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Wirtschaft: Veruntreuung: Ready Eddie gegen die Deutsche Bank

In den elf Jahren, die er bei der Deutschen Bank im Privatkundengeschäft arbeitete, fiel Eduardo Del Rio vor allem durch seine eleganten Anzüge auf, durch den Kuchen, den er ins Büro mitbrachte und durch die Autos, an denen er in seiner Freizeit bastelte. Heute ist er jedoch für etwas völlig anderes bekannt: Zwischen 1994 und April vergangenen Jahres, als er erwischt wurde, stahl er 90 superreichen Kunden der Bank 8,5 Millionen Dollar - den größten Teil von einem Konto, das der Krupp-Familie gehört.

In den elf Jahren, die er bei der Deutschen Bank im Privatkundengeschäft arbeitete, fiel Eduardo Del Rio vor allem durch seine eleganten Anzüge auf, durch den Kuchen, den er ins Büro mitbrachte und durch die Autos, an denen er in seiner Freizeit bastelte. Heute ist er jedoch für etwas völlig anderes bekannt: Zwischen 1994 und April vergangenen Jahres, als er erwischt wurde, stahl er 90 superreichen Kunden der Bank 8,5 Millionen Dollar - den größten Teil von einem Konto, das der Krupp-Familie gehört.

Gefängnis und Schadensersatz

Vergangenen Monat wurde Del Rio zu 46 Monaten Gefängnis und 9,2 Millionen Dollar Schadensersatz verurteilt, nachdem er sich vor Gericht schuldig bekannt hatte. Die Art und Weise, wie es dem 34-jährigen Privatkundenspezialist gelang, sechs Jahre lang Geld abzuzweigen, stellt die internen Kontrollen der Bank in Frage. Sein Anwalt bezeichnete das Verbrechen als erstaunlich leicht auszuführen.

Der Diebstahl ist eine schallende Ohrfeige für die Deutsche Bank, die gerade versucht, ihr Geschäft mit privaten Kunden auszubauen. Zwar ist die gestohlene Summe gering verglichen mit der Gesamtsumme der von der Bank verwalteten Kundengelder, aber das Privatkundengeschäft ist dasjenige, das am meisten von Vertrauen, Diskretion und Ruf abhängt.

Es sei äußerst peinlich, sagt Jerome Walker. Er ist Anwalt und arbeitete früher im Büro des Rechnungshof-Präsidenten, der die Bundesaufsicht über die Banken ausübt. Die Tatsache, dass der Betrug über einen so langen Zeitraum stattfand bei all den internen und externen Überprüfungen und den Kontrollen der Aufsichtsbehörde lässt vermuten, dass nichts grundlegend falsch lief. Jedoch muss das Umfeld so gewesen sein, dass er das System manipulieren konnte.

In einer Stellungnahme sagte die Deutsche Bank, die Vorgänge seien durch die Bank entdeckt worden. Sie habe die Aufsichtsbehörde informiert und bei der Verfolgung des früheren Angestellten geholfen. Und weiter: "Das Regelwerk und die Verfahren wurden verschärft und es wurden umfassende Kontrollen eingeführt. Das soll sicherstellen, dass das Vermögen der Bank und ihrer Kunden künftig vor jeglichem Versuch der Veruntreuung sicher ist."

Kastanienbraune Luxusautos

Derzeit verkauft die Bank die Vermögensgegenstände, die Del Rio mit dem gestohlenen Geld angeschafft hat. Darunter sind mehrere Immobilien und eine Sammlung von kastanienbraunen Luxusautos. Del Rio kam 1989 zur Deutschen Bank, nach zwei Jahren College und zwei Jahren Arbeit bei Bankers Trust. In den ersten Jahren war er anscheinend ein gewissenhafter Angestellter in der kleinen Abteilung der Privatbank, die Kunden aus Lateinamerika betreute. Er verwaltete 300 Konten und bearbeitete Kundenaufträge. Sein Gehalt war für die Branche nicht hoch. Er soll Insidern zufolge 1999 ein Gehalt von 70 000 Dollar und einen Bonus von 27 000 Dollar bekommen haben -aber seine Arbeit gewährte ihm Einblick in eine andere Welt. "Del Rio bekam mit, wie die Reichen und Berühmten leben", heißt es in einem Brief von seinem Rechtsanwalt Brian Maas an den zuständigen Richter.

