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Christoph Jurecka (37) ist seit Februar 2011 im Vorstand der Ergo für Risikomanagement, Controlling und Steuern zuständig. Deutschlands zweitgrößter Versicherer war im vergangenen Jahr wegen der Sexreise seines Vertriebs nach Budapest in Verruf geraten.

© Ergo

Versicherungen: „Vielleicht sind wir zu günstig“

Ergo-Vorstand Christoph Jurecka über die Garantien in der Lebensversicherung und die Sexpartys von Vertretern.

Herr Jurecka, Sie sind bei Ergo für die Bewertung von Risiken zuständig. Was ist für Sie riskanter: Ihre eigenen Vertreter oder die Finanzmärkte?

Eindeutig die Kapitalmärkte. Wir hatten im vergangenen Jahr einige Verwerfungen, das war kein einfaches Jahr.

Die Politik hangelt sich von Euro-Krisengipfel zu Krisengipfel, die Europäische Zentralbank flutet die Märkte mit billigem Geld und kauft Anleihen der Euro-Schuldenstaaten. Wie schätzen Sie das Risiko ein, dass die Euro-Rettung scheitert?

Es gibt ja zwei denkbare Extremszenarien – das Auseinanderbrechen des Euro und das Überleben der Gemeinschaftswährung um den Preis einer höheren Inflation. Wir gehen aber keine Wetten auf bestimmte Kapitalmarktszenarien ein. Wir Versicherer tun gut daran, nicht alles auf eine Karte zu setzen.

Wie stark ist die Ergo in den Euro-Schuldnerländern engagiert?

Staatsanleihen spielen eine große Rolle bei unserer Kapitalanlage. Wir streuen jedoch breit. Wir haben überproportional viele Bundesanleihen, aber wir sind auch in den kritischen Euro-Anleihen engagiert. Zum Bilanzstichtag 2010 waren es zum Beispiel in Griechenland etwa eine Milliarde Euro unserer Gesamtkapitalanlagen von 116 Milliarden Euro. Wir haben auf unsere Griechenlandpapiere Abschreibungen vorgenommen, auf der anderen Seite sind unsere Bundesanleihen im Kurs gestiegen.

Bundesanleihen werfen kaum Zinsen ab. Wie wollen Sie damit die Garantien und Überschüsse Ihrer Kunden bedienen?

Die Garantien und Überschüsse für unsere bestehenden Verträge bedienen wir mit den Kapitalanlagen in unserem Bestand. Diese sind höher verzinst als heutige Neuanlagen. Außerdem investieren wir auch in höherverzinste Anlagen wie Pfandbriefe oder Unternehmensanleihen. Bei Neuverträgen liegt der Garantiezins seit Anfang des Jahres bei 1,75 Prozent, statt bislang 2,25 Prozent, das schaffen wir in der Neuanlage ohne Probleme.

Die EU-Kommission arbeitet an neuen Finanzvorschriften für die Versicherungsbranche. Im Rahmen von „Solvency II“ sollen Versicherer künftig mehr Eigenkapital für ihre lang laufenden Garantien bereit stellen. Ist das das Ende der traditionellen deutschen Lebensversicherung?

Wir wissen in einigen wesentlichen Punkten noch nicht, wie „Solvency II“ genau aussehen wird. Aber sicherlich wird es schwieriger, den Kunden Garantien zu geben. Bei lang laufenden Garantien kalkulieren wir mit Anlagezeiträumen von bis zu 40 Jahren. Das mit Eigenkapital zu unterlegen, ist schwer. Ich glaube aber, dass die Kunden langfristige Garantien brauchen. Die Garantie ist das zentrale Element unseres Lebensversicherungsgeschäfts. Wie wertvoll so etwas ist, merken jetzt all die Kunden, deren Verträge noch mit vier Prozent verzinst werden. Wir Versicherer müssen uns überlegen, ob der Preis, den wir für unsere Garantien verlangen, noch angemessen ist. Vielleicht sind wir zu günstig.

Was heißt das? Werden Ihre Kunden höhere Versicherungsbeiträge zahlen müssen?

Wir könnten das System umstellen. Statt den Kunden jedes Jahr Überschüsse zu garantieren, könnten wir ihnen einen Überschuss für das Ende der Laufzeit versprechen. Das würde uns viel Risikokapital sparen. Wir müssen die Kundenbedürfnisse zu für das Unternehmen vertretbaren Konditionen befriedigen.

Und was ist dann mit den Kunden, die ihre Lebensversicherung vorzeitig kündigen?

Wir bieten Produkte zur Altersvorsorge an. Da ist es wichtig, bis zum Ende durchzuhalten.

Eigentlich wollte die Ergo 2011 einen Gewinn von 450 bis 550 Millionen Euro machen. Haben Sie das geschafft?

Nein. Wir haben zuletzt anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse des dritten Quartals gesagt, dass wir im Bereich des Vorjahres liegen werden, als wir 355 Millionen Euro verdient hatten. Aber wie das Geschäftsjahr 2011 genau ausgegangen ist, kann ich noch nicht sagen.

Die Ergo musste 2011 neben der Euro-Krise auch mit hausgemachten Skandalen kämpfen. Ihr Vertrieb, die HMI, hatte mit Sexpartys und die Ergo mit fehlerhaften Riester-Policen von sich reden gemacht. Haben Sie Ihre Vertreter jetzt besser im Griff?

Wir haben ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen, mit dem wir den Vertrieb besser kontrollieren. Aber Sie dürfen bei alldem nicht vergessen, dass sich der Großteil der Vermittler, tausende, überhaupt nichts hat zuschulden kommen lassen. Deshalb haben wir auch beschlossen, an der HMI festzuhalten.

Der gute Ruf der Ergo hat durch die Exzesse ihrer Vertreter gelitten. Wie groß ist das Reputationsrisiko?

Wie wollen Sie das bewerten? Sicherlich haben die Berichte ein negatives Licht auf die Ergo geworfen. Insofern kann man schon von einem Reputationsrisiko sprechen, das sich realisiert hat. Aber die Frage, ob die Marke Ergo jetzt weniger wert ist als vorher und wie hoch unser Markenwert überhaupt ist, ist schon methodisch sehr schwer zu bewerten. Die messbaren Auswirkungen auf unser Geschäft waren dagegen relativ überschaubar. Wir hatten nur wenige Kündigungen. Trotzdem nehmen wir nach den Vorfällen im vergangenen Jahr Reputationsrisiken sehr ernst. Wir gehen allen Sachverhalten nach, die nur entfernt das Potenzial haben, für unser Image gefährlich zu werden.

Das Interview führte Heike Jahberg

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