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Küssen verboten. Zu viel Gefühl im Büro kann leicht vom Job ablenken. Foto: picture-alliance/Jasper White

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Wirtschaft: Versteckte Liebe

Jeder fünfte Arbeitnehmer war schon einmal mit einem Kollegen liiert. Warum das die Chefs ungern sehen – und wie es gelingt, Arbeit und Beziehung unter einen Hut zu bekommen.

Es begann mit einem Post-it. „Gehst du mit mir Mittagessen?“, stand auf dem gelben Klebezettel, der auf Marianne Ruges* Monitor klebte. Die Nachricht stammte von einem Kollegen aus dem Nachbarteam, den sie von gelegentlichen Meetings kannte. Klaus hieß er, und neben seinen smarten Einfällen zu neuen Kampagnen faszinierten sie seine blauen Augen. Einige Male gingen Klaus und Marianne gemeinsam Mittagessen, bevor sie sich nach Feierabend zum Kino verabredeten. Wenig später wurden sie ein Paar.

„Die Kollegen haben lange Zeit nichts mitbekommen“, erzählt Marianne Ruge. Weder sie noch Klaus erzählte von der Beziehung. Sie wollten nicht zum Klatschgespräch der Firma werden. Erst als sie beim Spazierengehen im Stadtpark Hand in Hand der Sekretärin in die Arme liefen, war es kein Geheimnis mehr, dass sie ein Paar waren – und die Neuigkeit machte die Runde im Büro.

Wie Klaus und Marianne lernen viele Menschen ihren Lebenspartner über die Arbeit kennen. Laut einer Forsa-Studie im Auftrag des Internetnetzwerks für Beruf und Karriere „Xing“ war jeder fünfte Deutsche schon einmal mit einem Kollegen liiert. In den USA war es sogar jeder zweite. 22 Prozent der Deutschen können sich eine Affäre mit einem Kollegen vorstellen, unter den 18- bis 29-Jährigen sind es sogar 30 Prozent. Doch nicht in jeder Firma sind solche Beziehungen gern gesehen und auch für das Paar selbst kann sie Nachteile mit sich bringen. Wer sich darauf einlässt, muss darauf achten, dass weder die Arbeit noch die Liebe zu kurz kommt.

Wenn es funkt, dann laut der Forsa-Studie meistens auf Betriebsfesten. Zehn Prozent der Befragten hatten ihr erstes Rendezvous in der Mittagspause, ebenso viele abends nach der Arbeit. Bei den meisten Befragten, die schon einmal ein Verhältnis mit einem Kollegen hatten, spielte sich die Affäre auf der gleichen Hierarchieebene ab. Das gaben drei von vier der Befragten an. Nur vier Prozent können sich dagegen ein Verhältnis mit dem Chef vorstellen. Praktikanten sind für die meisten fast ebenso tabu.

Die Arbeitspsychologin Antje Müller aus Bremen findet es nicht überraschend, dass sich so viele Kollegen ineinander verlieben. Die meiste Zeit des Tages verbringen wir schließlich im Büro. „Es gibt nicht so viele andere Gelegenheiten, bei denen man mit anderen Menschen zusammenkommt und Kontakte knüpfen kann“, sagt sie. Im Gegensatz zur Disco oder zum Café könne man sich über längere Zeit kennenlernen. „Es muss nicht Liebe auf den ersten Blick sein“, sagt sie.

Doch eine Büroliebe hat eben auch ihre Schattenseiten. „Wenn die Beziehung auseinander geht und aus Liebe Hass wird, muss man diese negativen Gefühle bei der Arbeit zurückstecken“, sagt Müller. Ein großer Fehler sei es, der Liebe am Arbeitsplatz zu viel Raum zu geben, besonders über eine längeren Zeitraum. Dazu gehöre auch, mit den Kollegen ausgiebig über den neuen Partner zu sprechen oder sogar über ihn zu jammern. Problematisch findet Müller, wenn Ranghöhere ihre Position ausnutzen und sich mit Untergebenen einlassen. Dazu gehöre auch der Klassiker „Chef und Sekretärin“ oder „Vorgesetzter und Auszubildende“. „Das kann zwar gut gehen, aber oft werden dabei Macht und Liebe vermischt, die Rangniederen werden ausgenutzt“, weiß die Psychologin.