Del Rio, der fließend Spanisch spricht und vorher nicht straffällig wurde, sah seine Chance irgendwann in den frühen 90er Jahren. Durch einen Irrtum nannte er einem Kunden einen zu niedrigen Kontostand, sagen zwei Personen, die den Fall kennen. Del Rio bemerkte seinen Irrtum später, der Kunde hingegen nicht. Das brachte Del Rio offensichtlich auf die Idee, sagen die beiden Insider. Steven Garfinkel, ein Agent des FBI, sagt, dass diese Umstände für ein Verbrechen in Privatbanken typisch sind. "Da ist ein langjähriger Angestellter, dem die Kunden vertrauen, und die Kunden haben so viel Geld, dass sie nicht merken, was geschieht." Sieben von den 8,5 Millionen stammen vom Thyssen Global-Konto, das Mitgliedern der Thyssen-Familie gehört. Einige von ihnen leben in Südamerika. Das erklärt, warum das Konto vom Lateinamerika-Team verwaltet wurde, in dem Del Rio arbeitete.

Del Rios Verbrechen blieb unter anderem deshalb so lange unentdeckt, weil er nicht genügend überwacht wurde, sagen Insider. Maas, Del Rios Rechtsanwalt, sagt in seinem Brief, die Oberen der Bank hätten Eddies kleiner Nische kaum Beachtung geschenkt. Die Deutsche Bank nahm dazu keine Stellung. Sogar in diesem Fall hätte Del Rios Diebstahl von den gegenseitigen Kontrollen der Deutschen Bank bemerkt werden können: Die Bank verlangt, dass alle Transfers bei Privatkonten von einem Kollegen oder Vorgesetzten überprüft werden. Der Kontrollierende muss sich die Tranksaktion ansehen, die Anweisung des Klienten nochmals durchgehen und dann gegenzeichnen, sagen frühere Angestellte der Bank.

Diese Kontrollen versagten in Del Rios Fall. Möglicherweise hat er das Verfahren umgangen, indem er manchmal Kollegen aus anderen Gruppen der Privatbank bat, die Transaktionen zu genehmigen. So sagt ein früherer Kollege von Del Rio, der jetzt an anderer Stelle bei einem Finanzdienstleister arbeitet. Dieses Vorgehen war zulässig, jedoch waren die Kundenanweisungen auf Del Rios Überweisungen oft in Spanisch und das verstanden Mitarbeiter aus anderen Teams nicht, so der Ex-Kollege.

Sechs Jahre lang führte Del Rio tausende betrügerischer Transaktionen durch, wobei er zwischen 100 Dollar und etwa einer Million von Kundenkonten abhob, sagen Insider. In vielen Fällen berechnete er erfundene Gebühren oder er verwendete von der Deutschen Bank angeblich zu Gunsten von Kunden ausgestellte Schecks für sich selbst. Mit dem Geld kaufte er nicht nur Immobilien, sondern auch ein Lebensmittel-Geschäft und gewährte seiner Schwester einen Kredit. Außerdem gab er sich seiner Leidenschaft für Autos hin. Er kaufte drei Mercedes, einen Lincoln Navigator, drei Motorräder und drei Jet-Skis.

Viele der Fahrzeuge hatten Nummernschilder, auf denen "Ready Eddie" stand. Del Rio wurde schließlich im April vergangenen Jahres erwischt. Damals wurden die Konten der Privatbank im Rahmen der Übernahme von Bankers Trust überprüft. Etwas Ungewöhnliches am Rande: Am siebten März schickte die Deutsche Bank einen Brief an den zuständigen Richter, in dem sie bemerkte, dass Del Rio der Bank geholfen habe, seine unrechtmäßigen Gewinne zurückzuverfolgen. Sein Rechtsanwalt Maas erklärte in seinem Brief, verglichen mit dem jungen Mann unter dreißig, der zu den Großen gehören wollte, sei Eddie heute älter, weiser, und - wie sein Verhalten im vergangen Jahr zeige - viel reifer und verantwortungsbewusster. Das Bundesrecht schreibt für Del Rio ein Strafmaß zwischen 46 und 57 Monaten Gefängnis vor. Richter Richard C. Casey verurteilte ihn im vergangenen Monat zum Mindestmaß.

Paul Beckett

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