, sollten die strengen Bilanzierungsregeln für die Branche nicht verändert werden. "Ziel ist es, zu verhindern, dass Versicherer als größte institutionelle Anleger allein aus bilanziellen Gründen gezwungen sein könnten, größere Aktienbestände zu veräußeren", hieß es beim Gesamtverband. Die Versicherer wiesen außerdem darauf hin, dass durch eine Änderung der Bilanzierungsregeln dem Finanzminister keine Steuereinnahmen entgingen.

Versicherungen, die hohe Bestände an Aktien und Investmentfonds halten, waren in den vergangenen Wochen durch die schlechte Lage an den Börsen unter Druck geraten: Denn nach dem geltenden "strengen Niederstwertprinzip" (siehe Lexikon) sind sie nach dem Handelsgesetz dazu verpflichtet, Verluste in der Handelsbilanz auszuweisen, sollten die aktuellen Kurse unter den Buchwert zum letzten Bilanzstichtag (31. Dezember) fallen. Außerdem dürfen sie diese Buch-Verluste nicht steuerlich geltend machen. Damit wächst der Druck auf viele Versicherer, sich von bestimmten Aktien zu trennen. Sollten die Bilanzierungsregeln nicht bald geändert werden, würde das Ergebnis der Versicherer dann durch Verluste aus Verkäufen oder durch hohe Abschreibungen geschmälert.

Der Gesamtverband verlangt deshalb jetzt von der Regierung, dass das "strenge Niederstwertprinzip" für Versicher gelockert wird und sie ähnlich wie Banken behandelt werden. Dann müssten Wertpapiere erst dann abgeschrieben werden, wenn der Verlust dauerhaft ist. Wie GDV-Sprecherin Gabriele Hoffmann dem Tagesspiegel sagte, seien die Chancen aber sehr positiv, dass die Regierung die Bilanzierungsregeln ändere. "Das Ministerium hat die Probleme erkannt." Auch in anderen Ländern, wie in Großbritannien hätte der Gesetzgeber schon auf die veränderte Marktlage reagiert und den Spielraum für Versicherer vergrößert, heißt es beim GDV. Außerdem würden auch internationale Bilanzregeln wie die International Accounting Standards (IAS) und die US-GAAP das strenge deutsche Niederstwertprinzip nicht kennen.

Um welche Größenordnung es sich handelt, machen folgende Zahlen sichtbar: Ende des ersten Quartals 2001 hielten die Versicherungsgesellschaften Kapitalanlagen mit einem Buchwert von von 1779 Milliarden Mark, heißt es beim Gesamterband der Versicherungswirtschaft. Davon seien rund 437 Millarden Mark direkt oder indirekt in Aktien angelegt gewesen. Wobei ihr Marktwert rund 700 Milliarden Mark oder rund ein Drittel des deutschen Aktienmarktes ausmache. Selbst wenn nur ein Bruchteil dieses Aktienvermögens verkauft werden würde, würde dies die Börse hier zu Lande beinflussen.

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