„Frauen sollten sich gut überlegen, ob sie sich auf so eine Beziehung einlassen“, meint die Hamburger Karriereberaterin Svenja Hofert. Generell findet sie die Vermischung von Privatem und Beruflichem problematisch – auch unter hierarchisch gleichgestellten Kollegen. „Als Chefin würde ich bezweifeln, dass sich das emotionale Auf und Ab einer Liebesbeziehung positiv auf die Arbeitsleistung auswirkt. Ich würde eher das Gegenteil vermuten, nämlich dass eine Beziehung vom effektiven Arbeiten ablenkt.“ Ihr Rat lautet deswegen: „So lange es geht, sollte man die Beziehung geheim halten – auch vor dem Chef.“

Einige Unternehmen stellen schon im Arbeitsvertrag Regeln zu den privaten Beziehungen ihrer Angestellten auf. Svenja Hofert kennt das besonders von Firmen, die ihren Hauptsitz in den USA haben. Laut der Berliner Rechtsanwältin Dorit Jäger sind diese Regelungen aber rechtlich nicht wirksam. „Eine Untersagung, auch wenn sie im Arbeitsvertrag steht, ist unwirksam, denn mit Abschluss des Arbeitsvertrages verpflichtet sich der Arbeitnehmer lediglich zur vertragsgerechten Erbringung seiner Arbeitsleistung“, sagt sie. „Solange der Mitarbeiter arbeitsvertragliche Pflichten nicht verletzt, ist eine Untersagung nicht zulässig.“

Ähnlich pragmatisch wird das auch bei der Bayer Pharma AG in Berlin gesehen. Laut Personalleiter Wolfgang Petry gebe es keine expliziten Regelungen zu privaten Verhältnissen zwischen Mitarbeitern. Eine Ausnahme liege allerdings vor, wenn sich ein Vorgesetzter oder eine Vorgesetzte in eine Angestellte oder einen Angestellten verliebt. „In diesem Fall könnte eine solche Verbindung eine Vorteilnahme im Arbeitsalltag bedeuten und ist daher meldepflichtig.“

Wenn ein Vorgesetzter eine Mitarbeiterin bevorzugt behandelt, kann das dann doch zur Folge haben, dass der Arbeitgeber einschreitet, sagt Rechtsanwältin Dorit Jäger: „Liegt im Verhalten des Vorgesetzten ein Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten, kann der Arbeitgeber gegebenenfalls eine Abmahnung und im Wiederholungsfall die Kündigung aussprechen“, erklärt die Juristin. Gegen diese Entscheidung könnte der gekündigte Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzprozess vorgehen, in dem dann um den Bestand der Arbeitsplatzes oder um eine Abfindung gestritten wird.

Ob die Liebe am Arbeitsplatz nun die Motivation der Beteiligten beflügele oder nicht, das sei von Fall zu Fall ganz unterschiedlich, meint Arbeitspsychologin Antje Müller. „Es kann sich alles total verändern oder bleiben, wie es ist“, sagt sie. „Denn nicht immer sitzt mir der neue Partner ja direkt gegenüber. Oft sieht man sich nur in der Mittagspause.“

Klaus und Marianne arbeiteten in unterschiedlichen Abteilungen. Deshalb hielt sich die Ablenkung im Firmenalltag in Grenzen. Trotzdem setzte Marianne nach einigen Monaten ihren schon länger gehegten Plan in die Tat um und wechselte in eine andere Agentur. „Unserer Beziehung hat das sehr gut getan“, sagt sie. Denn sich jeden Tag im Büro zu sehen, sei nicht immer leicht. Vor kurzem ist sie mit Klaus zusammengezogen. Das Post-it von damals klebt jetzt am gemeinsamen Kühlschrank. *Namen geändert

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