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Hauptsache, sie fliegen wieder. Air Berlin hat viele Kunden verärgert.

© Federico Gambarini/dpa

Verspätungen und Flugausfälle: Passagiere rechnen mit Air Berlin ab

Die Fluggesellschaft hat bereits Millionen Euro für Verspätungen und Flugausfälle gezahlt. Mit zusätzlichem Personal und einem gestrafften Flugplan will man jetzt die Kurve bekommen.

Solche Berichte wünscht sich keine Fluggesellschaft. Etwa den des Passagiers, der 15 Minuten vor dem Boarden erfahren musste, dass sein Flug gestrichen ist. Knapp, könnte man sagen. Allerdings soll die Crew noch später informiert worden sein, erzählt der Kunde im Internet. Oder die Geschichte der Reisenden, die tagelang auf ihre Koffer warteten, um sie dann ramponiert, durchwühlt und mit fremden Kinderwagenteilen zugemüllt, zurückzubekommen. Wer Abenteuerurlaub machen will, so scheint es, braucht keine teure Safari mehr zu buchen, ein Billigticket für Air Berlin oder den Konzern-Ferienflieger Niki reichen.

Seit Wochen hakt es bei Deutschlands zweitgrößter Airline. Flüge werden gestrichen oder sind verspätet, nach dem Wechsel des Bodendienstleisters in Berlin kommen Koffer mit Verspätung an oder gar nicht. Für das Image der Berliner Fluggesellschaft ist das fatal, die Pleitenserie hat aber auch ein finanzielles Nachspiel. Die Beschwerden der Passagiere, die Schadensersatz haben wollen, häufen sich. Für die Airline, die nur mit Finanzspritzen des Großaktionärs Etihad über Wasser gehalten wird, vergrößert das die finanziellen Probleme weiter.

Tausende Kunden haben seit Jahresanfang das Internetportal Flightright eingeschaltet, das für sie – kostenpflichtig – Ausgleich für Verspätungen oder Stornierungen eintreiben soll. „Allein bei uns sind bereits Millionen Euro an Erstattungsansprüchen zusammengekommen“, sagte Rechtsanwalt Oskar de Felice dem Tagesspiegel. Flightright mit Sitz in Potsdam ist nach eigenen Angaben Marktführer. Aber auch Konkurrenzdienste wie EU-Claim oder Fairplane profitieren von den Problemen Air Berlins.

Knapp 3800 Air-Berlin-Fälle verzeichnete der Inkassodienst Fairplane von Januar bis Ende Mai dieses Jahres, im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 114 Prozent. Hinzu kommen knapp 1800 Beschwerden von Passagieren gegen Fly-Niki, ein Plus von unglaublichen 720 Prozent. 335 Euro haben Air-Berlin-Kunden 2017 jeweils über das Portal im Schnitt zurück bekommen, 328 Euro waren es bei Niki. Allein an Kunden von Fairplane hat der Konzern in diesem Jahr bereits 1,85 Millionen Euro gezahlt.

Zwischen 250 und 600 Euro an Erstattung sind drin

Zwischen 250 und 600 Euro kann man verlangen, wenn der Flieger drei Stunden oder noch später am Ziel eintrifft. Die genaue Höhe hängt von der Entfernung ab. Wird die Verbindung gestrichen, kann man sich den Flugpreis zurückholen, berichtet Flugrechtsexperte Ronald Schmid. Schäden am Gepäck werden individuell abgerechnet, Ersatz gibt es bis zu maximal 1400 Euro.

Obwohl Kunden drei Jahre lang Zeit haben, ihre Ansprüche einzureichen, sollten sie sich beeilen, warnt de Felice. „Man weiß nicht, was noch passiert“, meint der Jurist. Bei einer Insolvenz bekommt man nämlich nur einen Ausgleich aus der Konkursmasse, falls genug Geld da ist. Deutschlands oberster Verbraucherschützer fordert daher ein Eingreifen des Gesetzgebers. „Airlines sollten gesetzlich verpflichtet werden, eine Insolvenzversicherung zugunsten der vorausbezahlten Kundengelder abzuschließen, wie es bei Pauschalreiseanbietern seit über 20 Jahren der Fall ist“, meint Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.

Air Berlin: Die Tickets sind sicher

Bei Air Berlin weist man Gerüchte über eine drohende Insolvenz entschieden zurück. „Alle gebuchten Tickets behalten ihre Gültigkeit und sind sicher“, beteuerte Vertriebschef Götz Ahmelmann am Montag. „Kunden können getrost bei uns buchen.“ Die Airline versucht, vor der Hauptversammlung am Mittwoch Ruhe in das Unternehmen zu bekommen. Zahlreiche Flugverbindungen wurden zum 1. Juni gestrichen, um die Kunden wenigstens vor kurzfristigen Überraschungen zu bewahren. „Alle Flüge, die jetzt noch angeboten werden, können operativ bedient werden“, versichert ein Unternehmenssprecher.

Was jetzt noch im Flugplan steht, gilt

Beim Dienstleister Walter, der innereuropäische Strecken für Air Berlin übernommen hatte und der angeblich für einen Großteil der Verspätungen und Streichungen verantwortlich war, habe man für einen Austausch des Managements und 50 Neueinstellungen gesorgt. Seit Januar hat Air Berlin selbst rund 700 Flugbegleiter eingestellt, um die Personalausstattung in der Kabine zu verstärken. Zudem helfen 120 Verwaltungskräfte im operativen Geschäft aus. Am Bodendienstleister Aeroground hält Air Berlin aber fest. Man sieht Aufwärtstendenzen.

Entschädigungen werden ausgezahlt

Es bleibt spannend. Ob die Airline eine Bürgschaft erhält, entscheide sich erst in einigen Wochen, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Eines macht Hoffnung: Entschädigungen an die Kunden überweist Air Berlin bislang zügig. „Das Zahlungsverhalten ist seriös“, sagt de Felice.

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